D
ie Position des US-Handelsbeauf-
tragten hinsichtlich der Strafzölle
auf Verkehrsflugzeuge sowie auf
andere EU-Importe, die nicht in
Zusammenhang mit dem Disput
zwischen der EU und den USA über Flugzeug-
subventionen stehen, ist sehr bedauerlich. Dies
ist die übereinstimmende Meinung von Airbus
und unseren Partnern in der Luftfahrtindustrie.
Der 15 Jahre währende Streit über staatliche Bei-
hilfen für Flugzeughersteller hat die Luftfahrtin-
dustrien auf beiden Seiten des Atlantiks nicht im
Mindesten gestärkt oder wettbewerbsfähiger ge-
macht – und er wird es auch weiterhin nicht tun.
Airbus ist es gemeinsam mit der Luftfahrtzulie-
ferindustrie in aller Welt zu verdanken, dass es
auf dem Verkehrsflugzeugmarkt einen Wettbe-
werb gibt, der Fluggesellschaften handfeste Vor-
teile verschafft. Die Flugzeugprogramme aller
großen Hersteller sind in diesem globalen Markt-
umfeld schon immer mit unterschiedlichen In-
strumenten finanziert worden. Eines davon ist
die staatliche Förderung. Über viele Jahre galt in
diesem Zusammenhang ein bilaterales Abkom-
men zwischen der EU und den USA, das gleiche
Wettbewerbsbedingungen gewährleisten sollte.
Als sich die USA 2004 auf Drängen von Boeing
aus dem Abkommen zurückzogen, begann ein
transatlantischer Dauerstreit. Dieser beschäftigt
die Welthandelsorganisation WTO seit über ei-
nem Jahrzehnt und gipfelt nun in der Entschei-
dung des US-Handelsbeauftragten, Strafzölle in
unterschiedlicher Höhe auf ein breites Spektrum
von EU-Importen im jährlichen Gesamtwert von
bis zu 7,5 Milliarden Dollar zu verhängen.
Die WTO wird bald ein weiteres Urteil fällen,
welches der EU Gegenmaßnahmen auf die US-
Subventionen an Boeing ermöglichen dürfte. Air-
bus geht davon aus, dass die WTO der EU das
Recht zusprechen wird, Gegenmaßnahmen im
selben oder sogar in einem noch größeren Um-
fang zu ergreifen, als sie jetzt den Vereinigten
Staaten gewährt wurden. Letztlich kann es aber
nicht darum gehen, die andere Seite noch härter
zu treffen. Ein solches Vorgehen würde weder
unsere Branche stärken noch den Hunderttau-
senden Beschäftigten in der amerikanischen und
europäischen Luftfahrtindustrie nützen. Es wür-
de allen schaden – Herstellern, Fluggesellschaf-
ten, Reisenden und all denen, die auf Flugzeuge
und den globalen Luftverkehr angewiesen sind.
Diese Zölle könnten zu einer Situation führen,
in der es zwei nationale Monopole gibt. US-Air-
lines würden gezwungenermaßen amerikanische
Produkte erwerben während europäische Flug-
gesellschaften nur noch europäisch einkaufen –
ohne den gesunden Wettbewerb, den ein zweiter
Anbieter bringt. Dies wäre das Gegenteil dessen,
wofür die WTO steht und widerspricht den Zie-
len eines freien und fairen Welthandels. Im Inte-
resse des Luftverkehrs und der Öffentlichkeit will
Airbus genau diese Situation verhindern.
Deshalb hat Airbus mit Unterstützung der EU
eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um den
WTO-Regeln vollends gerecht zu werden. Die
meisten dieser Maßnahmen sind im Mai 2018
von der WTO positiv bewertet worden. Wir be-
mühen uns weiterhin, die Entscheidung der
WTO für einen freien Welthandel zu den von Air-
bus gezahlten Kreditzinsen umzusetzen. Zudem
erwarten wir bis Ende des Jahres den Bericht ei-
nes WTO-Ausschusses zur Prüfung der Konformi-
tät der Maßnahmen, die die EU zur Einhaltung
der Rechtsprechung ergriffen hat.
Im Gegensatz dazu unternimmt unser Mitbe-
werber Boeing weiterhin keinerlei Anstrengun-
gen, die ihn betreffenden WTO-Entscheidungen
umzusetzen. Dabei würde Boeing von einem sol-
chen Vorgehen sogar profitieren, weil dieser
Streit – der einzig und allein deswegen weiter be-
trieben wird, um Boeing auf Kosten der restli-
chen Luftfahrtindustrie kurzfristige Vorteile zu
verschaffen – dem Unternehmen langfristig scha-
det, wenn die EU mit Sanktionen gegen Boeing-
Flugzeuge reagiert.
Ein Handelskrieg wäre also eine „Lose-lose“-Si-
tuation für die Luftfahrtindustrie sowie für die
Wirtschaft in den USA und Europa. Es gibt je-
doch einen Ausweg aus der verfahrenen Lage:
Die EU und die US-Regierung könnten alle Straf-
zölle einfrieren und sich an einen Tisch setzen,
um über eine einvernehmliche Lösung des Kon-
flikts zu verhandeln. Eine solche Verhandlungslö-
sung würde Schieflagen im Wettbewerb beseiti-
gen, ein Spielfeld mit einheitlichen Regeln für al-
le schaffen und idealerweise zu umfassenderen
internationalen Vereinbarungen über staatliche
Hilfen für die zivile Luftfahrtindustrie führen.
Dies wiederum würde es uns ermöglichen, den
Fokus wieder auf die Entwicklung großartiger
Produkte, fairen Wettbewerb und größere Beiträ-
ge zur Beschäftigung und zum Wirtschaftswachs-
tum auf beiden Seiten des Atlantiks zu legen.
Strafzölle
schaden allen
Der Subventionsstreit kann nur in Verhandlungen
gelöst werden, meint Guillaume Faury.
Der Autor ist Vorstandschef von Airbus.
REUTERS [M]
Airbus geht
davon aus,
dass die WTO
der EU bald
das Recht
zusprechen
wird,
Gegenmaß-
nahmen im
selben oder
sogar in einem
noch größeren
Umfang zu
ergreifen.
Gastkommentar
DONNERSTAG, 17. OKTOBER 2019, NR. 200
48
Anzeige