Die Welt Kompakt - 18.10.2019

(Barré) #1

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT FREITAG,18.OKTOBER2019 WIRTSCHAFT 11


P


armesan ist nicht ir-
gendein Käse. Er ist in
Italien ein Heiligtum.
Seit Jahrhunderten
wird Parmesan nach dem glei-
chen Verfahren produziert. Nur
ausgewählte Erzeuger in der
Region um Parma, Modena,
Reggio Emilia und Bologna dür-
fen die goldenen Laibe herstel-
len. Doch Parmesan ist nicht
bloß Identität und National-
stolz. Er ist auch ein Export-
schlager und – wie der gesamte
Nahrungsmittelsektor in Ita-
lien – ein enormer Wirtschafts-
faktor. Umso schlimmer also,
dass US-Präsident Donald
Trump den König aller Käsesor-
ten bedroht. Die angekündigten
US-Strafzölle auf Importe aus
Europa haben in Italien beson-
dere Unruhe ausgelöst. Wegen
illegaler EU-Subventionen für
den Flugzeugbauer Airbus wol-
len die USA auch auf die Käse-
sorten Parmigiano Reggiano
und Grana Padano künftig ei-
nen Strafzoll von 25 Prozent er-
heben. Ab diesem Freitag sollen
die Abgaben auf manche Impor-
te aus Europa gelten.
Statt wie bisher 2,15 Dollar
soll auf das Kilo Parmesan nun
sechs Dollar Zoll gezahlt wer-
den, rechnet das Parmesan-
Konsortium vor. Amerikaner
müssten dann nicht mehr 40
Dollar pro Kilo zahlen, sondern
45 Dollar. Das entspricht etwa
41 Euro. Die Befürchtung ist,
dass der Absatz in Amerika lei-
det. Die USA sind für den Ver-
kauf von Parmesan immerhin
der zweitwichtigste Export-
markt Italiens, pro Jahr werden
rund 10.000 Tonnen Käse dort-
hin geliefert. Nur Frankreich
kauft mit 11.000 Tonnen noch
mehr. „Wir sind verbittert, weil
es ungerechtfertigt einen der
stärksten Sektoren unserer
Wirtschaft trifft“, erklärte Kon-
sortiumschef Nicola Bertinelli.
„Italien hat nichts mit Airbus
zu tun (...) und muss nun eine
wirklich unsinnige Rechnung
zahlen.“ Betroffen sind neben
Parmesan auch gekochter
Schinken, Salami und Campari.


Die italienische Regierung ist
entschlossen, das Nationalhei-
ligtum zu verteidigen. Nicht
umsonst bekam US-Außenmi-
nister Mike Pompeo bei seinem
Besuch vor zwei Wochen in

Rom ein großes Stück Käse
„Grana d‘Oro“ in die Hand ge-
drückt. Premierminister Giu-
seppe Conte erklärte, die Causa
verlange die „maximale Auf-
merksamkeit der Regierung“,

da die Zölle „uns sehr weh tun
können“. Bei einem „Parmigia-
no Day“ in Bologna protestier-
ten unlängst Produzenten mit
Kühen. Käse-Delegationen reis-
ten in die USA, um das Unglück
abzuwenden. Und statt der be-
fürchteten 100 Prozent Straf-
zoll auf viele italienische Pro-
dukte sind es nun weit weniger.
Außenminister Luigi Di Maio
erklärte zuversichtlich: „Unser
Schinken und unser Parmesan
sind die Ferraris der Gastrono-
mie. Sie sind die besten der
Welt, und ich bin sicher, dass
die Amerikaner Lust darauf ha-
ben, sie zu essen.“ „Gerettet“
sind daneben andere Champi-
ons der italienischen Küche:
Auf Parmaschinken, Büffelmoz-
zarella und Prosecco werden
keine zusätzlichen Zölle erho-
ben. Auch Wein und Olivenöl
aus Italien blieben außen vor.
Anders dagegen in Spanien.
Dort ist das heiß geliebte „Acei-
te de Oliva“ betroffen. Das Oli-
venöl wird in Spanien vor allem
in Andalusien produziert. Von
den gut 400 Millionen Euro, die
Spanien 2018 für den Export
von Olivenöl in die USA kas-
sierte, gingen 80 Prozent in die
Region im Süden des Landes.
Dort haben Olivenöl und Oli-
ven traditionell eine riesige
wirtschaftliche, aber auch so-
ziale Bedeutung. Entsprechend
groß war der andalusische Auf-
schrei nach Bekanntwerden der
Nachricht von den US-Strafzöl-
len. Die regionale Arbeitsminis-
terin Rocío Blanco warnte, der
erwartete starke Rückgang der
Ausfuhren in die USA werde
viele Unternehmen hart treffen
und die Arbeitslosenrate, die
dort bereits bei mehr als 21 Pro-
zent liegt, ansteigen lassen.
„Ich weiß nicht, wie lange viele
der betroffenen Firmen die Fol-
gen aushalten können“, sagte
sie. Rafael Pico, Geschäftsfüh-
rer des Olivenöl-Exporteur-
Verbandes Asoliva, drückt sich
noch drastischer aus: „Ein
Strafzoll von 25 Prozent haut
viele aus dem Markt.“ Und Ma-
riano Íñigo, Professor an der

EAE Business School, sprach
von einer „Katastrophe“, die
„für viele Unternehmen mit
sehr geringen Gewinnmargen
unweigerlich das Ende“ bedeu-
ten werde.
Trotz der Härten für einige
Produkte gibt das Kieler Insti-
tut für Weltwirtschaft (IfW) zu
bedenken, dass die von den
USA gewählten Zölle mild aus-
fallen, verglichen mit einem
möglichen Zollsatz von 100
Prozent. Betroffen seien vor al-
lem Frankreich, Deutschland
und Großbritannien, heißt es in
einer Analyse. Zwar seien 2,
Milliarden Euro Exportvolu-
men pro Jahr von Deutschland
in die USA grundsätzlich in Ge-
fahr. Weil die Amerikaner aber
die niedrigeren Zollsätze als
möglich angesetzt haben, sei
der Schaden mit 130 Millionen
Euro für das deutsche Brutto-
inlandsprodukt zunächst über-
schaubar.
Für Europa insgesamt belau-
fe sich der Schaden auf etwa 1,
Milliarden Euro. IfW-Präsident
Gabriel Felbermayr hat eine Er-
klärung für die milde Variante:
„Die niedrigen Zölle können
auch als letzte Warnung an Eu-
ropa verstanden werden.“ Im-
merhin könnten die USA die
Zölle auf die von der Welthan-
delsorganisation (WTO) er-
laubten 100 Prozent-Höhe
schrauben. Dann würde der
Schaden für Deutschland auf
jährlich eine Milliarde anwach-
sen. Der IfW-Präsident warnt
daher vor einer Sofortreaktion
der Europäer. Dies könnte die
Lage eskalieren. „Definitiv ver-
nünftiger wäre es, auf den
Schiedsspruch zu warten, den
die WTO im Parallelverfahren
um Boeing im kommenden Jahr
treffen wird.“
Falls die WTO dann der EU
Ausgleichszölle zugestehe,
könnte Europa auch Zölle auf
US-Flugzeuge einführen. Das
wäre eine große Drohkulisse für
die USA, denn Boeing verkaufe
in Europa deutlich mehr Flug-
zeuge als Airbus in den Verei-
nigten Staaten. dpa/geheg

Italiener


fürchten um


Exportschlager


Parmesan ist auch in den USA


beliebt. Nun sorgt sich Rom wegen


der neuen US-Strafzölle um


einen wichtigen Absatzmarkt


Nur ausgewählte Erzeuger dürfen Parmesan herstellen

DE AGOSTINI VIA GETTY IMAGES

/DEA / A. VERGANI

S


ieheißen Krustioder Se-
samweckli – und gehö-
ren zum Sonntagmorgen
für viele Deutsche dazu: frische
Brötchen. Doch ob auch noch
Spätaufsteher in den Genuss
der Backwaren kommen, hat
am Donnerstag der Bundesge-
richtshof (BGH) entschieden.
Er urteilte darüber, wie lange
Bäckereien am Sonntag über-
haupt geöffnet haben dürfen.


VON SEBASTIAN FREIER

Die Entscheidung: Bäckerei-
en mit einem angeschlossenen
Café dürfen künftig sonntags


auch über die Ladenschlusszei-
ten hinaus Brötchen und Brote
verkaufen. Damit klärte
Deutschlands oberste Richter
den Streit um den Sonntagsver-
kauf eines Münchener Bäckers.
Dieser hatte am zweiten Wo-
chenendtag länger als die in
Bayern zulässigen drei Stunden
geöffnet. Daraufhin hatte die
Zentrale zur Bekämpfung un-
lauteren Wettbewerbs, ein ein-
getragener Verein aus Bad
Homburg vor der Höhe, den Bä-
cker verklagt.
Zwar sind die Ladenschluss-
zeiten von Bundesland zu Bun-
desland verschieden, das Karls-

ruher Urteil hat dennoch Kon-
sequenzen für ganz Deutsch-
land. Bäckereicafés dürfen nun
länger geöffnet sein und kön-
nen auf höhere Umsätze hof-
fen, für kleinere Handwerks-
betriebe ohne Bewirtschaftung
ändert sich durch das Urteil
aber nichts. Sie dürfen nach wie
vor nur so lange öffnen, wie es
das Ladenschlussgesetz des je-
weiligen Landes zulässt.
Laut BGH-Urteil zählen Bä-
ckereicafés damit nun offiziell
als Gaststätten. Das bedeutet,
dass Brot und Brötchen in die
Rubrik der „zubereiteten Spei-
sen“ fallen und über die Vor-

schriften des Ladenschlussge-
setzes hinaus über die Theke
verkauft werden dürfen. Die
Frage, ob Brötchen als „zube-
reitete Speisen zum alsbaldigen
Verzehr“ gelten, war der Haupt-
streitpunkt des Verfahrens. An-
dreas Ottofülling, Geschäfts-
führer der Wettbewerbszentra-
le, argumentierte, dass man un-
ter „zubereiteten Speisen“ vor
allem fertig zubereitete Gerich-
te in Restaurants verstehen sol-
le. Das Oberlandesgericht
(OLG) München erklärte in sei-
nem Urteil in Vorinstanz je-
doch, Brötchen bestünden aus
Rohstoffen, „die durch den

Backvorgang zum Genuss ver-
ändert worden seien“.
Der Zentralverband des
deutschen Backhandwerks war
im Verfahren selbst nicht betei-
ligt, beobachtete den Prozess
aber genau.Die Forderung von
Hauptgeschäftsführer Daniel
Schneider im Vorfeld: „Für Bä-
ckereien sollen in Deutschland
dieselben Regeln und Gesetze
für den Verkauf von Backwaren
gelten, wie für Tankstellen und
Supermärkte.“ Letztere sorgten
für eine wachsende Konkurrenz
in der Backwaren-Branche. Das
BGH-Urteil verspricht nun ei-
nen faireren Wettbewerb.

Bundesgerichtshof rettet das Sonntagsbrötchen


Richter weisen Klage gegen Münchener Betrieb zurück. Bäckereicafés dürfen sonntags ganztägig Teigwaren verkaufen

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