Süddeutsche Zeitung - 15.10.2019

(Chris Devlin) #1
J

osef Ackermann hat in seinem Le-
ben etliche Staatschefs getroffen,
aber kaum einer hat ihn offenbar
so beeindruckt wie der Chinese
Jiang Zemin. „Er begrüßte mich

aufDeutschundzitierteGoethesFaust“,er-


zählte Ackermann noch Jahre später.


Im Jahr 2002 begegneten sich die bei-

den Männer gleich zwei Mal: Im Februar


stelltesichAckermanninPekingalskünfti-


ger Vorstandschef der Deutschen Bank


vor, im April reiste Jiang zum Staatsbe-


such nach Berlin; beim Dinner der deut-


schen Industrie saßen Jiang und Acker-


mann nebeneinander an einem Tisch mit


weißen Kerzen. Es war eine Zeit fiebriger


Erwartung: Die Volksrepublik öffnete sich,


und der Banker Josef Ackermann verkör-


perte den Willen der deutschen Wirt-


schaft, China und die Welt zu erobern.


Die Nähe zu Jiang Zemin nährte die

nahezu übermenschliche Aura, die Acker-


mannumgab.ErgaltalsÜberflieger,ersag-


te, seine Begabungen hätten auch mit sei-


nemSternzeichenzutun,Wassermann,As-


zendent Löwe. Inzwischen zeigt sich, dass


mindestens sein Treffen mit Präsident


Jiang in Peking unter irdischen Bedingun-


gen zustande kam. Die Bank besorgte für


Jiang nicht nur einen Kristalltiger im Wert


von gut 15000 Dollar als Gastgeschenk, sie


ließ sich die Begegnung noch deutlich


mehr kosten: Einem internen Dokument


zufolge zahlte die Deutsche Bank damals


100000 Dollar an eine rätselhafte Berater-


firma, um das Treffen zu ermöglichen.


Zugang gegen Geld.
Ackermannteiltheuteschriftlichmit,er

habe von dieser Zahlung nichts gewusst


undvonderFirma niegehört.FürdieOrga-


nisation solcher Treffen sei der Chef des


China-Geschäfts zuständig gewesen, der


nicht direkt an ihn berichtet habe.


Die100000Dollar-Zahlunggehörtzuei-

nem Muster, das die China-Geschäfte der


Deutschen Bank von 2002 bis 2014 prägte:


Mit Geschenken, Gefälligkeiten und der


Hilfe hoch bezahlter Mittelsmänner ebne-


te sich das Geldhaus den Weg ins Wirt-


schaftswunderland. Dies zeigen Recher-


chen vonSüddeutscher Zeitung, WDR und


New York Times. Neben Château-Lafite-


Wein, Jahrgang 1945, Louis-Vuitton-Ta-


schen und Kaschmirmänteln für chinesi-


sche Amtsträger oder deren Familien setz-


te die Bank auch auf dubiose Berater, einer


von ihnen kassierte zwei Millionen Euro –


offenbar vor allem, weil er der Familie von


WenJiabaonahestand,demMinisterpräsi-


denten des Landes von 2003 bis 2013.


Fernergehörteeszurpolitischenund ge-

schäftlichen Landschaftspflege, mehr als


einhundert Kinder von Parteikadern oder


Chefs staatlicher Firmen als Angestellte in


den Reihen der Deutschen Bank unterzu-


bringen. Manche dieser Nachwuchskräfte


warenklarunterqualifiziert,dochihreEin-


stellung galt als „Investition“, solange sie


nur die richtigen Verwandten hatten.


Ihre Großzügigkeit spielte die Deutsche

BanklautinternenUnterlagenbisinhöchs-


tePartei-undRegierungskreise aus,wobei


Staats- undParteichef Jiang Zemin nur ein


Ziel von mehreren war – er erhielt neben


dem Kristalltiger auch eine Hifi-Anlage


vonBang&Olufsen.DerdamaligePremier


Wen Jiabao wurde mit einem Kristallpferd


für 15000 Dollar bedacht, passend zu


dessen chinesischem Sternzeichen. Vize-


Premier Zeng Peiyan soll einen Fernseher


für 5400 Dollar geschenkt bekommen


haben.


Deutschlands wichtigste Bank wanzte

sich mit Geschenken und Günstlingswirt-


schaft an die Elite eines autoritären Re-


gimes heran.


Josef Ackermann erklärt auf Anfrage, er

habe Gastgeschenke nach seiner Erinne-


rung höchstwahrscheinlich nicht selbst


überreicht und deren Wert auch nicht ge-


kannt.ÖrtlicheFührungskräftehättendie-


se ausgesucht. Das erinnert an die übli-


chen Floskeln aus den großen deutschen


Wirtschaftsskandalen der jüngsten Ver-


gangenheit, etwa anlässlich der Korrupti-


onsaffäre bei Siemens oder des Abgasbe-


trugs bei Volkswagen. Stets beteuern die


Vorstände, sie hätten von nichts gewusst.


Schuld seien Manager aus dem Mittelbau.
DieDeutscheBankistseit Jahren inetli-


che Skandale verwickelt. Mit ihrem Fehl-


verhalten in China ist sie indes nicht allein:


Im Jahr 2013 fiel zunächst die US-Bank


JP Morgan Chase auf wegen des Ver-


dachts, dass sie Kinder chinesischer Kader


eingestellthabe.DieUS-BörsenaufsichtSe-


curities and Exchange Commission (SEC),


die sich als globale Wächterin sieht, unter-


suchte dies und weitete die Ermittlungen


dann bald auf die Deutsche Bank aus.


Im August 2019 hat die SEC erklärt, die

DeutscheBankhabemitihrerPersonalpoli-


tikgegenUS-Antikorruptionsrechtversto-


ßen. Sie habe in China – und auch in Russ-


land–rechtswidrigeVorteilegewährt;Mit-


arbeiter hätten Unterlagen gefälscht, um


die „korrupte Einstellungspraxis zu vertu-


schen“. Die Bank räumte kein Fehlverhal-


tenein,zahlteaber alsTeil einesVergleichs


16 Millionen Dollar. Ihre Anwälte hatten


mit deutlich mehr gerechnet, nämlich mit


bis zu 252 Millionen. Unklar ist allerdings,


obdieSachefürdie DeutscheBankmitdie-


ser ungewöhnlich niedrigen Zahlung aus-


gestanden ist – sollte die Bank nicht alle


Unregelmäßigkeiten gemeldet haben,


könnte neuer Ärger drohen.


Die Bank erklärt in einer Stellungnah-

me: „Diese Vorfälle reichen bis ins Jahr


2002zurückundwurdenentsprechendbe-


handelt... Wo Schwachstellen identifiziert


wurden, haben wir Gegenmaßnahmen er-


griffen.“ Allerdings ist nicht bekannt, ob


die Bank alle Geschenke, Reisen und zwei-


felhaften Beraterhonorare offengelegt hat



  • vor allem die fragwürdigen Aktivitäten


ihres langjährigen starken Mannes in Chi-


na: Lee Zhang. Zhang stand im Mittel-
punkt fast aller dubiosen Vorgänge. Er war
ein typischer Profiteur jener Jahre, weil er
Investoren aus dem Westen durch das
Dickicht des erwachenden China lotste.
Zhang kam 2001 zur Deutschen Bank. Er
war ein geborener Netzwerker, galt als
Charmeur und gab den Menschen das
Gefühl, wichtig zu sein. Zhang war äußerst
umtriebig, es hieß, man könne ihn kaum
erwischen, weil er eigentlich immer gera-
de auf dem Sprung zu einem Termin oder
zum Flughafen war.
Zhang hatte sein Büro in Hongkong, je-
ner ehemaligen britischen Kronkolonie, in
der sich Ost und West treffen und ver-
schmelzen wie sonst nirgendwo. Briti-
sches Recht, chinesischer Handel. Schlan-
ge stehen an der Bushaltestelle, vorzügli-
ches kantonesisches Essen. Hongkong war
das Tor zur Volksrepublik, und Lee Zhang
war einer der Wächter an dieser Pforte.
Noch heute hat die Bank ihren Sitz in der
Stadt, im International Commerce Centre
residieren die Banker, es ist natürlich der
höchste Wolkenkratzer weit und breit.
In den Nullerjahren konnte die Deut-
sche Bank einen wie Zhang gut gebrau-
chen. China war ein zentraler Teil von
Ackermanns globaler Erfolgsstrategie,
dort aber waren zunächst die US-Konkur-
renten viel stärker, den Deutschen fehlten
die entscheidenden Kontakte. Dann kam
Zhang.Esdauertenichtlange,dahießerin-
tern „Mister China“. Damals arbeiteten im
Asien-Geschäft vor allem Europäer und
Amerikaner. Zhang war Chinese, er konnte
die Sprache, er kannte das Land. Und er
wusste die richtigen Leute zu verwöhnen.

Im Mai 2004 lud die Deutsche Bank auf
VeranlassungZhangsvierVertreterdeschi-
nesischenKohleministeriumszueinerRei-
se ein: Frankfurt, Heidelberg, Füssen und
Genf. Jeden Abend fanden die Gäste in
ihren Hotelzimmern Früchte, Blumen und
Schokolade vor, sie wurden mit Spa-Besu-
chen bedacht, bekamen Taschen und
Portemonnaies geschenkt. Die Reise soll
insgesamt 40000 Dollar gekostet haben.
Eine konkrete Gegenleistung ließ sich
nicht ermitteln. Womöglich hatte die Bank
Interesse am Kohle-Geschäft – und die
Pekinger Beamten auf Europa-Reise
waren für die Aufsicht zuständig.
BereitsEnde2004regtesichzumersten
Mal Widerstand gegen Zhangs Spendier-
freudigkeit. Ein hochrangiger Manager
der Bank sagte, ihn sorgten Zhangs Ge-
schäftsgebaren, dessen Geschenke an Ge-
schäftspartner und dessen Beziehung zur
Familie des Premiers Wen. Auch nahm der
Kritiker Anstoß an der Beraterfirma, die
2002Geld für das Treffen Ackermannsmit
Parteichef Jiang kassiert hatte.
Die Deutsche Bank ließ Zhang und eini-
ge seiner Mitarbeiter befragen. Es stellte
sich heraus, dass die Bank tatsächlich
100000 Dollar an eine Firma namens Goo-
drich Overseas Limited gezahlt hatte. Die
genaue Rolle dieser Firma blieb allerdings
im Dunkeln. Ein Mitarbeiter behauptete,
man brauche die Firma, „um Dinge durchs
Außenministeriumzumanövrieren“.Ande-
re widersprachen. War dies überhaupt
mehralsnureineBriefkastenfirma?Diein-
terne Untersuchung endete ohne Ab-
schlussbericht. Es wurden neue Kontrol-
len beschlossen, viele davon wurden aber
offenbar nicht umgesetzt oder verfehlten
ihr Ziel. Und Zhang? Er stieg zum Co-Chef
des Global Banking in Asien auf, später so-
gar zum Chairman für China.
Wenig später, im Mai 2005, empfahl
Zhang den nächsten externen Helfer; die-
ser sollte, so hieß es intern, ein „politischer
Berater“sein,derdieBankdabeiunterstüt-
zen würde, sich „in Peking zurechtzufin-
den“. Konkret brauchte die Deutsche Bank
Hilfe dabei, einen Anteil an der staatlich
kontrollierten Bank Huaxia zu kaufen. Es
sollte der bislang größte Coup der Deut-
scheninderVolksrepublikwerden.DerBe-
rater sollte für seine Dienste mindestens
zwei Millionen Euro kassieren.
Die Compliance-Abteilung heuerte zur
Sicherheit eine Wirtschaftsdetektei aus
Singapur an, um den Lebenslauf des von
ZhangangeworbenenBeraterszuüberprü-
fen. Die Ernüchterung war groß: „Wir ha-
ben mit mehr als zehn Quellen in der Zen-
tralregierung undbeilokalenBehördenge-
sprochen“, schrieb der Rechercheur aus
Singapur: „Niemand kennt ihn. Das ist
mehr als merkwürdig für einen, der sich
als Dealmaker gibt.“ Wer also war dieser
Fremde? Ein Strohmann für einen hoch-
rangigen Politiker? Dies hätte bedeutet,
dass die Bank womöglich ein als „Hono-
rar“ getarntes Bestechungsgeld an einen
Kader zahlt. Genau davor warnte dann ei-
ne Compliance-Mitarbeiterin.
Die Strategie-Abteilung der Bank setzte
sich aber über die Bedenken hinweg und
verpflichtete den Berater. Kurz darauf
kameineweitereE-Mail aus Singapur:Der
BeraterseinichtnurmitdemSohndesPre-
miers Wen befreundet, er sei auch Mana-
gereiner Diamantenfirma, die derEhefrau
von Premier Wen gehöre.
EinesolcheKonstellationlässtKorrupti-
onsexperten aufhorchen. Für Premier
Wen und seine Leute wäre es leicht gewe-
sen, Insiderinformationen der Huaxia-
Bank zu beschaffen und weiterzugeben.
Und womöglich zu Geld zu machen.
Die Verantwortlichen bei der Deutschen
BankinteressiertensichfürdieseWarnun-
gen nicht; ihre damaligen E-Mails verra-
ten, dass es nur um Geschwindigkeit und
Erfolg ging, womöglich ein Symptom der
Ackermann-Jahre, als die Belegschaft un-
ter enormem Erfolgsdruck stand. Acker-
mann wollte die globale Konkurrenz her-
ausfordernundhatteseinenAktionärenei-
neschwindelerregendeEigenkapitalrendi-
te von 25 Prozent versprochen. Er wirkte
damals überheblich, etwa beim Strafpro-

zess zum Fall Mannesmann, wo er selbst
wegen Untreue angeklagt war, gleichwohl
in die Kameras lachte und die Finger zum
Victory-Zeichen spreizte. „Dies ist das ein-
zigeLand,indemdiejenigen,dieErfolgha-
ben und Werte schaffen, deswegen vor Ge-
richt gestellt werden“, sagte er. Am Ende
wurde er freigesprochen.
Die Deutsche Bank stieg derweil zu ei-
ner der wichtigsten Investmentbanken in
China und Asien auf. Zu möglichen Unre-
gelmäßigkeiten in jener Zeit erklärt Acker-
mann heute, er habe seinen Mitarbeitern
stets eingeschärft, kein Geschäft sei es
wert, den Ruf der Bank zu gefährden.
So oder so lohnte sich das Engagement
des obskuren Beraters, der so eng mit Fa-
milie Wen war. Die Deutsche Bank setzte
sich mit ihrem Gebot gegen Mitbewerber
wie die Société Générale durch, übernahm
für knapp 200 Millionen Euro zehn Pro-
zent der Huaxia-Anteile und verkaufte sie

einige Zeit danach für ein Vielfaches. Fast
ein Jahrzehnt später geriet die Deutsche
Bank dann ins Visier der US-Aufsichts-
behörde SEC und beauftragte externe
Anwaltskanzleien, ihr China-Geschäft zu
durchleuchten. Die Anwälte sichteten Do-
kumente und befragten mehr als 200 Mit-
arbeiter. Die Untersuchung offenbarte,
dass der ominöse Berater und Vertraute
der Familie Wen womöglich gezielt Infor-
mationen über den Huaxia-Kaufpreis
durchgestochen hatte. Demnach könnte
die Deutsche Bank herausgefunden ha-
ben, wie viel ihre Rivalen zahlen wollten –
um diese zu überbieten.
Die externen Juristen befanden außer-
dem, dass der verantwortliche Manager
bei der Deutschen Bank damals etliche
Warnsignale ignoriert habe. Er habe nicht
nur seine Kontrollaufgaben vernachläs-
sigt, sondern sich sogar in einer E-Mail
über Einwände der Compliance-Abteilung

lustig gemacht. Heikel sind diese Erkennt-
nisse auch deswegen, weil der einst durch-
aus beliebte Premier Wen, im Volksmund
„Opa Wen“ genannt, mittlerweile in Verruf
geraten ist: Kurz vor dem Ende seiner
Amtszeit 2013 stellte sich heraus, dass sich
etliche Mitglieder seiner Familie berei-
chert hatten, etwa seine Frau, sein Sohn
Winston und seine Tochter Ruchun. Sie
tauchen seither in etlichen Affären auf, sie
haben etliche Offshore-Firmen gegründet
und als Berater Millionen verdient.
Der „Mister China“ der Deutschen
Bank, Lee Zhang, hatte unterdessen offen-
bar völlig freie Hand. Die Manager wirkten
wie berauscht von seinen Erfolgen oder
trautensich jedenfallsnicht,ihmzuwider-
sprechen. Zhangs Wort war Gesetz. Das
missbrauchte Zhang wohl auch für eigene
Zwecke. In den Akten finden sich Zahlun-
gen der Deutschen Bank in Höhe von
3,65 Millionen Dollar an eine Briefkasten-

firma,die Speedy Link Holdings Ltd. heißt.
Prüfer haben lange gerätselt, wer sich da-
hinter verbergen könnte. Die Panama-Pa-
pers-Daten legen nahe, dass Speedy Link
Zhangs Ehefrau gehörte. Die Bank zahlte
womöglichalso,ohnees zuwissen,Berater-
honorare an die Familie des eigenen Ange-
stellten. Lee Zhang und die in diesem Arti-
kel genannten Politiker reagierten nicht
auf Bitten um Stellungnahme oder sie
waren nicht zu erreichen.
Seine damalige Macht nutzte Zhang,
um noch ein weiteres Beziehungsgeflecht
zuspinnen:ErließDutzendejungerChine-
sinnen und Chinesen als Nachwuchsban-
ker einstellen – nicht wegen deren Qualifi-
kation, sondern weil sie einflussreiche El-
tern hatten, die gute Geschäfte verspra-
chen.Je mächtiger die Eltern, desto größer
die Einstellungschancenfür deren Kinder.
Ende 2009 zum Beispiel erhielt Zhang
die E-Mail einer jungenChinesin. Sierede-
teihn mit„OnkelZhang“anundberief sich
auf ihren Vater, der in der Regierung an
hoher Stelle verantwortlich war. Zhang
ließfürsieBewerbungsgesprächearrangie-
ren, bei denen sie aber nicht überzeugte.
Siesei„nichtvomgleichenKaliber“wiean-
dere,hießesintern.ImBewerbungsverfah-
ren scheiterte sie bei zwei von sechs Prü-
fungen, ihr Betreuer schrieb, sie sei „tech-
nisch etwas schwach“. Gleichwohl wurde
sie 2010 eingestellt. Gut zwei Jahre später
hieß es, es sei ihr gelungen, „familiäre und
persönliche Beziehungen“ zu nutzen, um
„wichtigeKunden“zuholen.Sieselbstsag-
te,siehabeihreKontakteüberFreundeauf-
gebaut, nicht über ihren Vater.
Ähnlich lag der Fall bei einem jungen
Chinesen, der sich um ein Praktikum be-
warb. Nach dem Bewerbungsgespräch
schrieb ein Manager, er sei „wohl einer der
schlechtesten Bewerber gewesen“. Den-
noch bekam er sein Praktikum, wobei sich
die Vorbehalte gegen ihn bestätigten. Er
sei „grün“ und „nicht der Hellste“, hieß es.
Trotzdem durfte er bleiben, sogar länger,
weil „Onkel Zhang“ sein Fürsprecher war.
Und Zhang ließ sich selten beirren. Zwar
hatte ihn jemand gewarnt, dass der junge
Mann zu den Schwächsten gehörte. Aber
Zhangwusstewohl,dassdieElternzurFüh-
rung chinesischer Staatskonzerne gehör-
ten. Also antwortete er, man solle ihn ein-
stellen und „das Beste daraus machen“.
ZeitweiseverdrängtendieKindermäch-
tiger Chinesen Mitarbeiter, die bereits zur
Belegschaft gehörten. Im Herbst 2010
tauchte ein Bewerber auf, dessen Vater in
der Erdölindustrie einflussreich war. Die
Manager der Deutschen Bank waren so
erpicht darauf, ihn einzustellen, dass sie
bereit waren, Mitarbeiter rauszuwerfen.
Ein Mentor gab den Befehl, den Mann „so-
fort“ einzustellen, und, wenn nötig, „Leute
zu feuern, um Platz zu machen“.

Josef Ackermann, der damalige Vor-
standschef,hatsichoftalsSaubermannge-
geben. Im Jahr 2007, als Siemens von der
Schmiergeld-Affäre eingeholt wurde, sag-
te er: „Wenn in der Deutschen Bank syste-
matisch solche Dinge aufbrechen würden,
würdeichmorgenzurücktreten.Dennent-
weder war ich Teil davon, dann gehöre ich
sowieso weg, oder ich habe es nicht ge-
wusst, dann habe ich nicht geführt.“ We-
gen der fragwürdigen China-Vorgänge bei
der Deutschen Bank konnte Ackermann
freilich nicht zurücktreten – denn als diese
2014und2015aufgearbeitetwurden,hatte
er die Bank schon verlassen.
Das Verhältnis zwischen Ackermann
undseinemChina-ChefLeeZhangwirftet-
liche Fragen auf. Ackermann wusste, dass
Zhang bis an die Spitze des chinesischen
Staats vernetzt war. „Lee Zhang war gut
darin, Treffen mit hochrangigen Leuten zu
organisieren, etwa mit dem Präsidenten
oder dem Premierminister, das war seine
Stärke“, gab Ackermann 2014 in einem Te-
lefonat mit den Aufklärern einer externen
Anwaltskanzlei zu Protokoll. Er habe ge-
wusst,dassZhangundder SohndesPremi-
ers, Winston Wen, „gute Freunde“ gewe-
sen seien, und dass diese Freundschaft
Zhang geholfen habe, Zugang zu hochran-
gigen Gesprächspartnern zu bekommen.
Er glaube aber nicht, sagte Ackermann,
dass es zwischen Lee Zhang und Winston
Wen um Geld gegangen sei.
War das nicht naiv? Lag der Verdacht
nichtnahe,dasshochrangigeKaderinChi-
na geschmiert wurden? Ein Ex-Vorstand
der Deutschen Bank hat im Rahmen der
Untersuchung ausgesagt, er und Acker-
mann hätten sich zeitweise Sorgen ge-
macht,wieZhangseineGeschäfteeinfädel-
te und ob da womöglich „Geld in Umschlä-
gen“herumgereichtwürde.Ackermanner-
klärtheute,erkönnesichaneinsolchesGe-
sprächnichterinnern.„Hätteichmirwirk-
lichsolcheSorgen gemacht,sohätteichAb-
hilfe geschaffen.“
Lee Zhang hat die Deutsche Bank im
Jahr2010verlassen.2014verklagtesieihn,
weil er knapp vier Millionen Dollar verun-
treut habe. Zhang bestritt das. Der Fall der
Briefkastenfirma Speedy Link spielte in
dem Verfahren keine Rolle.
InseinenspäterenJahrenalsVorstands-
chef soll Ackermann immer mehr erpicht
darauf gewesen sein, auf seinen Auslands-
reisen wichtige Politiker zu treffen. Wenn
dies nicht gelang, war er offenbar sehr ent-
täuscht. Angeblich schrie er dann sogar
Mitarbeiter an, weil auf seinem Reiseplan
kein Treffen mit einem Staatspräsidenten
stand– so hat es zumindest ein hochrangi-
ger Ex-Mitarbeiter Ackermanns erzählt.
Ackermann erklärt heute, es sei nicht
seine Art, andere anzuschreien. Er habe
nie Probleme gehabt, wichtige Politiker zu
treffen. In China jedenfalls, schreibt Josef
Ackermann, habe es nie einen Grund zur
Klage gegeben.

Mitarbeit: Petra Blum

Die Abteilung Compliance


recherchierte und äußerte ernste


Bedenken. Aber: keine Chance


Eine der vielen Fragen:


Für wie naiv soll man
Josef Ackermann halten?

Die große Massage


Hifi-Anlagen, Kristalltiger, Luxustaschen, Kaschmirmäntel,


Schokolade, Wellness, Wein, Beraterhonorare


und dazu ein schicker Job fürs Kind: Wie sich die Deutsche Bank


in China an die Funktionäre ranwanzte


von christoph giesen, nicolas ri chter und meike schr eiber


„Mister China“ war gut zu


gebrauchen.Er wusste, wen


man wie verwöhnen konnte


DEFGH Nr. 238, Dienstag, 15. Oktober 2019 (^) DIE SEITE DREI HF2 3
Geschenk
ILLUSTRATION: STEFAN DIMITROV

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