Die Welt - 19.10.2019

(Nora) #1

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19.10.19 Samstag, 19. Oktober 2019DWBE-HP


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DIE WELT SAMSTAG,19.OKTOBER2019 SEITE 22

WISSEN


U


m ein Selfie zu machen,
richtet man die Kamera
seines Smartphones auf
sich und drückt auf den
Auslöser. Oder man macht
es wie Randall Munroe, denkt über zu-
nächst das Sichtfeld, den Bildwinkel
und perspektivische Verzerrungen nach


  • und kommt zu dem Schluss, dass man
    für ein optimales Ergebnis am besten
    anderthalb Meter lange Arme haben
    sollte. Oder einen Selfie-Stick.
    Derlei Überlegungen haben Munroe
    berühmt gemacht. Er erklärt der Welt
    seit 13 Jahren die Welt – mit Naturwis-
    senschaften, subtilem Humor und
    Strichmännchen. Sein Comic „xkcd“
    zählt zu den 3000 meistbesuchten Web-
    sites; sein Buch „What if – Was wäre
    wenn?“ wurde auch in Deutschland ein
    Bestseller. Gerade ist der 35-Jährige mit
    seinem neuen Buch „How to – Wie
    man’s hinkriegt“ durch die USA und Eu-
    ropa getourt; viele Lesungen waren aus-
    gebucht. Zum Interviewtermin in einem
    Berliner Hotel erscheint Munroe leicht
    erkältet – eines der wenigen Alltagspro-
    bleme, für die er noch keine absurde,
    wirkliche wissenschaftliche Lösung hat.


VON CÉLINE LAUER UND CLAUDIA LIEBRAM

WELT: Niemand kann den ganzen Tag
lustig sein. Wie dürfen wir uns Ihren
Arbeitstag vorstellen?
RANDALL MUNROE: Ganz unterschied-
lich. Ich verbringe sehr viel Zeit damit,
seltsame Dinge zu lesen. Oft fängt es da-
mit an, dass mir Leute Fragen schicken
und ich neugierig werde. Oder ich will
etwas herausfinden. Die meiste Zeit ver-
bringe ich also mit der Suche nach der
Antwort. Der Witz dazu fällt mir oft erst
ein, wenn ich schreibe. Vorher verliere
ich mich regelmäßig in Wikipedia. Ich
schlage etwas nach, dann klicke ich auf
einen Link, dann auf den nächsten und
auf den nächsten... Da gab es zum Bei-
spiel einmal die Frage nach den Niagara-
fffällen. Ein Leser wollte wissen, was pas-ällen. Ein Leser wollte wissen, was pas-
siert, wenn man die Niagarafälle durch
einen Strohhalm trichtern würde.

Das klingt nach einer relativ einfach zu
beantwortenden Frage: Man braucht
das Volumen des Wasserfalls und die
Fläche des Strohhalms und berechnet,
wwwie schnell das Wasser fließen muss.ie schnell das Wasser fließen muss.
Ja, aber die Geschwindigkeit wäre riesig.
Man würde damit einen Wasserstrahl
erzeugen, dessen Wucht die Welt zer-
stören würde. Man kann das also nicht
wirklich machen. Und so sind eine Men-
ge der Fragen, die ich bekomme. Viele
Leute hoffen übrigens auch, eine mög-
lichst dramatische Antwort zu erhalten,
deren Szenario ähnlich verheerend aus-
fällt wie in einem Katastrophenfilm.

Könnte es sein, dass Sie sich das Le-
ben kompliziert machen?
Nein, ich bekomme ja auch komplizierte
Fragen. Ein Freund zum Beispiel wollte
die Ameisen in seinem Haus auf dem
Land loswerden. Gift konnte er nicht
auslegen, weil er kleine Kinder hatte,
die auf dem Fußboden herumkrabbel-
ten. Seine Idee war deshalb, einen Lava-
graben um sein Haus zu bauen. Ich be-
fürchtete zwar Probleme mit dem Be-
bauungsplan oder mit den örtlichen Be-
amten, aber im Prinzip hätte er das tun
können. Doch wie viel würde das wohl
kosten? Das Teuerste daran wäre nicht
das Gestein, aus dem die Lava ist, son-
dern die benötigte Wärme, um sie flüs-
sig zu halten. Ich suchte mir also die
Wattzahl aus Studien zusammen und
berechnete: Watt pro Quadratmeter
mal Länge mal Breite. So erhielt ich eine
Antwort in Watt. Das Ergebnis multipli-
zierte ich mit dem Preis für Elektrizität,
sagen wir 13 Cent pro Kilowattstunde.
Meinem Freund konnte ich antworten:
Das kostet ungefähr 25.000 Dollar pro
Tag. Das war ihm dann doch zu teuer.

In Ihren Büchern stellen Sie viele ab-
surde Berechnungen dieser Art an.
Für jemanden, der keinen Spaß daran
hat, mache ich eine Menge Mathematik.
Weil sie mich Fragen beantworten lässt,
auf deren Antworten ich neugierig bin.
Ich habe lieber Physik studiert, das ist
mehr angewandte Wissenschaft. In der
Mathematik sind die Probleme zu weit
vom echten Leben entfernt, selbst von
dem, das ein Mathematiker hat.

Und Ihre Probleme sind realer?
Ich überlege immer, welche Alltagsauf-
gaben ich besser lösen könnte. Zum Bei-
spiel, wie ich anders umziehen könnte.
Ich hasse Umzüge nämlich, die dauern
immer so lang. Also überlegte ich: Wel-
che anderen Wege könnte es dafür ge-
ben, die vielleicht nicht einfacher sind,
aber die mich nicht so langweilen? Wa-

rum soll ich all mein Zeug in Kisten pa-
cken und die aus dem Haus tragen? Ich
könnte doch einfach das ganze Haus an-
heben und es an den neuen Ort bringen.

Das ist doch auch keine sehr reale Lö-
sung ...
Nein, aber sie zeigt, wie man Häuser an-
hebt oder wie viel Gewicht Helikopter
heben können. Selbst wenn die Lösun-
gen, die ich habe, nicht hilfreich sind,
zeigen sie, wie man Mathematik auf
normale Probleme anwenden kann.
Oder wie man prüft, ob eine Idee gut
oder schlecht ist.

Viele vertrauen der Forschung nicht
mehr. Ist es da nicht kontraproduktiv,
völlig absurde Szenarien zu erklären?

Ich glaube nicht, dass es da einen Zu-
sammenhang gibt. So oft ich absurde
Szenarien finde, die Realität ist immer
noch absurder.

Wir leben aber nun mal in einer Zeit,
in der wissenschaftliche Fakten oft
nur noch als eine Meinung unter vie-
len gelten. Wie gehen Sie damit um?
Ich glaube, es gibt ein generelles Pro-
blem mit alternativen Fakten und
Falschinformationen, das nicht nur die
Wissenschaft betrifft. Schauen Sie in
die Nachrichten, da passiert mit Fake
News genau dasselbe. Ich habe darauf
keine Antwort. Viele Leute glauben
zwar, wir müssten nur lernen, rationa-
ler und kritischer zu sein und unsere In-
formationsquellen zu prüfen. Nur: Ich

glaube nicht, dass wir wirklich unkriti-
scher oder dümmer geworden sind.
Vielleicht haben wir einfach noch keine
Lösung dafür, wie wir Menschen bei-
bringen, nicht an Propaganda zu glau-
ben. Das betrifft Fake News im Allge-
meinen, aber auch ganz konkret The-
men, bei denen sich der öffentliche
Wissenschaftsbegriff stark von der
Sichtweise der Wissenschaftler unter-
scheidet – das größte davon ist sicher-
lich der Klimawandel.

Wie finden Forscher wieder Gehör?
Braucht es mehr Wissenschaftler, die
der breiten Öffentlichkeit ihre Arbeit
auf verständliche Weise erklären?
Zum einen glaube ich nicht, dass das
sinnvoll wäre. Denn Wissenschaftler

haben schon genug zu tun: Sie sind For-
scher, keine öffentlichen Redner oder
Pädagogen. Um diese Lücke zu schlie-
ßen, braucht es Menschen, die über
Wissenschaft kommunizieren – also das
tun, was auch mein Job ist. Zum ande-
ren weiß ich gar nicht, ob diese Schnitt-
stelle das ist, was zwischen Wissen-
schaft und Öffentlichkeit schiefläuft.

Wie meinen Sie das?
Es hat schon immer Leute gegeben, die
versucht haben, den Menschen wissen-
schaftliche Themen näherzubringen.
Denken Sie an den Vizepräsidenten Al
Gore und an seine Dokumentation über
den Klimawandel. Trotzdem haben sol-
che Formate nicht die Krise der Wissen-
schaft in den USA verhindern können.
Ich glaube deshalb, dass diese Krise vor
allem auch ein politisches Problem ist.

Das müssen Sie bitte erklären.
Ich glaube, dass es Industrien wie etwa
die Branche der fossilen Brennstoffe
gibt, die im letzten Jahrzehnt begonnen
haben, sich politisch zu engagieren und
Falschinformationen zu verbreiten. Sie
haben ein sehr politisches Thema aus
dem Klimawandel gemacht, indem sie
die Leute davon überzeugt haben, dass
man sie hinters Licht führen wolle. Die-
se Lobbyisten gehen so weit, dass sie
Klimawissenschaftler – Freunde von
mir – angreifen und in Artikeln behaup-
ten, dass sie schlechte Forscher seien.
Das liegt aber weder an deren Wissen-
schaft, denn die ist bereits sehr gut,
noch an ihrer Kommunikation, denn
diese Forscher reden sehr klar über ihre
Arbeit. Es ist eine politische Angelegen-
heit – weil die Gesellschaft immer mehr
in diese Lager gespalten wird.

Würden Sie sich angesichts dessen
wünschen, dass die Wissenschaftler
ihre Stimme erheben und politischer
werden würden?
Vielleicht. Aber dann wiederum frage
ich mich, ob das nicht dazu führen wür-
de, dass die Leute der Wissenschaft
noch weniger vertrauen, wenn sie sich
mit der Politik vermischt.

Wie diskutieren Sie mit Ihren Lesern?
Es gibt sehr kluge Menschen, die mein
Zeug lesen. Das ist sehr einschüchternd.
Wenn jemand dagegen einfach behaup-
tet, dass ich ein Büttel der Demokraten
sei, weiß ich auch nicht, wie ich ihn von
dieser Überzeugung abbringen soll.
Aber Katharine Hayhoe, eine der füh-
renden Klimawissenschaftlerinnen des
Landes und eine sehr intelligente Per-
son, hat viel dazu geforscht, wie man
mit Menschen über Wissenschaft
spricht, die anderer Meinung sind. Sie
sagt: Man muss erst an das Herz heran-
kommen, bevor man den Kopf mit Fak-
ten erreicht.

Warum muss Wissenschaft eigentlich
überhaupt kompliziert klingen, wenn
es offenbar doch auch einfacher geht?
Wenn Sie forschen, werden Sie von Ih-
rem eigenen Unwissen verunsichert. Sie
wollen nicht zugeben, dass es Dinge
gibt, bei denen Sie sich nicht ganz si-
cher sind. Und Sie wollen nicht doof
wirken. Also versuchen Sie, komplizier-
te Begriffe zu nutzen – einerseits, weil
Sie präzise sein müssen und weil es
wichtig ist, genau zu sein. Aber anderer-
seits auch, weil Sie beweisen wollen,
dass Sie wissen, wovon Sie reden. So-
bald Sie dann aber mit jemandem reden
sollen, der diese Begriffe nicht kennt,
klingen Sie schnell überheblich. Und
das ist schlecht. Deswegen versuche ich,
den Lesern zu vermitteln: Es ist in Ord-
nung, Dinge nicht zu wissen. Das heißt
nicht, dass man dumm ist.

Und was versuchen Sie den Wissen-
schaftlern zu vermitteln?
Redet nicht mit den Leuten, als seien
sie ungebildet. Sprecht mit ihnen.
Stellt euch vor, dass sie einen Job ha-
ben und dass sie sehr beschäftigt sind.
Sie haben keine Zeit, etwas über Klima-
wissenschaften oder über die Ozon-
schicht oder über Ernährung zu lernen.
Ich halte es für anmaßend, zu behaup-
ten, dass jeder etwas darüber wissen
muss. Man kann einfach nicht alle
Menschen dazu bringen, mehr darüber
wissen zu wollen. Aber wenn ich ein
bisschen Aufmerksamkeit von jeman-
dem erhalte, ist das ein Privileg, und
ich sollte versuchen, ihn dafür mit den
besten Informationen zu versorgen
und möglichst viel auf einfache Art zu
erklären – ohne davon auszugehen,
dass dieser Mensch mich ja eh nicht
versteht. Denn die Leute kennen sich
vielleicht nicht mit Wissenschaft aus,
aber sie merken sehr wohl, ob jemand
sie für dumm hält.

RANDOMHOUSE.COM;

MUNROE RANDALL

„Die Realität ist


immer noch ABSURDER“


Randall Munroe erklärt der Welt die Welt – mit Strichmännchen. Der Autor des Webcomics


„xkcd“ begeistert auch in Deutschland Laien für Wissenschaft. Ein Gespräch über selbst


gebaute Lavagräben, arrogante Forscher und Aufklärung in Zeiten „alternativer“ Fakten


WISSENSCHAFTSREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 719 50|E-MAIL: [email protected]|INTERNET: WELT.DE/WISSENSCHAFT

Randall Munroe,geboren 1984 in
Pennsylvania, ist Erfinder des
Webcomics „xkcd“ und Buch-
autor. In „How to – Wie man‘s
hinkriegt“ gibt er Antworten auf
Alltagsfragen – wissenschaftlich
korrekt, aber nur selten anwend-
bar. Munroe arbeitete nach sei-
nem Physikstudium als Ingenieur
bei der Nasa. Porträtfotos von
sich mag er nicht besonders.

Zur


Person


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