Wirtschaft
& Politik
MONTAG, 14. OKTOBER 2019, NR. 197
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Sha Hua, Annett Meiritz, Frank Specht
Peking, Washington, Berlin
A
m 12. Oktober wird in den USA tradi-
tionell der „National Farmer‘s Day“
gefeiert. In diesem Jahr hatte US-
Präsident Donald Trump nicht nur
Lob für die amerikanischen Landwir-
te parat, sondern auch einen Tipp: „Denkt darü-
ber nach, größere Traktoren anzuschaffen!“, twit-
terte Trump zum Nationalfeiertag. Denn der Deal,
den er soeben mit China abgeschlossen habe, sei
der „großartigste und größte“ Deal, der je für die
amerikanischen Bauern in der Geschichte des Lan-
des gemacht wurde.
Am Freitag hatte der US-Präsident nach einem
Treffen mit dem chinesischen Vizepremier Liu He
im Weißen Haus ein Teilabkommen zur Beendi-
gung des seit eineinhalb Jahren andauernden Han-
delskriegs mit China verkündet. Die für den morgi-
gen Dienstag geplante Erhöhung bereits existieren-
der Strafzölle auf chinesische Importe von 25 auf
30 Prozent wird zumindest ausgesetzt. Eine gute
Nachricht für Märkte, Investoren, Konsumenten,
Landwirte und Unternehmen.
Laut Trump verpflichtet sich China, Agrarpro-
dukte im Wert von 40 bis 50 Milliarden Dollar ein-
zukaufen. Darauf hatte die US-Regierung gedrängt,
denn amerikanische Bauern leiden unter den chi-
nesischen Vergeltungszöllen auf Soja, Rindfleisch
und Mais. Washington wirft Peking außerdem vor,
dass es ausländische Unternehmen vor dem
Marktzugang dazu zwingt, Wissen und Innovatio-
nen preiszugeben. Hier habe es eine Annäherung
gegeben, erklärte Trump: China wolle geistiges Ei-
gentum besser schützen. Darüber hinaus hatte Pe-
king am Freitag bekanntgegeben, dass ausländi-
sche Finanzdienstleister ab 2020 volle Kontrolle
über ihre Geschäfte in China beantragen können.
Schon Ende September erhielt Paypal die Erlaub-
nis, die Mehrheit am chinesischen Zahlungsanbie-
ter Gopay zu kaufen, und erhielt damit als erstes
ausländisches Unternehmen Zugang zu diesem
Markt. Amerikanische Finanzdienstleistungsunter-
nehmen hatten seit Jahren um einen besseren Zu-
gang auf den chinesischen Markt gedrängt.
Details der Einigung sind offen
Nähere Details zu der Einigung gab das Weiße
Haus nicht bekannt, auch wurde der vereinbarte
Rahmen nicht schriftlich veröffentlicht. Laut
Trump werde man das in den kommenden drei
Wochen nachholen. Entsprechend vorsichtig äu-
ßerten sich deutsche Wirtschaftsvertreter: „Nach
den zahlreichen Kapriolen des US-Präsidenten vor
und zurück bleibt erst einmal ein gesundes Stück
Skepsis, was diese Teileinigung wert ist“, sagte der
Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands
BGA, Holger Bingmann.
Auch die chinesische Seite hört sich weniger eu-
phorisch an als der US-Präsident. Die staatliche
Nachrichtenagentur Xinhua sprach von „substan-
ziellen Fortschritten“, hütete sich aber davor, die
neuesten Entwicklungen als einen „Deal“ oder ein
„Abkommen“ zu bezeichnen. Auch Trump hatte
erklärt, es gehe nur um „Phase eins“ eines umfas-
senden Abkommens. Die Chamber of Commerce,
die größte amerikanische Lobbyorganisation für
Unternehmer, sprach am Freitag von einem „Hoff-
nungsschimmer“. Und der Handelsexperte Ed-
ward Alden von der Denkfabrik Council on Fo-
reign Relations twitterte: „Für den Moment wurde
sehr viel versprochen, aber wenig vorgelegt. Trotz-
dem ist ein Waffenstillstand besser als eine weitere
Eskalation.“
Zwar ist es ein Erfolg, dass es nach insgesamt 13
Gesprächsrunden, verteilt über eineinhalb Jahre,
überhaupt eine Annäherung gibt. Aber: „Diese
Vereinbarung adressiert keine der Hauptursachen,
die dem Handels- und Wirtschaftskonflikt zwi-
schen diesen zwei Ländern zugrunde liegen“, kri-
tisiert Eswar Prasad, der früher in der Chinaabtei-
lung des Internationalen Währungsfonds (IWF) ge-
arbeitet hat und inzwischen an der Cornell
University forscht.
So ist bisher unklar, wie genau die Vereinbarun-
gen umgesetzt werden sollen und mit welchen Me-
chanismen die USA garantieren wollen, dass China
sich auch tatsächlich an seine Versprechen hält.
Diese Frage hatte in der Vergangenheit bereits ein-
mal zu Verwerfungen geführt. So hatten die Ver-
handlungen nach Trumps Angaben schon im
Frühjahr kurz vor einem Durchbruch gestanden.
Doch dann warf der US-Präsident Peking vor, be-
reits getätigte Zusagen wieder zurückgenommen
zu haben.
Viele Streitthemen bleiben ungelöst. Ein großer
Knackpunkt sind etwa chinesische Subventionen
und Steuervergünstigungen für staatseigene Unter-
nehmen, ob im produzierenden Gewerbe oder in
der Hightech-Branche. Chinesische Firmen haben
dadurch nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, son-
dern fördern auch eine Überproduktion, was zu
Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt führt.
Im August hatte das Weiße Haus zudem China
erstmals offiziell der Währungsmanipulation be-
zichtigt, auch hier erwartet Washington Entgegen-
kommen. China fordert im Gegenzug, dass die
Strafzölle komplett aufgehoben werden.
Ungelöst ist auch der Konflikt um den chinesi-
schen Telekommunikationsausrüster Huawei. Die
US-Behörden hatten das Unternehmen im Mai un-
ter Hinweis auf Sicherheitsbedenken auf eine
schwarze Liste von Firmen gesetzt, mit denen
amerikanische Unternehmen nur mit Erlaubnis
der US-Behörden Geschäfte machen dürfen.
Trumps Chefunterhändler Robert Lighthizer
dämpfte die Erwartungen, dass sich daran etwas
ändert: „Huawei ist nicht Teil dieser Vereinbarung.
Das ist ein separater Prozess.“
Zwar werden die Zölle nun nicht wie angedroht
weiter erhöht. Doch die aktuellen Strafzölle in Hö-
he von 25 Prozent auf chinesische Waren im Wert
Der Deal lässt
Fragen offen
Was ist die Teileinigung im Handelsstreit zwischen den USA
und China wert? Der US-Präsident feiert sie als Durchbruch.
Aus China und aus Deutschland kommen verhaltene Stimmen.
Denn entscheidende Themen wurden ausgespart.
imago images/UPI Photo