Berliner Zeitung - 19.10.2019

WenndieArbeitzurSuchtwird

WoranSiemerken,dassSiegefährdetsindundwieSiesichbremsenlernen

VonMarieWachsmuth

T

üchtig oder süchtig?“Mit

diesem Kapitel in ihrem

Buch„Lass mal alles aus!“

trifft Cordula Nussbaum

einen wunden Punkt derGesell-

schaft. Denn für viele Arbeitsneh-

mer stellt sich heutzutage mehr

dennjedieFrage:WievielArbeitist

eigentlich noch gesund?Im In ter-

view spricht dieBuchautorin über

das Phänomen Arbeitssucht, was

diese ausmacht und wann man sie

bekämpfensollte.

Gibt es tatsächlich eine Arbeits-

Sucht, vergleichbar mit einerAlko-

holabhängigkeit?

Ja,die gibt es tatsächlich.Unbe-

merkt rutschen wirrein, zunächst

ausder Freudeam Tunoderumun-

angenehmenSi-

tuation zu ent-

fliehen –und

plötzlich ist Ar-

beiten unser

einzigerLebens-

inhalt gewor-

den, der uns

Glücksgefühle

verschafft. Ähn-

lichwiebeieiner

Sucht schüttet

unser KörperGlückshormone aus,

wenn wir etwas leisten.Undwird

unruhig, wenn wir gerade mal

nichtstun.

Im Volksmund spricht man von

Workaholic –ein eher abwertender

Begriff.Sollte man sich nicht glück-

lich schätzen, wenn man in seinem

Jobaufgeht und nicht jedenTag

schon beimFrühstück den Feier-

abendherbeisehnt?

Ja,definitiv dürfen wir glücklich

sein,wennwirinunsererArbeitauf-

gehen–daswünscheichjedemBe-

rufstätigen!UndimJ obaufgehenbe-

deutet ja nicht gleich arbeitssüchtig

zusein. SolangeSieabschaltenkön-

nen, solangeSieFreude daran ha-

ben, sich mitFreunden zu treffen

und solangeSieein Hobbyhaben

odereinfachnurSpaßmit IhrenKin-

dernoderdemPartnerhaben,ohne

dassdamiteinZweckerfülltwird,so-

langeistallesimgrünenBereich.

Woranerkenne ich, dass ich süchtig

nachArbeitbin?

Für meinBuch habe ich einen

kleinenSelbst-Checkentwickelt,der

beimErkennenhilft.FragenSiesich

beispielsweise,obS ie gerne länger

als geplant arbeiten undAufgaben

mitindenUrlaubnehmen.Denken

Siehäufigdarübernach,wieSiesich

noch mehrZeit für Arbeiten frei-

schaufeln könnten?Fehlt es Ihnen

an Gesprächsthemen sobald es sich

nicht um Arbeit dreht? ArbeitenSie

manchmal heimlich, damitIhre Fa-

milie es nicht merkt?Dies sind gute

Indikatoren.

Warumsollteichdasändern?

Persei stnichtsgegeneinhohes

Leistungslevel und ein „Leben für

den Job“ zu sagen.Wenn es Sie

glücklich macht, undSiedenken,

auch in 20 oder 30Jahren werden

Siestolz und glücklich auf diese

Zeit zurückblicken–gof or it! Weil

aber Arbeitssucht häufig nur ein

Fluchtverhaltenist,undwirdenei-

gentlichenProblemen in unserem

Leben davonlaufen, holt uns der

RaubbauanunseremKörperinder

Regel irgendwann ein.VieleWork-

aholics werden krank, bekommen

Ausschläge,Magengeschwüre,

Herzinfarkte .Weil ihnen der ge-

sunde Ausgleich zumDauer-Leis-

tenfehlt.

Undwiekannichdasändern?

Fragen Siesich: was übertünche

ich möglicherweise mit der Arbeit?

Vorwelchen Problemen laufe ich

davon? ÜberlegenSiesich dann,

wasSiedennSchönestunkönnten,

wennSiewenigerarbeitenwürden?

Welches Hobbywollen Sielernen?

Welche Menschen wollenSietref-

fen?SchaffeSiesichattraktiveAlter-

nativenzumArbeiten.Wenndasal-

lesschwerfällt,suchenSiesichUn-

terstützung bei einemCoach oder

einemMediziner,derSiegutbeglei-

tenkann.

Waspassiertmit Menschen, für die

die Arbeit der einzige Lebensinhalt

ist?

Diemeisten werden sehr ein-

sam. Denn vorlauter Arbeitenver-

gessen sie,sich um diePartner,die

Kinder,die Freunde,die Familie zu

kümmern.Unddie geben irgend-

wann mal auf. Schnell bistDu aus-

grenzt –und kompensierst dasVa-

kuum mit noch mehr Arbeit.Ein

Teufelskreis.

Werrund um die Uhr nur an die Arbeit denkt, tut seinem Körper auf Dauer nichts Gutes. IMAGO IMAGES

BUCHTIPP

Cordula Nussbaum

Lass mal alles aus!

Abschalten, loslassen, auftanken–kaum ein Zustand ist schwieriger zu erreichen. Dabei ist es

in unserem Alltag so wichtiggeworden, ab und zu diePause-Taste zu drücken–sowohl am

Computer oder Smartphone als auch mental. Dieses Buch gibt nützlicheTipps.

Cordula

Nussbaum

PR

NACHRICHTEN

Finanzspritzen für Azubis:

Diese Förderungen gibt es

AzubishabenAnspruchaufBerufs-
ausbildungsbeihilfe(BAB).Voraus-
setzung:DerAzubiwohntnichtbei
denEltern,undderBetriebistvom
Elternhausausnichtinangemesse-
nerZeiterreichbar.BABwirdbeider
AgenturfürArbeitbeantragtund
mussnichtzurückgezahltwerden.
DasBafögberechnetsichanhandder
Ausbildungsvergütung.Bafög-Leis-
tungenkommenfürAzubisaneiner
förderungsfähigenBerufsfachschule
infrage .DerSatzwir dindividuellbe-
rechnet.DerHöchstsatzliegtderzeit
bei825Euro.Azubiskönnenzudem
einenBildungskreditbeantragen.Die
KfW-Förderbankgewährtihndenje-
nigen,dieindenletzten24Monaten
ihrerAusbildungundzwischen 18
und35Jahrealtsind.Eristunabhän-
gigvomeigenenEinkommenoder
demderEltern.NacheinerFristvon
vierJahrenbeginntdieRückzahlung
inmonatlichenRatenvon120Euro.
(dpa)

Doktorarbeit solltekeine

Verlegenheitslösung sein

WereinenDoktortitelanstrebt,
solltedieDissertationausden
richtigenGründenangehen.Wer
eineDissertationangeht,weiler
keinenJobfindet,wirdauflange
Zeitnichtglücklichwerden.Be-
sondersinschwierigenMomenten
führedaszu Unzufriedenheitund
Zweifeln.ImschlimmstenFallbricht
derPromotionskandidatab,denn
eineDoktorarbeiterfordertvielAus-
dauerundDurchhaltevermögen.
AucheineDissertations-Anfragedes
ProfessorsistzwareineBestätigung,
sollteabernichtdereinzigeGrund
sein.Deshalbgilt:keineScheu,dem
Professorabzusagen,wennman
nichtendgültigüberzeugtist.(dpa)

DieTo-do-Liste mit der

Done-Liste ersetzen

MiteinerTo-do-ListedenArbeitsalltag
strukturieren-diesenTipphatnahezu
jederschonmalgehört.Zufriedener
machtaberwomöglicheineDone-
Liste,erklärtKarriereberaterinSimone
CardosodeOliveirainderZeitschrift
„UnicumBeruf“(Ausgabe03/2019).
AnstattsichimmerzuvorAugenzu
halten,wasnochalleszuerledigenist,
hältmanfest,wasmanbereitsge-
schaffthat.Daskanneineklassische
StichwortlisteseinoderHaftnotizen,
etwabeschriftetmit„Vortraggehal-
ten“.JelängerdieErledigt-Listewird,
destozufriedenerkannmanaufseine
Leistungzurückschauen.Abernicht
nursichselbstkannmanbeweisen,
wasmangeschaffthat.DasSystem
könntenBerufstätigeoderStudenten
auchdazunutzen,demChefoderPro-
fessordenaktuellenArbeitsstandei-
nesProjektsdarzulegen.(dpa)

Ab

zum

Betriebsarzt

DarfderChefeine

Untersuchunganordnen?

E

in Arbeitnehmer ist länger er-

krankt.DochnichtjederChefhat

dafürVerständnisundmöchteseinen

Mitarbeiter zur betriebsärztlichen

Untersuchung schicken. Darf der

ChefeinensolchenCheckanordnen?

Für dieseFrage ist zunächst der

Hintergrund vonBetriebsärzten

wichtig: „Sie haben eine gesetzlich

vorg eschriebeneFunktion, und die

ist, den Arbeitgeber bei Arbeits-

schutzmaßnahmen zu unterstüt-

zen“, erklärtJohannesSchipp,Fach-

anwaltfürArbeitsrecht.

„Hat ein Arbeitgeber dieVermu-

tung, dass jemand nicht mehr ar-

beitsfähigist,kannerdenMitarbeiter

aus Sicherheitsbedenken zur be-

triebsärztlichenUntersuchung schi-

cken“, so Schippweiter.Das könne

zumBeispielbeiSuchterkrankungen

vonArbeitnehmernderFallsein. Will

ein Arbeitgeber aber zumBeispiel

eine Krankmeldung überprüfen, in-

demerdenMitarbeiterzumBetriebs-

arztschickt,istdasunzulässig.

Zudem gilt: Auch Betriebsärzte

unterliegen der Schweigepflicht.

„Ohne ,dass der Arbeitnehmer den

BetriebsarztvonderSchweigepflicht

entbindet,bringteineUntersuchung

demArbeitgebernichtviel“,sagtder

Fachanwalt, der in der Arbeitsge-

meinschaft Arbeitsrecht des Deut-

schenAnwaltvereinstätigist.

Eine Entbindung vonder

Schweigepflicht könne sich aber

ausdenNebenpflichtendesArbeit-

nehmers in dessen Arbeitsverhält-

nisergeben.„SiemüssendenAr-

beitgeber allerdings auch dann

nichtüberalleDetailsinformieren,

sondernnursoweit,wieesfürdas

Arbeitsverhältnisrelevantist“,er-

klärtderFachanwalt.Esgehevoral-

lemumdieFrage:DarfeinMitar-

beitermitHinblickaufeventuelle

Sicherheitsbedenkennocharbeiten

odernicht?(dpa)

Unter Umständen kann der Arbeitgeber

eine Untersuchung anordnen. IMAGO IMAGES

arrŠkrk

B4 Berliner Zeitung·Nummer 243·19./20. Oktober 2019 ·························································································································································································································································································

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