Google-Präsentation
in New York: Auf den
Geräten zeigt der
Konzern, was mit An-
droid alles möglich ist.
AP
Larissa Holzki, Katharina Kort
Düsseldorf, New York
M
ehr Sterne fotografieren, als man
sehen kann: Bei der Präsentation
seiner neuen Produkte in New
York stellt Google die Kamera sei-
nes neuen Smartphones Pixel 4 in
den Mittelpunkt. Und wer sich fragt, warum er bei
einem Suchmaschinen-Anbieter ein Telefon kaufen
sollte, findet in den neuen Funktionen der Kamera
vielleicht die Antwort. Zumindest auf seinen
Smartphone-Fotos könnte er künftig die Milchstra-
ße entdecken. Möglich machen das Algorithmen,
die den Sternenhimmel errechnen.
Das Geschäft mit Mobiltelefonen ist härter ge-
worden. Nachdem die Absatzzahlen jahrelang ge-
stiegen sind, gingen sie 2018 zum zweiten Mal in
Folge zurück. Die Menschen wollen nicht mehr un-
bedingt das neueste Modell der Smartphones ha-
ben, wie noch vor wenigen Jahren. Das liegt auch
daran, dass die Technik in den Geräten zumindest
für den Moment weitgehend ausgereizt ist. Einige
Hersteller setzen deshalb schon auf Geräte für die
neue fünfte Netzgeneration, mit der der Mobilfunk
viel schneller werden soll. Google versucht, die
Kunden beim Pixel 4 mit neuen Kamerafunktionen
zu einem Neukauf zu überreden. Damit ist der
Tech-Konzern allerdings nicht allein.
„Die Kamera ist zum Hauptdifferenzierungs-
merkmal geworden“, sagt Annette Zimmermann,
Analystin beim Marktforscher Gartner. Jeder Her-
steller versuche, sich über die Kamera von den an-
deren abzuheben. Dieser Trend wird nach Mei-
nung der Expertin von zwei Seiten angetrieben:
„Einerseits ist eine tolle Kamera für die Nutzer ein
super Mehrwert, andererseits kann sich kein Her-
steller mehr dem Wettstreit entziehen.“
Aber es ist nicht leicht, die Kunden zu überzeu-
gen, mahnt Paolo Pescatore, Analyst bei PP Fore-
sight: „Es ist immer schwieriger geworden für die
Hersteller, sich in diesem harten Markt von der
Konkurrenz abzusetzen“, beobachtet er. Durch die
jüngsten Probleme von Huawei – die Telefone dür-
fen keine Google-Software mehr haben – könnten
Kunden zwar theoretisch den Anbieter wechseln.
„Aber es wird nicht einfach, Apple- und Samsung-
Kunden abzuwerben“, gibt Pescatore zu bedenken.
Die Kamera im neuen Pixel hat erstmals zwei
Linsen und kann noch mehr als den Himmel he-
ranzoomen. Stolz ist der Suchmaschinen-Konzern
auch auf die Möglichkeit, Bilder schon vor dem
Knipsen zu bearbeiten. Der Nutzer kann so etwa
Personen im Gegenlicht fotografieren. Außerdem
korrigieren Algorithmen die Farbe. Schneebilder
sollen künftig weiß statt bläulich sein.
Den Ritterschlag ließ Google dem Pixel 4 von kei-
ner Geringeren als Annie Leibovitz verleihen. Die
vor allem für ihre Porträts berühmte Star-Fotogra-
fin war mehrere Monate im Land unterwegs, um
Menschen zu fotografieren. „Ich war am Anfang
sehr skeptisch“, erklärte sie auf der Bühne in New
York. „Aber ich war neugierig, wie weit man mit ei-
ner Smartphone-Kamera kommt.“ Das Pixel 4 habe
sie überzeugt.
Android-System verbreiten
Seit Google 2016 sein erstes Smartphone herausge-
bracht hat, fragen sich Beobachter, was der Kon-
zern mit seiner Hardware allgemein und den Mo-
biltelefonen im Speziellen eigentlich will. Eine Er-
klärung: Der US-Konzern will die
Smartphonehersteller antreiben, die mit Googles
Betriebssystem Android auf den Markt gehen.
Frank Gillett von dem auf Technologie spezialisier-
ten Marktforschungsunternehmen Forrester be-
schreibt das Pixel als „Leuchtturm-Android-
Smartphone“: Auf den eigenen Geräten zeigt Goo-
gle, was mit Android alles möglich ist, und fordert
die Konkurrenz heraus, noch besser zu werden.
Damit will Google verhindern, dass Kunden sich
Herstellern zuwenden, die etwa auf Windows-Be-
triebssysteme setzen oder auf Apple mit iOS um-
steigen. Doch das sei nicht mehr genug, sagt Gillett.
Google will inzwischen auch mehr, ist sich An-
nette Zimmermann von Gartner sicher: „Google
versucht, seine Lücken im Portfolio zu schließen.“
Als sich der Konzern vor zwei Jahren das Design -
team von HTC ins Haus geholt habe, sei dieser An-
spruch offenkundig geworden. Hard- und Software
müssen immer besser Hand in Hand gehen, das
könne Google am besten selbst. „Die Strategie ist
eindeutig, die gesamte Hardware-Bandbreite von
den kleinsten Wearables wie den kabellosen Kopf-
hörern bis zu den großen Notebooks abzudecken“,
sagt Zimmermann.
Bis zum ernst zu nehmenden Hardwareherstel-
ler ist der Weg für Google allerdings noch weit. Bei
den Smartphones hat der Konzern einen so gerin-
gen Marktanteil, dass Analysten die Geräte in Sta-
tistiken bisher nur unter „andere“ listen. Die Ana-
lysten von Gartner schätzen den weltweiten Absatz
auf unter zehn Millionen Geräte im Jahr.
Der Blick in Googles eigene Zahlen macht deut-
lich, dass das Hardwaregeschäft für das Unterneh-
men zwar noch klein ist, aber immer relevanter
wird. Im zweiten Quartal hat der IT-Konzern bei 39
Milliarden Dollar Umsatz zehn Milliarden Dollar
Gewinn gemacht. Das größte Geschäft macht Goo-
gle dabei zwar immer noch mit Werbung. Aber im-
merhin 16 Prozent des Umsatzes kommen mittler-
weile über den Verkauf von Smartphones, Laut-
sprechern und Cloud-Computing-Dienstleistungen.
Google stellt
scharf
Das Smartphone Pixel 4 soll mit einer neuen Kamera gegen
Samsung und Apple punkten. Noch wichtiger für Google ist,
die Vorherrschaft des Android-Systems zu sichern.
Unternehmen
& Märkte
1
DONNERSTAG, 17. OKTOBER 2019, NR. 200
16