Die Welt - 15.10.2019

(Steven Felgate) #1

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15.10.19 Dienstag, 15. Oktober 2019DWBE-HP


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6 POLITIK DIE WELT DIENSTAG,15.OKTOBER


E


in polnischer Pessimist, so
heißt es, weiß, dass es
schlecht ist. Ein polnischer
Optimist, weiß, dass es
noch schlechter wird: Die-
sen Satz dürften sich nach den ersten
Hochrechnungen am Sonntagabend
Mitglieder der Oppositionspartei Bür-
gerplattform (PO) zugeraunt haben.
Die nationalkonservative Regierungs-
partei Recht und Gerechtigkeit (PiS)
nämlich ist laut aktuellen Zahlen ein-
deutig die Siegerin der polnischen Par-
lamentswahlen, wenn auch die Auszäh-
lung der Stimmen erst am Dienstag ab-
geschlossen sein dürfte.

VON PHILIPP FRITZ
AUS WARSCHAU

Mit 42,3 Prozent ist die PiS stärkste
Kraft geblieben und wird wegen der
Fünf-Prozent-Hürde mehr als die Hälf-
te der Sitze im Sejm, dem Unterhaus,
stellen. Sie kann alleine regieren. Die
PO kam abgeschlagen, wenn auch etwas
besser als erwartet, auf einer gemeinsa-
men Liste mit anderen Parteien ledig-
lich auf 27,7 Prozent. Die PiS hat im Ver-
gleich zu den Wahlen 2015 sogar zuge-
legt. Seinerzeit hatte sie 37 Prozent ge-
holt, was bereits für die absolute Mehr-
heit der Sitze reichte.
Überraschend ist das heutige Ergeb-
nis freilich nicht. Sämtliche Beobachter
sagten der Regierungspartei und ihrem
mächtigen Vorsitzenden Jaroslaw
Kaczynksi einen Sieg voraus. Die PiS hat
über Monate einen hochprofessionellen
und aggressiven Wahlkampf geführt. Sie

startete eine Angstkampagne gegen se-
xuelle Minderheiten und mobilisierte
damit ihre Wählerklientel. Daneben
setzte sie Wahlversprechen bereits vor
dem Urnengang um, wie etwa eine groß-
zügige Ausdehnung des Kindergeldpro-
gramms „500+“ und konnte so weitere
Wählergruppen ansprechen. Die opposi-
tionelle PO dagegen trat elan- und ide-
enlos auf. Ihr Chef Grzegorz Schetyna
konnte seinem Widersacher Kaczynski
kaum etwas entgegensetzen.
Die Frage ist nun: Wie geht es weiter
mit Polen? Alles deutet darauf hin, dass
die PiS ihren umfassenden Staatsumbau
fortführen wird – weitere Konflikte mit
der EU-Kommission sind damit vorpro-
grammiert. Vor vier Jahren schon star-
tete die Partei ihre radikalen Reform-
programme, den „guten Wandel“, wie
Gegner der Regierungspolitik ironisie-
rend sagen. Sie baute das vormals öf-
fentlich-rechtliche Fernsehen TVP zu
einem Propgandaapparat um und
schränkte mir ihrer sogenannten Justiz-
reform die Unabhängigkeit der Arbeit
von Richtern ein – all das im Eiltempo,
so dass weder die polnische Opposition
noch die EU-Kommission, die 2017 we-
gen des Umbaus des Justizwesens erst-
mals ein Rechtsstaatsverfahren gegen
ein Mitgliedsland der Union auf den
Weg brachte, schritthalten konnten.
Gewirkt hat die Drohung, Polen Stimm-
rechte zu entziehen offenbar nicht.
Mehrere PiS-Mitglieder haben bereits
eine weitere Justizreform angekündigt.
Einige träumen gar davon, Kammern
oder gleich ganze Gerichte vollständig
aufzulösen und neu zu besetzen. Solch

radikale Schritte würde die neue Kom-
mission unter Ursula von der Leyen vor
ein enormes Problem stellen: Denn ei-
gentlich ist sie auf Entspannungskurs
mit der PiS. Nach ihrer Wahl zur Kom-
missionschefin flog von der Leyen nach
einem Besuch in Paris umgehend nach
Warschau. Diese Geste der Anerken-
nung, aber auch die Tatsache, dass sich
von der Leyen mit Kritik an der Justizre-
form bisher zurückhält, werden von den
Parteieliten der PiS durchaus gewürdigt.
Premierminister Mateusz Morawiecki
frohlockte gar nach dem Gespräch mit
der Deutschen im Juli: „Das Treffen hat
all unsere Erwartungen erfüllt.“ Die 26
PiS-Abgeordneten im EU-Parlament
hatten zuvor für von der Leyen ge-
stimmt. Diese neue Eintracht jedoch
könnte ein jähes Ende finden.
Denn so wie die Justizreform der
Kern des Reformprogramms der PiS ist,
ist Rechtsstaatlichkeit der Markenkern
der EU. Entscheidend wird sein, wie
sich die tschechische Kommissarin Ve-
ra Jourova verhält, zu deren Portfolio
das Thema Rechtsstaatlichkeit gehört.
Als Ostmitteleuropäerin dürfte sie ein
besseres Gespür als seinerzeit Vize-
kommissionschef Frans Timmermans
dafür haben, welche Form von Kritik in
Warschau angenommen wird. Den Nie-
derländer hatten viele Polen als zu be-
lehrend und geltungssüchtig empfun-
den. Mit einer noch selbstbewussteren
PiS, die in Brüssel sowieso nicht als
Partei von Leisetretern bekannt ist,
dürfte es Jourova allerdings schwer ha-
ben. Hinzu kommt, dass die National-
konservativen innenpolitisch zumin-

dest von der PO kaum Gegenwind zu
erwarten haben. Die muss jetzt alles da-
ran setzen, dass ihre Fraktion im Parla-
ment nicht auseinanderfällt; nach dem
desaströsen Ergebnis ist vieles denkbar,
sogar dass Abgeordnete sich abspalten.
Eine Opposition, die nicht geschlossen
ist, öffnet den Nationalkonservativen
jedoch Tür und Tor.
Konstruktive Oppositionsarbeit ist
von der neuen sozialdemokartischen
Linken (Lewica) zu erwarten. Die Bewe-
gung kam aus dem Stand auf 18 Prozent
der Stimmen und hat gute Chancen, der
PO den Rang als erste Widersacherin
der PiS abzulaufen. Eine Zusammenar-
beit mit der rechtsextremen Konfödera-
tion (Konfederacja), die mit einem
Stimmenanteil von 7 Prozent in den
Sejm einziehen wird, ist für Lewica aus-
geschlossen. Die PiS in jedem Fall dürf-
te bald schon zur Tat schreiten, einen
Koalitionspartner immerhin muss sie
sich nicht suchen.
Schon kursieren Gerüchte über ein
neues Mediengesetz, das die Kontrolle
der Partei auch auf die privaten Medien
im Land ausdehnt. Wenn die PiS ernst
macht – und bisher hat sie ihre Verspre-
chen fast immer erfüllt –, dann steht
Warschau eine weitere Reformrunde
bevor, die die vergangenen Jahre in den
Schatten stellen dürfte. Eine „Repolo-
nisierung“ , wie es in der PiS heißt, also
eine Nationalisierung von privaten Ver-
lagen und Fernsehstationen könnte ei-
nen Konflikt mit der EU provozieren,
der ähnliche Ausmaße annehmen wür-
de, wie der Streit um die Justizreform.
Das Ziel eines solchen Vorhabens ist es,
nach den öffentlich-rechtlichen Me-
dien, den Einfluss der Partei auch auf
die privaten auszudehnen. Ausländi-
sche Unternehmen sollen demnach An-
teile abtreten müssen. Wie genau die
EU auf einen derart harten staatlichen
Eingriff reagieren würde, ist allerdings
vollkommen unklar.
Wenn die Opposition zusehends mar-
ginalisiert wird, rechtsstaatliche Prinzi-
pien ausgehebelt werden, gegen Min-
derheiten gehetzt wird, die Partei Kriti-
ker, wie schon nach ihrem Wahlsieg
2015, nun wieder als „Feinde der Nati-
on“ oder „Polen der schlechteren Sor-
te“ bezeichnet, dann hat die EU es mit
einem autoritären oder quasi-autoritä-
ren Staat nicht bloß vor ihrer Haustür
zu tun, so wie mit der Türkei, sondern
in ihrer Mitte. Polen ist nicht klein, es
ist ein Land von 40 Millionen Einwoh-
nern, dessen Wirtschaftswachstum der-
zeit alles auf dem Kontinent in den
Schatten stellt und das an der Ostflanke
der Nato die wesentliche Stütze für die
Sicherheit des Kontinents ist. Polen
darf sich nicht aus dem Orbit des west-
lichen Wertegemeinschaft verabschie-
den – vieles indes deutet darauf hin.
Bisher hat die PiS Konflikte mit Brüs-
sel nicht gescheut, die Wähler haben
entschieden – nicht zuletzt wegen der
guten Konjunktur und der üppigen So-
zialprogramme. Parteichef Kaczynski
hat nun die Chance, den Staat weiter
umzubauen. Die Opposition im Land,
aber auch die europäischen Partner Po-
lens müssen sich auf eine Herausforde-
rung einstellen, mit der sie sich unter
Umständen sogar länger konfrontiert
sehen werden, als mit dem Brexit. Die
polnische Regierung nämlich möchte in
Europa bleiben, allerdings mit ganz ei-
genen Spielregeln.

Ein Mandat zum Staatsumbau


Polens


Regierungspartei


PiS hat die


Parlamentswahlen


gewonnen. Die


EU-Kommission


muss sich auf


weitere Justiz- und


Medienreformen


einstellen – noch


radikaler, noch


schneller als bisher


Alles deutet darauf hin, dass die PiS unter ihrem mächtigen Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynksi ihre umstrittenen Justiz- und Medienreformen fortführen wird

AFP

/ WOJTEK RADWANSKI

E


s war noch relativ früh am
AAAbend, da erfuhren die Journa-bend, da erfuhren die Journa-
listen auf der Wahlparty der Re-
gierungspartei Fidesz, dass Minister-
präsident Viktor Orbán seine Rede
nicht wie üblich draußen halten wür-
de. Bisher hatte er sich immer unter
fffreiem Himmel von einer jubelndenreiem Himmel von einer jubelnden
Anhängerschar feiern lassen. Das also
würde diesmal ausbleiben. Es war das
erste Signal, dass dieser Abend für die
Regierungspartei schmerzhaft werden
könnte.

VON BORIS KÁLNOKY
AUS BUDAPEST

Tatsächlich zeichnete sich dann im
Laufe des Abends ein Sensationssieg
der vielerorts erstmals vereint auftre-
tenden Oppositionsparteien ab. Zwar
blieb die Regierungspartei Fidesz do-
minant in den Regionalverwaltungen


  • fast alle Regionen blieben in der
    Hand der Fidesz – aber in einer Anzahl
    wichtiger Städte lagen Oppositions-
    kandidaten in Führung. So zum Bei-
    spiel im ostungarischen Miskolc, in
    Salgótarján und im südungarischen
    Pécs. Ágoston Mráz vom regierungs-


algótarján und im südungarischen
écs. Ágoston Mráz vom regierungs-

algótarján und im südungarischen

nahen Thinktank Nézöpont sagte im
Staatsfernsehen, dass die Opposition

mehr Bezirkshauptstädte kontrollie-
ren wird als zuvor. Bisher waren es
vier gewesen.
Das wichtigste Ergebnis war natür-
lich Budapest – dort lag nach Auszäh-
lung von 56 Prozent der Stimmen Op-
positionskandidat Gergely Karácsony
mit 50 Prozent in Führung, der amtie-
rende Bürgermeister Isvtán Tarlos lag
bei 44,9 Prozent. Kurz vor 22 Uhr gratu-
lierte er seinem Herausforderer, noch
bevor die amtlichen Ergebnisse seine
Niederlage bescheinigten.
Die Opposition, die bisher nur sechs
Bezirke der Hauptstadt regierte, lag
derweil in neun Bezirken in Führung.
Und auch im Gemeinderat konnte sie
eine Mehrheit erringen. Mit anderen
Worten: Budapest wird ab sofort zu ei-
ner Machtbasis der Opposition gegen
die Regierung Orbán.
Der Schlüssel zum Erfolg war letzt-
lich ihr vereintes Auftreten. Budapest
war schon immer linker und liberaler
als der Rest des Landes, aber Fidesz war
immer relativ stärker als die fünf gegen-
einander ringenden Oppositionspartei-
en. Dass sie sich jetzt zusammenrauf-
ten, löste dieses Problem.
Die Frage ist für wie lange. Es sind
immer noch fünf Parteien in der Oppo-
sition – und es ist nicht sicher, ob ihre

neue Liebe zueinander bis zu den
nächsten Parlamentswahlen 2022 von
Bestand sein wird. Wenn aber doch,
dann verschiebt sich der Boden unter
Orbáns Füßen: Sein ganzes System baut
auf dem Gedanken des „zentralen
Kraftfelds“ auf – Fidesz in der Mitte,
links und rechts daneben andere Partei-
en. Jetzt aber bewegt sich Ungarn in
Richtung eines bipolaren Systems, Fi-
desz rechts und daneben ein linkerer, li-
beralerer Block.
Die Wahlbeteiligung lag mit 47,3 Pro-
zent deutlich höher als fünf Jahre zuvor
(39 Prozent). Das lag auch daran, dass
der Wahlkampf, obwohl es „nur“ um
Kommunalwahlen ging, der brutalste
war, an den man sich in Ungarn erinnern
kann. Heimlich aufgenommene Videos
und Tonaufnahmen wurden gegen so
ziemlich jede Partei in Stellung gebracht.
Im sozialistisch geführten Buda-
pester Stadtteil Kispest wurden die ört-
lichen sozialistischen Politiker dabei ge-
filmt, wie sie – offenbar – Kokain nah-
men und sich über die Mühen des
Schmiergeldgeschäfts beschwerten. Im
Budapester Vorort Budaörs wurde ein
Oppositionsbürgermeister beim Seiten-
sprung gefilmt.
Die größte Erschütterung aber löste
ein Sexvideo aus, das Zsolt Borkai, den

Bürgermeister der zweitreichsten
Stadt Ungarns, Györ, auf einer Luxu-
syacht vor der kroatischen Küste beim
Geschlechtsverkehr mit Prostituier-
ten zeigte.
Dieses Video schlug zwei Wochen
vor der Wahl wie eine Bombe ein. Bor-
kai gehört zur Regierungspartei Fi-
desz, und die regierungskritischen

Medien begannen, dubiose Geschäfts-
verbindungen zwischen Borkai und Fi-
desz-nahen Geschäftsleuten unter die
Lupe zu nehmen. Ein Schneeballeffekt
setzte ein: Borkai wurde zum Sinnbild
fffür die Praktiken der Regierung Orbánür die Praktiken der Regierung Orbán
und ihrer Kandidaten. Trotz allem trat
er nicht zurück. In Györ führte er so-

gar sehr knapp – bis in den späten
AAAbend hinein war nicht klar, wer diebend hinein war nicht klar, wer die
WWWahl dort gewonnen hatte.ahl dort gewonnen hatte.
Zunächst schien die Regierungspartei
den Skandal um das Video aussitzen zu
wollen. Aber zwei Tage vor der Wahl
schien sich Panik breitzumachen. Bor-
kai kündigte am Nachmittag eine außer-
ordentliche Pressekonferenz an – und
blies sie eine Stunde später wieder ab.
Die als Regierungsorgan geltende Zei-
tung „Magyar Nemzet“ publizierte ei-
nen scharfen Artikel, der Borkais Rück-
tritt forderte – aber kurz darauf war der
Text wieder verschwunden.
Budapests Bürgermeister István
Tarlós, der sonst nie über Themen re-
det, die nicht Budapest betreffen, for-
derte wiederholt Borkais Rücktritt. Bis
dahin hatten alle Umfragen Tarlós
leicht in Führung gesehen. Er, der per-
sönlich als „sauber“, als nicht korrupt
gilt, stolperte über die Achillesferse der
Regierungspartei: Immer wieder fielen
Fidesz-Politiker unangenehm durch ei-
nen Hang zum Luxus auf.
Orbán selbst pflegt ein einfaches Er-
scheinungsbild, aber um ihn herum
sorgten immer wieder Politiker mit ei-
nem Hang zu neureicher Protzerei für
negative Schlagzeilen. Er wird jetzt
schnell gegensteuern müssen.

Sensationssieg der Opposition


Bei den Kommunalwahlen in Ungarn muss die Regierungspartei Fidesz ihre Macht in mehreren Städten abgeben – auch in Budapest


IMMER WIEDER


FIELEN


FIDESZ-POLITIKER


UNANGENEHM


DURCH EINEN HANG


ZUM LUXUS AUF


BUNDESTAG

Nahles-Nachfolger
umstritten

Anfang November scheidet die frühere
SPD-Vorsitzende Andrea Nahles aus
dem Bundestag aus. Das schrieb sie an
Bundestagspräsident Wolfgang Schäu-
ble (CDU). Danach will sich die 49-
Jährige beruflich neu orientieren. Sie
lebt in der Eifel und ist Mutter einer
Tochter. Eine Entscheidung über ihre
Nachfolge im Bundestag steht noch
aus. Kandidat für das Mandat von
Nahles ist der für Innovation und
Technologie zuständige Abteilungs-
leiter im rheinland-pfälzischen Wirt-
schaftsministerium, Joe Weingarten.
In der SPD Rheinland-Pfalz ist Wein-
garten umstritten. Scharfe Kritik löste
er im vergangenen Jahr mit der Eintei-
lung von Geflüchteten in drei Gruppen
aus: Asylsuchende, Arbeitssuchende
und „Gesindel“. In einem Beitrag für
das Onlinemagazin „Merkurist“ plä-
dierte er kürzlich dafür, mehr mit
denjenigen zu reden, „die rechts der
Mitte stehen und sich im allgemeinen
linksliberalen Mainstream nicht mehr
aufgehoben fühlen“.

TUNESIEN

Kais Saied wird
neuer Präsident

Der parteilose Jurist Kais Saied wird
aller Voraussicht nach neuer Präsident
in Tunesien. Zwei Umfrageinstitute
sahen den 61-Jährigen mit über 70
Prozent der Stimmen klar vorne. Saied
dankte in einer Pressekonferenz den
Wählern und versprach, der Präsident
aller Bürger sein zu wollen. Der pensio-
nierte Juradozent vertritt gesellschaft-
lich konservative Positionen und plant
die Einführung eines dezentralen, ba-
sisdemokratischen Regierungssystems.
Nachdem am Sonntag erste Prognosen
veröffentlicht wurden, hatten die Men-
schen in mehreren Städten des Landes
spontan mit Autokorsos und Feuerwer-
ken den Sieg Saieds gefeiert.

KOMPAKT


I


mebenso historischen wie umstrit-
tenen Prozess gegen die katalani-
schen Separatistenführer sind neun
Angeklagte zu langjährigen Haftstrafen
verurteilt worden. Das Oberste Gericht
in Madrid verurteilte sie am Montag we-
gen Aufruhrs zu Freiheitsentzug zwi-
schen neun und 13 Jahren. Die Verurteil-
ten erhielten zudem ein Amtsverbot für
die Dauer ihrer Haft. Das Verfahren hat-
te die Gemüter im ganzen Land erhitzt
und galt als eines der wichtigsten seit
dem Übergang zur Demokratie nach
dem Ende der Franco-Diktatur in den
70er-Jahren.
Es ging dabei um die Rolle der Ange-
klagten bei dem von der Justiz verbote-
nen Unabhängigkeitsreferendum vom 1.
Oktober 2017 und einem daraus resultie-
renden Unabhängigkeitsbeschluss der
Regionalregierung. Von einer Verurtei-
lung wegen des von der Staatsanwalt-
schaft eingebrachten Vorwurfs der Re-
bellion, der mit Gefängnisstrafen von bis
zu 25 Jahren geahndet wird, sahen die
sieben zuständigen Richter ab. Rebellion
setzt Gewaltanwendung voraus. Aller-
dings wurden einige der Politiker auch
wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder
schuldig gesprochen.
Hauptangeklagter war der frühere
stellvertretende Regionalpräsident Oriol
Junqueras, der auch die Höchststrafe
von 13 Jahren erhielt. Genau wie acht sei-
ner Mitstreiter sitzt er bereits seit zwei
Jahren in Untersuchungshaft. Ex-Parla-
mentspräsidentin Carme Forcadell muss
elfeinhalb Jahre ins Gefängnis.
Der damalige Regionalpräsident Car-
les Puigdemont stand nicht vor Gericht:
Er war im Herbst 2017 zusammen mit
anderen Politikern vor einer Festnahme
nach Belgien geflohen. „Insgesamt 100
Jahre Haft. Eine Barbarei“, twitterte
Puigdemont als erste wütende Reaktion.
Sein Nachfolger Quim Torra sagte: „Die
Regionalregierung und ich lehnen diese
Urteile als ungerecht und undemokra-
tisch ab.“ Man werde weiter auf eine ka-
talanische Republik hinarbeiten. In Kata-
loniens Hauptstadt Barcelona gab es
schon im Vorfeld viele Proteste. dpa

Lange Haft für


Führer der


Separatisten


Die Katalanen erhalten
zwischen neun und 13 Jahre

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