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bwohl Georg Kofler als
Medienmanager schon
alles erreicht hat, will
er es noch einmal wis-
sen: Der Südtiroler war
einst Büroleiter von Leo Kirch, dann
Chef von Pro Sieben sowie des
Homeshopping-Kanals HSE 24 und
brachte schließlich den Pay-TV-Sen-
der Premiere an die Börse. Der Ver-
kauf seiner Aktien hat ihn reich ge-
macht. Aber Geld will arbeiten – und
der 62-Jährige ebenso. Nächstes Jahr
will er mit einem völlig neuen Unter-
nehmen an der Börse durchstarten.
Worum es dabei genau geht, erzählt
er dem Handelsblatt nun als erstem
Medium überhaupt.
Herr Kofler, die etwas Älteren
kennen Sie noch als TV-Manager, die
Jüngeren vor allem als Juror in der
Start-up-Castingshow „Höhle der Lö-
wen“ auf Vox. Nun werden Sie Auf-
sichtsratschef und Hauptaktionär
der von Ihnen ins Leben gerufenen
Social Chain AG. Was genau hat man
sich darunter vorzustellen?
Unser Unternehmen ist das erste in-
tegrierte Social-Media-Unternehmen.
Wir vereinen Social Publishing, Soci-
al Marketing und Social Commerce.
Aha.
Wir möchten die Wertschöpfungsket-
te der modernen Digitalwirtschaft in-
telligent nutzen. Das heißt: Wir kreie-
ren nicht nur Social-Media-Kampa-
gnen für andere Firmen. Wir mana-
gen und vermitteln zahlreiche Influ-
encer wie etwa Stefanie Giesinger,
auch wenn das nur ein kleiner Bau-
stein unseres Geschäfts ist. Wir schaf-
fen eigene Communities und Plattfor-
men mit eigenen Redaktionen. Und
wir organisieren eigene Events wie
etwa den World Fitness Day oder die
Glow-Convention, die vor drei Jahren
noch niemand kannte ...
... was kein Kunststück ist, weil es
die Kosmetikshow da noch gar
nicht gab.
Eben. Und heute? Vor der jüngsten
Glow in Berlin vor wenigen Wochen
waren die 12 000 Tickets innerhalb
von drei Minuten verkauft. Daran er-
kennen Sie die Zugkraft der neuen
Marke. Und wir hätten noch ein Viel-
faches des Ticket-Kontingents verkau-
fen können. Zielgruppe in diesem
Fall: junge Frauen, Durchschnittsal-
ter 25. Wir sehen das als Kommunika-
tionsereignis: An so einem Wochen-
ende werden mehrere Hundert Mil-
lionen Mediakontakte generiert, für
die wir keine klassischen Medien
mehr brauchen. Stattdessen haben
wir das Event ausschließlich mit eige-
ner Social-Media-Kraft zum Fliegen
gebracht. In Zukunft werden wir
nicht nur solche Ereignisse oder Mar-
ken wie die Glow kreieren, sondern
auch damit verbundene Produkte.
Wir verstehen uns als Pionier für So-
cial-Media-Brands.
Das müssen Sie uns bitte erklären!
Nur mal ein Beispiel: Zu meinen Pro-
Sieben-Zeiten habe ich Werbekunden
wie Ferrero unsere TV-Reichweite
verkauft, damit das Unternehmen
mehr von seinen Mon-Chéri-Pralinen
absetzen kann. Mit der Social Chain
AG möchte ich eigene Mon Chéris
schaffen und über eine Vielzahl eige-
ner Kanäle vermarkten. In diesem
Sinne sind wir auch ein moderner
Markenartikler.
Für die Produkte gibt es in Ihrem
neuen Reich die Lumaland AG. De-
ren Marken sind bislang nicht gera-
de weltbekannt ...
... aber dem Geschäftsmodell von Lu-
maland gehört die Zukunft: Die Ma-
cher entwickeln nämlich neue Pro-
dukte aufgrund von Daten aus unse-
ren Communities und User-Bewer-
tungen auf anderen Plattformen wie
Amazon. Das Ganze basiert auf unse-
rer eigenen Web-Plattform „Links“.
Quasi Real-Live-Marktforschung und
Produktentwicklung in einem. So
schaffen wir künftig neue Produkt -
erlebnisse, die der traditionellen Kon-
kurrenz voraus sind. Aus den Produk-
ten machen wir Marken, aus den
Marken werden Communities, die
wiederum neue Produkte begleiten
und ihre Entwicklung anstoßen. Eine
Art Agenda-Setting neuer Dimension.
Das ist alles zudem wunderbar krea-
tiv und bringt mich auch meinen ei-
genen Medienwurzeln wieder näher.
Haben Sie das Entertainment-Ge-
schäft vermisst?
Ich habe festgestellt: Eine Weih-
nachtsfeier mit 300 Ingenieuren ist
doch etwas anderes als eine mit 300
Medienleuten. Ich bin von meinem
Naturell her kein Tüftler, sondern in-
teressiere mich für das Leben, die
Menschen und Kommunikation in all
ihren Ausprägungen. Da leben wir
gerade in spannenden Zeiten ...
... aber auch in chaotischen. Soziale
Netzwerke wirken bisweilen wie ein
lärmiger Echoraum aus Shitstorms,
Hassparolen und teils fragwürdigen
„Influencern“. Wie wollen Sie dieses
Geschäft künftig seriös gestalten?
Neue Medien lösen immer neue
Wachstumsimpulse aus. Tausend
Blumen blühen, und manch einen
packt die Goldgräberstimmung. Das
war ja in den ersten Jahren des
Privatfernsehens nicht anders. Die
Social-Media-Ära potenziert das jetzt
allerdings. Jeder kann heute im Prin-
zip seinen eigenen Sender gestalten.
Es wird unsere unternehmerische
Kunst sein, zu beweisen, dass man
dieses Metier ernsthaft, sauber und
professionell betreiben kann. Die
Branche befindet sich noch in der
Phase der Professionalisierung.
Die Ursprünge der Social Chain AG
sitzen in Manchester. Das Geschäft
ist bislang eher auf den britischen
und amerikanischen Markt fokus-
siert, oder?
Das ist das Besondere, weil wir da-
durch eine Internationalität mitbrin-
gen, die sich andere erst erarbeiten
müssen. Als TV-Manager wusste ich
früher schon: Was heute in den USA
Trend ist, wird in spätestens zwei,
drei Jahren auch in Deutschland und
Europa die Kommunikationswelt be-
herrschen. Zurzeit haben wir in der
Social Chain AG noch ein gewisses Un-
gleichgewicht: Unsere Communities
sind stark im angelsächsischen Raum,
die Produkte weitgehend von hier.
Ihren Plattformen folgen unterm
Strich angeblich bereits 80 Millio-
nen Menschen. Wo leben die?
Etwa 40 Prozent in den USA, rund
30 Prozent in Europa, der Rest ver-
teilt sich auf die Welt.
Die Social Chain AG hat nach Ihren
Zahlen aktuell rund 500 Beschäfti-
ge, etwa 170 Millionen Euro Umsatz
und ein leicht positives operatives
Ergebnis. Was sind Ihre Ziele?
Wir wollen jedes Jahr um 30 bis 35
Prozent organisch wachsen und die-
ses Wachstum mit der einen oder an-
deren Akquisition beschleunigen.
2020 streben wir eine Umsatzmarke
von 300 Millionen Euro an.
Sie haben schon im vergangenen
Jahr mal prophezeit, dass die Soci-
al Chain AG in fünf Jahren ein Milli-
ardenunternehmen sein könnte.
Wirklich?
Warum nicht? Ich bin für ambitio-
nierte Ziele bekannt.
Aktuell gehören Ihnen 47 Prozent
der Anteile an der neuen AG. Grün-
der und andere teilen sich weitere
42 Prozent. Und den spärlichen Rest
wollen Sie dann nächstes Jahr an die
Börse bringen?
Unsere Aktien werden seit einigen Ta-
gen im Xetra und an der Düsseldorfer
Börse gehandelt. Für Mitte nächsten
Jahres planen wir die Aufnahme ins
Premiumsegment der Frankfurter
Börse oder vielleicht auch ein Listing
an der New Yorker Nasdaq. Damit
würden wir ein substanzielles Public
Offering verbinden, bei dem wir über
eine Kapitalerhöhung mindestens ein
Drittel der Gesellschaft öffentlich
platzieren wollen.
„Mehr
Kapitalismus
wagen“
Der TV-Manager und Investor spricht über
sein neues Börsenprojekt, das Misstrauen
der Deutschen vorm Unternehmertum und
seinen bisher größten finanziellen Flop.
Deutschland
muss
attraktiver
werden
für unter -
nehmerisch
orientiertes
Kapital.
Georg Kofler: „Für
die Diplomatenschule
der Uno wäre ich eher
nicht geeignet.“
Glow-Convention in Berlin: „Wir
hätten ein Vielfaches des Ticket-
Kontingents verkaufen können.“
imago images/Stefan Zeitz
Georg Kofler
Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 17. OKTOBER 2019, NR. 200
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