Handelsblatt - 18.10.2019

(Joyce) #1
Katrin Terpitz, Jürgen Röder
Düsseldorf

A


ls wir unsere Container
mit Gebäck vor ein paar
Wochen Richtung USA
einschifften, ahnten wir
nicht, dass sie dort ab
Freitag mit 25 Prozent Strafzoll belegt
werden“, sagt Hermann Bühlbecker,
Inhaber des Gebäckherstellers Lam-
bertz. Die Sanktionen, die ab Freitag
unter anderem für Süßgebäck aus
Deutschland gelten sollen, treffen
auch die Aachener. Schließlich sind
die USA der wichtigste Exportmarkt
für die deutschen Lambertz-Werke.
„Das sind ganz gezielte Nadelstiche“,
sagt der Unternehmer.
Deutschland liefert jährlich Gebäck
für etwa 65 Millionen Euro in die
USA. Allein 28 Millionen Euro gehen
auf das Konto von Lambertz. „In den
USA verkaufen wir weniger klassische
Lebkuchen oder Weihnachtsgebäck“,
erzählt Bühlbecker, „sondern ganz-
jährig etwa große Geschenkdosen
mit Gebäck.“ Kunden sind große Han-
delsketten wie Walmart und Sam’s
Club. Bühlbecker geht davon aus,
dass Lambertz zunächst die Mehrkos-
ten trägt. Mittelfristig aber will der
Keksproduzent die Preise erhöhen
und so die Kosten zumindest zum Teil
auf die US-Konsumenten abwälzen.
Fachleute sehen das eher skep-
tisch. „Die wenigsten Verbraucher
sind erfahrungsgemäß gewillt, eine
25-prozentige Preiserhöhung zu
schlucken“, warnt Gerrit Heine-
mann, Handelsexperte von der
Hochschule Niederrhein. Das zeigten
auch die Strafzölle der EU auf Bour-

bon Whiskey, Harley Davidson und
Erdnussbutter aus den USA. Seitdem
seien die Einfuhren spürbar zurück-
gegangen. „Das ist ja auch der Zweck
solcher Strafzölle“, so Heinemann.
Auch für Keksproduzent Bahlsen
sind die USA ein „vielversprechender
und interessanter Wachstumsmarkt“.
Die drohenden Strafzölle würden das
Wachstum gefährden. „Es ist unge-
recht, dass diese Strafzölle gerade mit-
telständische Unternehmen wie Bahl-
sen treffen“, heißt es aus Hannover.
Doch genau das hat System. „Die
US-Regierung hat gezielt Produkte
ausgewählt, die gerade Mittelständler
hart treffen sollen“, beobachtet Hei-
nemann. Dazu kommt: Die US-Ver-
braucher haben bei Keksen, Wein
oder Likör genügend Alternativen,
auf die sie ausweichen können.

Mittelstand als Ziel
Die Welthandelsorganisation (WTO)
hatte den USA kürzlich erlaubt, Straf-
zölle auf Einfuhren aus EU-Staaten im
Volumen von 7,5 Milliarden Dollar pro
Jahr zu erheben. Sie sollen eine Wie-
dergutmachung sein für illegale
Staatshilfen einiger EU-Länder für
den Flugzeugbauer Airbus. Neben
zehn Prozent Importzoll auf Flugzeu-
ge aus bestimmten EU-Ländern ste-
hen diverse Produkte einzelner Län-
der auf der US-Sanktionsliste. Aus
Deutschland sind das etwa bestimm-
te Werkzeuge und Kameraobjektive,
vor allem aber Nahrungsmittel wie
Süßgebäck, Wein, Quark, Käse, Röst-
kaffee oder Likör, die künftig mit 25
Prozent Strafzoll belegt sind.
Von den US-Zöllen wären deutsche
Lebensmittelausfuhren im Gesamt-

wert von rund 300 Millionen Euro im
Jahr betroffen, schätzt die Bundes-
vereinigung der Deutschen Ernäh-
rungsindustrie (BVE). Schließlich
sind die USA neben China und der
Schweiz der wichtigste Exportmarkt
der Branche außerhalb der EU.
„Zollvergeltungsmaßnahmen tref-
fen die deutsche Ernährungsindus-
trie durch steigende Rohstoffpreise
sowie eine verschlechtere Wettbe-
werbsfähigkeit am US-Markt doppelt
hart“, betont die Vereinigung. Die
BVE bittet die EU-Kommission daher
dringend, eine Lösung im Handels-
streit zu finden und eine drohende
Eskalationsspirale zu vermeiden.
Leidtragender des transatlanti-
schen Streits sind auch Hersteller be-
stimmtet Spirituosen. 2018 wurden
etwa deutsche Liköre für 88 Millio-

nen Euro in die USA verkauft. „Es ist
nicht akzeptabel, dass Spirituosen-
produzenten den Preis für einen
Streit zwischen USA und EU zahlen
sollen, bei dem es sich im Wesentli-
chen um Subventionen für Zivilflug-
zeuge dreht“, kritisiert Angelika
Wiesgen-Pick, Geschäftsführerin des
Bundesverbands der Deutschen Spi-
rituosen-Industrie und -Importeure.
Auch das Familienunternehmen
Underberg, das seit mehr als 100 Jah-
ren seinen berühmten Magenbitter in
die USA exportiert, ist von der
25-prozentigen Importsteuer betrof-
fen. „Wir gehen davon aus, dass dies
über die verschiedenen Handelsstu-
fen zu Preiserhöhungen am Regal für
den Konsumenten von bis zu 40 Pro-
zent führen wird“, befürchtet Huber-
tine Underberg-Ruder, Verwaltungs-
ratspräsidentin der Unterberg AG.
Handelsexperte Heinemann sieht
da jedoch wenig Spielraum für die
Mittelständler. „Wer genug Finanz-
kraft und Durchhaltevermögen hat,
wird die zusätzlichen Kosten zähne-
knirschend selbst tragen“, erwartet
er. Unternehmen, die sich das nicht
leisten könnten oder wollten, seien
gezwungen, sich über kurz oder lang
vom Markt zurückzuziehen.

Auch Winzer betroffen
Auch Jägermeister würden die Sank-
tionen treffen – und das erheblich.
„Nirgendwo sonst verkaufen wir so
viel Kräuterlikör wie in den USA“,
heißt es bei Mast-Jägermeister. „Die
USA sind unser größter Absatzmarkt.“
Im Jahr exportiert das Familienunter-
nehmen etwa 20 Millionen 0,7-Liter-
Flaschen in die USA. Die Firma hat
bereits vorausschauend die Lagerbe-
stände entsprechend angepasst.
Die deutsche Weinbranche dürfte
die Strafzölle ebenfalls empfindlich
spüren. Sind die USA doch mit Ab-
stand Hauptabnehmer für deutschen
Wein, rund ein Viertel der Exporter-
löse stammt aus den Staaten. 2018
waren das laut Destatis Weine für 90
Millionen Euro. „Diese Vergeltungs-
zölle werden kurzfristig zu einer er-
heblichen Verringerung der Ge-
schäftstätigkeit führen, von der sich
der Markt nicht so schnell erholen
wird“, meint Gerhard Brauer, Vorsit-
zender des Verbands Deutscher
Weinexporteure. Der US-Export ist
für viele Betriebe so wichtig, weil ihr
Wein dort höhere Preise erzielt.
„Bis eine Flasche Wein im Ziel-Bun-
desstaat der USA ankommt, kommen
durch das komplizierte amerikani-
sche Dreistufensystem ungefähr die
gleichen Aufschläge hinzu, sodass am
Ende fast 50 Prozent Aufschlag auf ei-
ne Flasche deutschen Wein gezahlt
werden müssen“, rechnet Steffen
Christmann, Präsident der VDP-Prä-
dikatsweingüter, vor. „Welcher Wein-
liebhaber ist dazu bereit?“ Er fordert
von der Bundesregierung einen Aus-
gleich, wenn Weinbau und Landwirt-
schaft für andere Wirtschaftszweige
Lasten übernehmen.
Der deutsche Weinexportschlager
auf dem US-Markt ist der Riesling.
„Weingüter in den USA haben in den
vergangenen Jahren selbst verstärkt
Riesling angebaut und durch die
Strafzölle nun einen deutlichen Wett-
bewerbsvorteil“, meint Ernst Büscher
vom Deutschen Weininstitut.
Lambertz-Inhaber Bühlbecker
fürchtet, bald weniger Gebäck in den
USA zu verkaufen. Er hofft, dass die
Amerikaner die Sanktionen wegen
drohender Gegenzölle zurückziehen.
Künftig Kekse woanders zu backen,
um Zöllen zu entgehen, ist keine Op-
tion. Bühlbecker: „Made in Germany‘
ist es ja gerade, was unsere Kekse bei
Amerikanern so beliebt macht.“

Lebensmittelbranche


Harte Zeiten für deutsche


Kekse und Jägermeister


Ab Freitag erheben die USA auf bestimmte deutsche Nahrungsmittel


Strafzölle von 25 Prozent. Mittelständler fürchten spürbare Einbußen.


Deutscher Wein, Kräuterlikör und
Lebkuchen: Die USA verhängen
empfindliche Strafzölle auf Spezia-
litäten aus deutschen Landen.

Aldi Süd, Getty Images Entertainment/Getty Images, EyeEm/Getty Images

300


MILLIONEN
Euro Exporte
deutscher Nahrungs-
mittel sind von
den US-Strafzöllen
betroffen.

Quelle: BVE
Leckereien für die USA
Deutsche Exporte in die USA 2018
Volumen in Mio. Euro

88,

65,

89,

1) Kekse und ähnliches Kleingebäck; 2) Ohne
Schaumwein (mit Schaumwein: 94,2 Mio. €)
HANDELSBLATT

Süßgebäck/
Waffeln

Likör Wein

Quelle: Destatis

Wirtschaft & Politik
WOCHENENDE 18./19./20. OKTOBER 2019, NR. 201
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