Neue Zürcher Zeitung - 15.10.2019

(Barry) #1

18 ZÜRICH UNDREGION Dienstag, 15. Oktober 2019


Traglu fthalle «Geiselweid»


Abstimmung inWinterthur
vom 20. Oktober 20 19


Ein Provisorium für Winterthurer Schwimmer

Bei der Vorlage für eine Traglufthalle argumentieren die Befürworter mit dem Bedarf – die Gegner mit der Ökologie und den Kosten


Vor allem in denWintermonaten


wird es im einzigenWinterthurer


Hallenbad eng. AmWochenende


wird daher darüber abgestimmt,


ob die Schwimmerinnen und


Schwimmer in der Eulachstadt


mehr Platz erhalten. DieVorlage


ist umstritten.


JOHANNA WEDL


Zwölf Marmorwannen und ein gros-
se s, knapp zwei Meter tiefes Becken
luden einstan derBadgasse, mitten in
derWinterthurer Altstadt, zumBade.
Dort wurde zwischen1862 und 1864
das erste öffentliche Hallenbad der
Schweiz erstellt. Rund fünfzig Jahre
später, 1911, wurde ebenfalls inWinter-


thur das «Geiselweid» eröffnet, lange
blieb es eines der grösstenFreibäder im
Land. Erst in den1970erJahren wurde
beim «Geisi» ein Hallenbad dazuge-
baut. Noch immer ist es für die mehr
als 110000 Einwohner der Stadt das
einzige öffentliche Hallenbad.Was den
Bäder-Versorgungsgrad betrifft, liegt
Winterthur im schweizweitenRanking
damit auf einem der letzten Plätze.


Wünschenswert,aber zu teuer


Auf ein zweites Hallenbad müssen
die Winterthurer wohl dennoch einige
Jahre, wenn nichtJahrzehnte, warten.
Das Stadtparlament, der Grosse Ge-
meinderat, beauftragte den Stadtrat
diesenFrühlingin einer Motion, einen
Projektierungskredit für die Planung
und denBau eines zweiten Hallenbades
vorzulegen. Der Bedarf sei zwar unbe-
stritten,teilte der Stadtrat Anfang Okto-
ber mit.Aber ein solches Projekt sei mit
Baukosten zwischen 35 und 50 Millio-
nenFranken zu teuer. Obwohl wün-
schenswert, müsse die Stadt das Geld
für andere Dinge ausgeben, etwa neue
Schulhäuser oder das geplantePolizei-
gebäude. Der Stadtrat will deshalb, dass
die Motion für nicht erheblich erklärt


wird.Das letzteWort dazu wird freilich
das Parlament haben.
Abhilfe schaffenkönnte eineVor-
lage, über welche die Stimmbürger in
Winterthur amkommendenWahl- und
Abstimmungssonntagentscheiden.Das
Olympia-Freibadbecken im Geiselweid
soll mit einer etwa zehn Meter hohen
Traglufthalle überspannt werden.Kos-
ten würde das rund 2,3 MillionenFran-
ken. Das Projekt war alsVolksinitia-
tive lanciert worden, der Gemeinderat
verabschiedete einen Gegenvorschlag,
der nun zur Abstimmung gelangt. Die
Traglufthalle würde von Anfang Okto-
ber bis Ende April stehen und wöchent-
lich 90 Stunden in Betrieb sein (50 Stun-
den für Schwimmer, 40 Stunden fürVer-
eine/Schulen). Der jährliche Unterhalt
könnte bis zu einer knappen halben Mil-
lionFrankenkosten, jede Saison würden

1900 Megawattstunden an Energie ver-
braucht. (ZumVergleich: Ein neues Hal-
lenbad verbraucht jährlich etwa 2600
Megawattstunden.)
Die Befürworter derVorlage argu-
mentieren, dass dieTraglufthalle eine
günstige undrasche Lösung bringe, um
die Nachfrage nach mehrWasserfläche
zu decken. Schliesslich sollen die Ein-
wohnerzahlen inWinterthur bis 2040
laut Prognosen auf gegen140000 Per-
sonen ansteigen.DieHallekönne die
Zeit überbrücken,bis ei n neues Hallen-
bad gebaut sei, heisst es aus demLager
von FDP, GLP, CVP, EVP und EDU.

Kanton muss einwilligen


Gerade wenn dieTraglufthalle gebaut
werde, verzögere sich derBau eines
zweiten Hallenbades noch mehr, mei-

nen die Gegner.SP, Grüne,AL und
SVP sind aus ökologischen und ökono-
mischen Gründengegen das Projekt.
Auch der Stadtrat will nicht, dass das
Freibad überdacht wird. Nur schon die
Betriebskosten sind aus der Sicht der
Stadt zu hoch. «DieFinanzprognosen
für diekommendenJahre lassen eine
solcheAusgabe nicht zu, es bestehtkein
Spielraum», betonte Schul- und Sport-
vorsteherJürg Altwegg (Grüne). Zu-
dem stünde dieTraglufthalle imWider-
spruch zu den Energiezielen 2050. Diese
wurden im November 2012 vom Stimm-
volk beschlossen und sehen vor, dass die
St adt komplett auf Atomstrom verzich-
tet, der Pro-Kopf-Verbrauch auf 20 00
Watt und dieTreibhausgas-Emissionen
auf maximal zweiTonnen sinken.
DieseVorgaben stünden für den
Stadtrat insbesondere im Widerspruch

zur Ausnahmebewilligung, die für den
Bau und Betrieb derTraglufthalle nötig
wäre, ergänzte Altwegg. Im Unterschied
zu anderen Kantonen ist eine Sonder-
erlaubnisnötig.Die WinterthurerTrag-
lufthalle erfüllt nämlich trotz techni-
schenFortschritten die kantonalen ener-
getischenVorschriften nicht. Sie ist nicht
ausreichend isoliert. DieWassertempe-
ratur betrüge 26, die Innentemperatur
28 Grad.Das sind einige Grad mehr als

in Tennis-Traglufthallen, wie es seit letz-
temJahr in Uitikon eine gibt.
Bei der Geiselweid-Traglufthalle
gibt es noch ein anderes Problem.Laut
dem StadtratJürg Altwegg besteht noch
keine absolute Gewissheit, dass dasBau-
projekt vom Kanton überhaupteine Be-
willigung erhielte. Füreine solche müss-
ten verschiedene Auflagen erfüllt wer-
den. Möglich istetwa, die Anlage mit
einer Holzschnitzelheizung zu betrei-
ben.Das findet die Stadt aber widersin-
nig, weil das Hallen- undFreibad schon
an einFernwärmenetz angeschlossen ist.
Dieser Strom gilt zwar als CO 2 -neutral,
aber nicht als erneuerbare Energie. Die
Stadt müsste Biogas-Zertifikate kaufen,
um den Bezug zukompensieren.
Der Schwimmflächenmangel hat
übrigens in derVergangenheit auch
schon in Zürich zuredengegeben. Dort
befand man,Traglufthallen seien zu
teuer und zu wenig energieeffizient. Bei
Freibädernwiedem Letzigrabenkom-
men zudem architektonische Heraus-
forderungen hinzu. Die Pläne für das
Bad stammen von keinem Geringe-
rem als dem berühmten Schriftsteller
MaxFrisch, das Letzigraben steht unter
Denkmalschutz.

Beieinem Ja wirddas Freibad Geiselweid im Wintermit einerTraglufthalle überdeckt. VISUALISIERUNG PD

Die Traglufthalle würde
von Anfang Oktober bis
Ende April stehen und
wöchentlich 90 Stunden
in Betrieb sein.

OBERGERICHT


Freispruch für verprügelten Taxifahrer


Das Obe rgericht bestätigt im Fall einer Keilerei in einem Taxi die Urteile der Vorinstanz


tom.·Nach einerTaxifahrt in der Stadt
Zürich prügelte sich im März 2015 ein
Taxifahrgastmit demTaxifahrer. Der be-
trunkeneFahrgast soll dem Chauffeur
ein Kreditkartenlesegerät auf den Hin-
terkopf geschlagen, ihm das Schulter-
gelenk ausgerenkt und den Arm gebro-
chen haben.VergangeneWoche standen
sowohl derFahrgast,ein 34-jähriger deut-
scher Unternehmensberater, als auch der
47-jährige Schweizer Chauffeur vor Ge-
richt.Für eine Urteilseröffnungreichte
die Zeit damals nicht.


Strafantrag zurückgezogen


Nun hat das Obergericht das Urteils-
dispositiv geschickt: Wiedie Vorinstanz
hat es den Unternehmensberater für den
Schlagmit dem Kartenlesegerät, durch
das derTaxifahrer ein leichtes Schädel-
Hirn-Trauma erlitten hatte, der einfachen
Körperverletzung schuldig gesprochen.
Vom Vorwurf im Zusammenhangmit
dem verletzten Schultergelenk und dem
Armbruch wurde der Deutsche aber er-
neut freigesprochen.Eine Begründung
dafür liegt noch nicht vor. Für dieVor-
instanz war der Kausalzusammenhang
für dieseVerletzungen nicht nachweisbar.
Als Sanktion bestätigte das Obergericht
eine bedingte Geldstrafe von 64Tages-
sätzen à 220Franken für den Unterneh-


mensberater. Ein Schuldspruch wegen
Sachbeschädigung in Zusammenhang
mit einem anderenVorfall war nicht an-
gefochten:Der 34-jährige Deutsche hatte
einem Hobbyangler am Zürichsee die
Angelrute zerbrochen. Der Angler hatte
den Unternehmensberaterzur Rede stel-
len wollen,nachdem dieser – ebenfalls in
betrunkenem Zustand – ein entwendetes
Velo in den See geworfen hatte.
Der vorinstanzlicheFreispruch des
Taxifahrers, ebenfalls wegen einfacher
Körperverletzung, war im Berufungspro-
zess nicht mehr angefochten. Der Unter-
nehmensberater zog den entsprechen-
den Strafantrag noch im Obergerichts-
saal zurück.Der Deutsche hatte nach der
Auseinandersetzung selber Hämatome
im Gesicht und einen abgebrochenen
Schneidezahn. Sein Anwalt erklärte den
Rückzug damit, es klinge durchaus plau-
sibel, dass sein Mandant betrunken ohne
äusserliche Einwirkungauf sein Gesicht
gefallen seinkönnte.
Freigesprochen wurde derTaxifahrer
nun aber auch vomVorwurf desVer-
gehens gegen dasWaffengesetz,für das
er vom Bezirksgericht noch verurteilt
worden war. In seinemTaxi war bei einer
Kontrolle ein alsTaschenlampe getarn-
tes Elektroschockgerät gefunden wor-
den. Der Beschuldigte machte geltend,
russische Sicherheitsleute, die als Fahr-

gäste mitgefahren seien, hätten das Ge-
rät imAuto liegen lassen. Er habe nicht
einmal gemerkt,dass es sich um ein Elek-
tros chockgerät gehandelt habe.

UnterschiedlicheTatversionen


DerTaxifahrer ist durch dieVerletzun-
gen, die er beimVorfall erlitt, laut einem
Arbeitszeugnis nur noch zu zwanzig Pro-
zent arbeitsfähig. Eine IV-Rente ist be-
antragt. Zum Grund des Streits äusser-
ten sich die Beteiligten unterschiedlich:
Der Unternehmensberater machte eine
Erinnerungslückezur eigentlichenFahrt
geltend.Am Zielort sei er vomTaxifahrer
angegriffen worden, weiler diesen «un-
flätig» beschimpft habe. DerTaxifahrer
erzählte, derUnternehmensberater sei
um 5 Uhr 30 betrunken in dasTaxi ge-
stiegen und seigenervtgewesen, weiler
sein Handyund seineSchlüssel vermisst
habe. Auf der ganzenFahrt habe er sich
aggressiv und verletzendgeäussert.Am
Zielort habe er ihm dann unvermittelt
das Kartenlesegerät über den Hinterkopf
geschlagen, ihn mitFäusten traktiert und
ihn des Diebstahls seines Handys und
der Schlüssel bezichtigt, wonach sich eine
längerePrügelei entwickelt habe.

Urteile 180510 und 180511 vom 8. 10.2019,
noch nicht rechts kräftig.

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