Erik Ekudden
„Die Diskussionen führen
zu Unsicherheiten“
Herr Ekudden, die USA erheben
Spionagevorwürfe gegen ihren Ri-
valen Huawei. Warum profitiert
Ericsson von der Situation kaum?
Die Diskussionen führen zu gro-
ßen Unsicherheiten. Und das ist
immer schlecht für eine Branche.
Zudem sind wir noch in einem
frühen Stadium der Einführung
des 5G-Mobilfunks. Die große Pha-
se des Ausbaus hat noch gar
nicht begonnen.
Finden Sie es richtig,
wenn die USA einen
Ausschluss von Hua-
wei fordern?
Das ist eine politische
Entscheidung. Diese
Entscheidungen müssen
entsprechend auf politi-
scher Ebene getroffen werden.
Die USA sollen ihre Partner in
Europa aufgefordert haben, statt
Huawei-Produkte zu kaufen, lie-
ber Ericsson und Nokia finanziell
zu unterstützen. Freut Sie das?
Dazu haben wir keine Erkenntnisse.
Huawei gilt als Weltmarktführer
bei 5G. Warum konnte ein einst
unbedeutendes Unternehmen an
Ihnen vorbeiziehen?
Das sehe ich nicht so. Wir haben
hervorragende Produkte auf dem
Markt. Und gerade bei 5G entwi-
ckeln wir neue, innovative Lösun-
gen. Und wir rüsten Netze in Län-
dern aus, die zu den ersten bei 5G
gehören: USA, Südkorea, die
Schweiz und nun auch Deutsch-
land. Wir haben seit 2015 bereits
über drei Millionen 5G-fähige
Hardware-Radios an unsere Kun-
den geliefert. Damit fühlen wir
uns gut aufgestellt.
Europäische Politiker erwägen,
einen europäischen Champion in
der Telekommunikationsindus-
trie nach dem Vorbild von Airbus
aufzubauen. Halten Sie das für ei-
ne gute Idee?
Ich habe von den Plänen gehört.
Aber wir fühlen uns gut aufgestellt.
Wir investieren jährlich rund 20
Prozent unseres globalen Umsatzes
in Forschung und Entwicklung. Wir
gehen auf die Bedürfnisse unserer
Kunden ein. Wir wollen mit überle-
gener Technologie überzeugen.
Huawei legt die Quellcodes seiner
Produkte gegenüber Behörden in
Großbritannien und Deutschland
offen. Wäre Ericsson auch dazu
bereit?
Wir treiben seit Jahren Sicherheit
in internationaler Standardisierung
voran. Ich halte die Offenlegung
von Quellcodes nicht für den richti-
gen Ansatz. Wir betreiben sowohl
im Entwicklungsprozess einen zer-
tifizierten Security-by-Design-Pro-
zess als auch am fertigen Pro-
dukt ein sogenanntes
PSIRT, um Schwachstel-
len schnell zu entde-
cken und zu beheben.
So können wir auf Be-
drohungen unmittel-
bar reagieren. In künf-
tigen Mobilfunknetzen
müssen teilweise mehr-
mals im Monat oder sogar
mehrmals in der Woche Up-
dates aufgespielt werden. Daher
wäre es nicht praktikabel, vorher
Quellcodes von Behörden inspizie-
ren zu lassen.
Aber es könnte Vertrauen schaf-
fen. Wären Sie dazu bereit?
Sicherheit muss im gesamten Kon-
text gesehen werden. 5G bietet
deutlich mehr Sicherheit als 4G
oder als WLAN, das bei manchen
Firmen im Einsatz ist. Das sollten
wir hervorheben. Hier spielen
auch die Prozesse in der Konfigu-
ration der Netze eine Rolle. Das
Offenlegen von Quellcodes würde
nur ein falsches Verständnis von
Sicherheit suggerieren.
Huawei hat angeboten, als Reakti-
on auf die Kritik aus den USA
wertvolle 5G-Patente zu verkau-
fen, um einen neuen Rivalen zu
schaffen. Wie beurteilen Sie den
Schritt?
Bitte sehen Sie mir nach, dass ich
unsere Wettbewerber nicht kom-
mentiere.
Würden Sie Patente von Huawei
kaufen, wenn Sie die Chance dazu
hätten?
Wir haben selbst große For-
schungsabteilungen und rund
49 000 Patente im Bereich Tele-
kommunikation inklusive 5G. Die
Frage stellt sich also nicht.
Herr Ekudden, vielen Dank für
das Interview.
Die Fragen stellte Stephan
Scheuer.
Der Technikchef von Ericsson spricht über die
Kritik an Huawei und erklärt, warum seine Firma
Quellcodes nicht offenlegen will.
Mobilfunknetz
Marktführer 2018
HANDELSBLATT
Quellen: CSIS, IoT One, IDC,
Telecom Lead, Fierce
Telecom, Delloro
Hardware für
industrielle
Vernetzung
Cisco
Huawei
Ericsson
TE Connectivity
Qualcomm
USA
China
EU
EU
USA
Smartphones
Samsung
Huawei
Apple
Xiaomi
Oppo
Südkorea
China
USA
China
China
21
16
12
10
9
%
%
%
%
%
31
29
23
9
%
%
%
%
%
Huawei
Ericsson
Nokia
ZTE
Samsung
China
EU
EU
China
Südkorea
4G-Kernnetz
Die 4G-Architektur ist die
Basis für das künftige
5G-Netz
RAN-Ausrüstung
Radio Access Network
Ericsson
Huawei
Nokia
Cisco
ZTE
EU
China
EU
USA
China
Dienstleistungen,
Router u. Switches
Cisco
Huawei
Nokia
Juniper
USA
China
EU
USA
Marktanteil
Marktanteil
Markt-
anteil
Top 2:
>60 %
Markt-
anteil
Top 4:
>90 %
tenzen auf- und ausbauen“, sagte der stellvertre-
tende Hauptgeschäftsführer des DIHK, Achim
Dercks. Die Bundesregierung trägt dem zumin-
dest teilweise Rechnung. Um „Monokulturen“ zu
verhindern, sollen in den kritischen Netzberei-
chen stets auch Komponenten europäischer Her-
steller verbaut werden.
Verzögerungsfrei, verlässlich, kapazitätsstark –
so lautet das Versprechen von 5G. Viele Industrie-
konzerne hoffen, mit der neuen Technologie ihre
Produktion vernetzen zu können. Auch dem auto-
nomen Fahren soll 5G zum Durchbruch verhel-
fen. Huawei gilt als Marktführer. Das Unterneh-
men überzeugt durch guten Service. Und seine
Produkte sind oft deutlich günstiger als die Geräte
der europäischen Hersteller Ericsson und Nokia.
Schon heute steckt Technik von Huawei in allen
deutschen Mobilfunknetzen. Die Deutsche Tele-
kom, Vodafone und Telefónica haben Komponen-
ten von Huawei bereitwillig verbaut.
Die Netzbetreiber stehen unter Druck. Sie ha-
ben rund 6,5 Milliarden Euro in der Versteigerung
der 5G-Mobilfunkfrequenzen in Deutschland aus-
gegeben. Jetzt wollen sie den Netzausbau voran-
treiben. Aber solange die Details nicht geklärt
sind, welche Ausrüster unter welchen Bedingun-
gen verwendet werden dürfen, können sie nicht
kalkulieren.
Technische Fragen sind noch offen
Der Entwurf, der nun vorgestellt werden soll,
stößt bei Sicherheitsexperten auf ein geteiltes
Echo. Die Netzbetreiber hatten wieder und wie-
der darauf gedrungen, Huawei nicht komplett
auszuschließen. Entsprechend erleichtert zeigten
sich Vertreter der Betreiber, dass ein Verbot der
Komponenten aus China nun sehr unwahrschein-
lich ist. Auf Anfrage wollte sich keiner der Netzbe-
treiber öffentlich zu dem Papier äußern.
Auch weil noch Fragen offen sind, etwa zur Zer-
tifizierung durch das BSI. Der Technikchef von
Ericsson, Erik Ekudden, schloss im Interview mit
dem Handelsblatt aus, wie Huawei Quellcodes sei-
ner Geräte zur Prüfung bereitzustellen. „Ich halte
die Offenlegung von Quellcodes nicht für den
richtigen Ansatz“, sagte Ekudden dem Handels-
blatt. Ericsson begründet den Schritt damit, dass
es nicht praktikabel sei, regelmäßige Updates der
Produkte von Behörden inspizieren zu lassen.
Sollte Ericsson bei seiner Blockadehaltung blei-
ben und prinzipiell eine Inspektion der Quellco-
des seiner Produkte verweigern, könnte die Firma
in ihrem Deutschlandgeschäft vor großen Heraus-
forderungen stehen. „Im schlimmsten Fall würde
Ericsson nicht zertifiziert werden. Dann dürften
die Komponenten in bestimmten Bereichen nicht
eingesetzt werden“, sagte ein mit der Entwicklung
der Sicherheitsstandards vertrauter Cyberexperte.
Nokia hatte sich bislang öffentlich nicht geäu-
ßert, ob der Ausrüster bereit wäre, seine Quellco-
des von deutschen Behörden inspizieren zu las-
sen. Auf Anfrage sagte ein Sprecher, der Konzern
werde sich erst mit der Frage beschäftigen, sobald
ein abschließender Sicherheitskatalog vorliegt. Ericsson
Streit um Huawei
MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197
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