Handelsblatt - 14.10.2019

(Michael S) #1

E


rfahrene Wartungstechniker hören
am Klang einer Anlage, ob diese
rundläuft. Im Idealfall können sie so
Ausfälle verhindern. Problem: Kein
Instandhalter hat die Zeit, ständig

für seine Maschinen „ganz Ohr“ zu sein. Hier un-


terstützt Künstliche Intelligenz (KI).


Dabei nehmen Ultraschall-Sensoren während


des Betriebs das Klangspektrum auf. Sie senden


diese Daten an eine Software für maschinelles


Lernen. Die erkennt Abweichungen im Klangbild


mit der Zeit immer besser. Das System sagt Aus-


fälle einzelner Maschinenteile vorher. Und es in-


formiert bei Missklängen automatisch einen


Techniker.


In Deutschland setzen erste Unternehmen KI


punktuell ein. Im Marketing, in Warenwirtschaft,


Logistik und Fertigung. Einzelhändlern hilft sie


zum Beispiel, das Kundenverhalten vorherzusa-


gen. Sie verwenden sie auch für ihre Kaufemp-


fehlungen im Netz. Und in der Produktion sor-


tiert lernende Bildverarbeitung Ausschuss aus. In


der „Machine Learning/Deep Learning


2019“-Studie von „Computerwoche“ und CIO


rangieren Algorithmen unter den wichtigsten IT-


Themen inzwischen auf Platz drei. Im Digitalisie-


rungsindex Mittelstand sind 34 Prozent der be-


fragten Unternehmen der Meinung, dass künstli-


che Intelligenz für ihre Branche künftig eine


wichtige Rolle spielt. Aber erst zehn Prozent set-


zen sie auch ein.


Dabei ist bei KI in Deutschland mehr drin, ge-


rade im Mittelstand. Denn deutsche KI-Forscher


gehören seit Langem zur Weltspitze. Unsere mit-


telständische Industrie ist stark automatisiert.
Mittlerweile sind viele ihrer Maschinen mit Sen-
sorik ausgestattet. Untereinander vernetzt liefern
sie Daten entlang der gesamten Wertschöpfungs-
kette. Heißt: Deutschlands Mittelständler haben
über Jahre einen Datenschatz zusammengetra-
gen. Sie nutzen ihn nur zu wenig.
In einer Deloitte-Studie zur Künstlichen Intel-
ligenz räumen 62 Prozent der befragten Unter-
nehmen ein, dass ihnen die notwendigen KI-
Kompetenzen fehlen. Vielen ist nicht klar, wel-
che Fragen sie mit KI deutlich leichter lösen.
Wollen sie Abweichungen im Produktionspro-
zess von Maschinen entdecken? Bessere Ent-
scheidungen für mehrere Fertigungsstufen
gleichzeitig treffen? Ihre Montageprozesse
schnell an die aktuelle Situation anpassen? Oder
die Lieferkette mit lernenden Maschinen be-
schleunigen? Kurz: Wer KI nutzen möchte,
braucht ein Ziel. Wie aber finden?
Ganz einfach: Statt für sich allein nach Lösun-
gen zu suchen, sollten sich Mittelständler zusam-
mentun. Sie würden von KI-Netzwerken enorm
profitieren. Ein lebendiges Ökosystem mit Spe-
zialisten aus Forschung, Unternehmen und Start-
ups könnte Anstöße geben.
Erste Ansätze dafür gibt es: beispielsweise die
KI-Kompetenzplattform KI.NRW. Über sie ver-
netzt das Fraunhofer-Institut für Intelligente Ana-
lyse- und Informationssysteme IAIS gerade Un-
ternehmen, Forschung und Verbände. Wir brau-
chen dringend mehr solcher Initiativen. Überall
in den Regionen, leicht erreichbar für kleine und
mittlere Unternehmen.

Dort könnten sie von ihresgleichen lernen. Er-
fahren, wie andere kleinere KI-Projekte ohne
großen Aufwand starten. Digitalisierung lebt vom
Austausch. Wer digital durchstarten will, braucht
gute Kontakte in der analogen Welt.
Wir brauchen Partnervermittler für Mittelstand
und KI-Start-ups. Denn es gibt eine ganze Reihe
von Gründern, die auf das B2B-Geschäft zuge-
schnittene Lösungen haben. Beispielsweise boot.
ai: Die Düsseldorfer machen mit KI Unterneh-
mensprozesse effizienter. Sie entwickeln für ihre
Kunden Algorithmen, die neue Geschäftsmodelle
ermöglichen. Etwa für eine Versicherung, die
mittels KI Betrugsfälle ermittelt – und diese Lö-
sung dann an andere Versicherungen verkauft.
Das Start-up ist branchenübergreifend im Ein-
satz: Überall identifiziert boot.ai Potenziale für
Verbesserung. In den Prozessen der Lieferkette
von Logistikern. In der Produktion von Ferti-
gern. Im Bestellvorgang des Zimmerservice einer
Hotelkette. Darauf aufbauend, entwickelt das
Start-up eine selbstlernende Software mit pas-
sender Hardware.
Mein Tipp: Nutzen Sie – falls vorhanden – digi-
tale Netzwerke in Ihrer Region. Starten Sie mit
kleinen KI-Projekten. Holen Sie sich Unterstüt-
zung von außen – zum Beispiel die junger Grün-
der. Haben Sie keine Berührungsängste vor einer
Zusammenarbeit mit dem Kollegen KI. Dann
klappt auch die digitale Wertschöpfung.

KI-Netzwerke


sind die Zukunft


Künstliche Intelligenz prägt die Zukunft der


Wertschöpfung – auch im Mittelstand, meint


Hagen Rickmann.


Der Autor ist Geschäftsführer
Geschäftskunden bei der Telekom
Deutschland.

Telekom Deutschland GmbH [M]

Deutsche


KI-Forscher


gehören seit


Langem zur


Weltspitze.


Unsere mittel -


ständische


Industrie ist


stark automa -


tisiert. Das


Potenzial ist


also sehr groß.



  
 




     
  
 
   
   
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Gastkommentar


MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197


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