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Ist der Markt im Jugendbereich
mittlerweile zu stark interna-
tionalisiert?
Natürlich ist der Markt ein euro-
päischer geworden. Zu meiner
Zeit als Spieler war ich das Top-
Talent in Deutschland. Damals
war der Markt aber noch nicht so
professionalisiert wie heute.
Sonst hätte der BVB damals
durchaus sagen können: In Eng- land gibt es noch einen Michael Owen, in Frankreich einen Pa- trick Viera, in Chemnitz einen Michael Ballack.
Heute müssen
sich unsere Talente mit Talenten
aus ganz Europa auseinanderset-
zen. Auch der BVB setzt im hö-
heren U-Bereich auf internatio-
nale Top-Talente – aber wir wol-
len es nicht in der Breite ma-
chen, sondern wirklich nur Spie-
ler aus dem Ausland holen, in de-
nen wir ein außergewöhnlich
großes Potenzial sehen. Wie bei
Pulisic, Bruun-Larsen oder aktu-
ell bei Gio Reyna und Immanuel
Pherai.
Jadon Sancho war dafür be-
kannt, extrem viel Opfer ge-
bracht zu haben, um sich sei-
nen Traum vom Profi-Fußball
erfüllen zu können. Sind deut-
sche Talente nicht mehr bereit,
sich genügend zu quälen?
Es ist ein gehöriger Aufwand,
den die Jungs betreiben müssen:
Du hast in der Woche einen Ar-
beitsaufwand von 70, 80 Stun-
den, du hast im Prinzip zwei
Jobs: Schule und Fußball. Du
stehst oft um sechs Uhr auf und
hast erst abends um 20.30 Uhr
Feierabend – und das fünfmal
pro Woche. Das ist kein Spaß!
Wir wollen aber trotzdem, dass
die Spieler am Wochenende mit
ganz viel Spaß und Spielfreude
auflaufen. Das zu gewährleisten
ist nicht immer einfach. Auch ist
die Anzahl der Spiele durch die
Auswahlmannschaften, in denen
die Top-Talente spielen, in den
letzten Jahren stark angestiegen.
Ich sehe aber noch ein anderes
Problem.
Welches?
Wir reden ja auch über Persön-
lichkeitsentwicklung und darü-
ber, Typen zu entwickeln, die
durchsetzungsstark und kon-
fliktfähig sind. Deshalb müssen
wir aufpassen, dass junge Spieler
nicht nur in der Blase Fußball le-
ben, sondern auch noch Kontakt
zu Menschen behalten, die keine
Leistungssportler sind. Kürzlich
hat einer unserer Jugendspieler
Geburtstag gefeiert. Er hat acht
Leute eingeladen, darunter wa-
ren zwei Mitspieler und sechs
Mitschüler aus seiner Klasse. Da
ging uns das Herz auf!
Ricken
absolvierte
407 Pflichtspiele
(69 Tore,
65 Vorlagen)
für das Profiteam
des BVB. 16 Mal
spielte er für
Deutschland
DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT FREITAG,18.OKTOBER2019 SPORT 29
* Laut GPRA-Vertrauensindex, Erhebung vom 17. bis 24.11.2016 durch das Meinungsforschungs- und Beratungszentrum Mente>Factum. Handelsblatt liegt mit 83% vor Süddeutscher Zeitung (79%) und FAZ (78%).* Laut GPRA-Vertrauensindex, Erhebung vom 17. bis 24.11.2016 durch das Meinungsforschungs- und Beratungszentrum Mente>Factum. Handelsblatt liegt mit 83% vor Süddeutscher Zeitung (79%) und FAZ (78%).* Laut GPRA-Vertrauensindex, Erhebung vom 17. bis 24.11.2016 durch das Meinungsforschungs- und Beratungszentrum Mente>Factum. Handelsblatt liegt mit 83% vor Süddeutscher Zeitung (79%) und FAZ (78%).* Laut GPRA-Vertrauensindex, Erhebung vom 17. bis 24.11.2016 durch das Meinungsforschungs- und Beratungszentrum Mente>Factum. Handelsblatt liegt mit 83% vor Süddeutscher Zeitung (79%) und FAZ (78%).* Laut GPRA-Vertrauensindex, Erhebung vom 17. bis 24.11.2016 durch das Meinungsforschungs- und Beratungszentrum Mente>Factum. Handelsblatt liegt mit 83% vor Süddeutscher Zeitung (79%) und FAZ (78%).* Laut GPRA-Vertrauensindex, Erhebung vom 17. bis 24.11.2016 durch das Meinungsforschungs- und Beratungszentrum Mente>Factum. Handelsblatt liegt mit 83% vor Süddeutscher Zeitung (79%) und FAZ (78%).
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NEU
M
esut Özil ist „sehr glück-
lich“. Dieser kleine Ne-
bensatz verpackt in
mehreren Hundert Wörtern über
seinen knallenden Rücktritt aus
der deutschen Fußball-National-
mannschaft mit all den hässlichen
Begleitumständen scheint fast die
wichtigste Botschaft. Özil würde
alles wieder so machen. Auch mit
15 Monaten Abstand „weiß ich,
dass es die richtige Entscheidung
war“, sagt der 31-Jährige dem
Sportportal „The Athletic“ in ei-
nem Interview. Erstmals spricht
der Mittelfeldspieler über die
Hintergründe, die seiner Meinung
nach große Probleme in Deutsch-
land offenlegten.
„Rassismus war immer da, aber
diese Situation wurde von diesen
Menschen als Entschuldigung da-
für genutzt, ihn auszuleben“, sagt
der Profi des FC Arsenal über je-
nes Foto mit dem türkischen
Staatspräsidenten Recep Tayyip
Erdogan und seinem Mitspieler
Ilkay Gündogan, das vor der WM
2018 eine tiefe Krise ausgelöst
hatte.
„Nach dem Foto habe ich mich
nicht mehr geschützt, nicht mehr
respektiert gefühlt. Ich wurde
rassistisch angegangen – sogar
von Politikern und bekannten
Persönlichkeiten“, sagt der Welt-
meister von 2014. „Dennoch hat
sich zu dieser Zeit niemand von
der Nationalmannschaft vor mich
gestellt und gesagt: 'Hey, das
reicht. Das ist unser Spieler.' Je-
der hat einfach geschwiegen und
es geschehen lassen.“ Die Solida-
ritätsbekundungen von seinem
langjährigen Freund Jerome Boa-
teng unterschlägt Özil dabei. Der
langjährigen Freund Jerome Boa-
teng unterschlägt Özil dabei. Der
langjährigen Freund Jerome Boa-
Bayern-Verteidiger hatte sich in
Interviews und via Social Media
hinter Özil gestellt.
Mit dem Getöse um das Erdo-
gan-Foto im Gepäck fuhr das
DFB-Team von Bundestrainer
Joachim Löw damals zur WM
nach Russland, wo es grandios
scheiterte. Ende Juli 2018, nach
Wochen des Schweigens, zog Özil
den Schlussstrich – mit einer
mehrteiligen Stellungnahme in
den sozialen Medien, in der er den
DFB und dessen damaligen Präsi-
denten Reinhard Grindel scharf
angriff. Das DFB-Präsidium wies
die Rassismus-Vorwürfe im An-
schluss deutlich zurück, räumte
aber auch einen falschen Umgang
mit dem Foto ein.
Erinnerungen an das Özil-Poli-
tikum kamen am vergangenen
Wochenende auf, als Gündogan
und Emre Can ein Foto des Salut-
Jubels türkischer Nationalspieler
im sozialen Netzwerk Instagram
mit einem „Gefällt mir“ markier-
ten. Dazu äußert sich Özil nicht,
sein Blick geht zurück.
„Ich musste meinem Herzen
folgen und habe entschieden: 'Es
ist Zeit, zu gehen und weiterzu-
machen“, sagt er. „Ich musste das
alles nicht tun, und die Dinge hät-
ten einfacher für mich sein kön-
nen, wenn ich es nicht getan hät-
te. Aber ich bin stark genug, hin-
ter meinen Entscheidungen zu
stehen.“
Zu Deutschland habe der Spiel-
macher, der seinen Vertrag beim
FC Arsenal bis 2021 erfüllen will
und zuletzt einen bewaffneten
Überfallversuch überstanden hat-
te, weiterhin „starke Verbindun-
gen“. Doch willkommen scheint
er sich nicht mehr zu fühlen.
Ausgiebig spricht Özil über die
Folgen des Erdogan-Fotos, auf das
er sich aber immer wieder so ein-
lassen würde. Wenn Bundeskanz-
lerin Angela Merkel damals nach
London gereist wäre „und nach
einem Treffen, einem Gespräch
gefragt hätte, hätte ich das natür-
lich auch getan“, sagt er. „Es ging
allein darum, Respekt vor dem
höchsten Amt eines Landes zu
zeigen.“
Er sei im Anschluss aufs Übel-
ste beschimpft worden, Ge-
schäftspartner und Wohltätig-
keitsorganisationen hätten sich
abgewandt. Selbst in seiner Ge-
burtsstadt Gelsenkirchen sei ein
Besuch an seiner alten Schule mit
Verweis auf die zunehmende Stär-
ke der AfD abgesagt worden. „Ich
habe ihnen meine Hand gereicht,
aber sie haben das nicht erwi-
dert“, sagt er.
Der Rassismus sei „nicht mehr
länger ein Thema der Rechten“,
sagt Özil, sondern „in der Mitte
der Gesellschaft“ angekommen.
„Schaut, was in der vergangenen
Woche in Halle passiert ist. Eine
weitere antisemitische Attacke.“
In der Großstadt in Sachsen-An-
halt hatte ein schwer bewaffneter
Mann versucht, in eine mit mehr
als 50 Gläubigen besetzte Synago-
ge zu gelangen. Als das scheiterte,
erschoss der Täter, der inzwi-
schen antisemitische und rechts-
extreme Motive gestanden hat,
vor der Synagoge zwei Menschen
und verletzte auf der Flucht ein
Ehepaar schwer.
Seine sportliche Zukunft sieht
der Mittelfeldspieler beim FC Ar-
senal, obwohl er dort zuletzt oft
nur noch Reserve war. „Als Profi
habe ich die Entscheidung des
Trainers zu akzeptieren. Von zu
Hause aus zuschauen zu müssen
sorgt dafür, dass ich mich hilflos
fühle. Ich muss mich voll reinhän-
gen und im Training alles geben.“
Dann, so Özil, werde er auch wie-
der zum Einsatz kommen. dpa/sip
Özil warnt vor Rassismus in Deutschland
Arsenal-Profi bricht sein Schweigen nach Rücktritt aus Nationalteam
GETTY IMAGES
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