Süddeutsche Zeitung - 24.10.2019

(Nora) #1
München– StädtischeMitarbeiter erhal-
ten zum Jahreswechsel mehr Geld. Die Voll-
versammlung des Stadtrats hat am Mitt-
woch ohne Gegenstimmen die von Ober-
bürgermeister Dieter Reiter (SPD) initiier-
te Verdoppelung der München-Zulage ab-
gesegnet. Zuvor hatte sich die Stadt in drei
Verhandlungsrunden mit der Gewerk-
schaft Verdi auf den freiwilligen Aufschlag
geeinigt, der als Anerkennung und natür-
lich auch Lockvogel dienen soll und unbe-
fristet gezahlt wird.
Mit dem Geld sollen die hohen Lebens-
haltungskosten in München zumindest
teilweise ausgeglichen werden. In den un-
teren Lohngruppen, die bisher 135 Euro er-
hielten, beträgt die München-Zulage nun
monatlich 270 Euro. Höhere Gehaltsgrup-
pen, in denen bislang gar kein Bonus be-
zahlt wurde, können sich über 135 Euro
freuen. Miteinbezogen sind auch Nach-
wuchskräfte und Praktikanten, bei denen
140 Euro aufgeschlagen werden. Die Mitar-
beiter der Münchner Stadtentwässerung,
die bislang außen vor waren, kommen
vom 1. Januar an ebenfalls in den Genuss
der Zulage. Für Kinder gibt es noch etwas
oben drauf: 50 Euro in den unteren Lohn-
gruppen, 25 in den höheren.
Die Mitarbeiter der Stadtsparkasse pro-
fitieren nicht von dem Geldsegen aus dem
Rathaus, der den Etat mit jährlich rund
48 Millionen Euro belastet. Die Sparkasse
sieht sich in hartem Wettbewerb mit diver-
sen Finanzdienstleistern und verfüge oh-
nehin über eine andere Lohnstruktur. Per
Brief an Ministerpräsident Markus Söder
(CSU) regt Reiter zudem an, auch für in
München tätige Beamte eine verbesserte
Zulage zu bezahlen. Die Gewerkschaft Ver-
di plädiert dafür, die aufgestockte Mün-
chen-Zulage auch in Organisationen zu
zahlen, die mit städtischen Zuschüssen ge-
fördert werden. dh

Nach frühem Nebel scheint die Sonne. Im
Tagesverlauf ziehen Wolken auf.
 Seite R14


22 °/11°


Sieht nicht gut aus, attestierten CSU-Politiker der
jüngst zurFußgängerzone umgepflasterten Send-
linger Straße. Mangels adäquater Grünausstattung war sogleich von einer Betonwüste
die Rede. Und das in Zeiten heftiger Klimadebatten, in denen doch jeder Beitrag zum
Abbau der CO2-Belastung willkommen ist. Die Kritik war allerdings unberechtigt be-
ziehungsweise – freundlicher ausgedrückt – sie galt nur temporär. Denn nun haben,
unterstützt durch einen Kran, Arbeiter in den bereits vorbereiteten Pflanzkästen jun-

ge Bäume eingesetzt. Die verlieren zwar bereits ihre Blätter, dies dürfte aber der Jahres-
zeit zuzuschreiben sein, in der Laubbäume zu einem derartigen Verhalten neigen. Für
Autos gesperrt ist die äußere Sendlinger Straße schon seit einer Weile. Aber weil das
Fußgänger-Revier zunächst nur als Versuch gedacht war, blieb die Oberfläche zu-
nächst optisch unverändert – bis klar war, dass weder Parken noch motorisiertes
Durchfahren wieder erlaubt werden sollen. Der innere Teil der Sendlinger Straße wur-
de schon vor mehreren Jahren umgestaltet. DH/FOTO: STEPHAN RUMPF

von thomas anlauf

München– DasSozialreferat unter der Lei-
tung von Dorothee Schiwy gerät wegen ei-
ner wanzenverseuchten Münchner Flücht-
lingsunterkunft zunehmend unter Druck.
Am Montag attestierten Notärzte der Kin-
derklinik der Universität, dass ein einjähri-
ges und ein zweijähriges Kind einer nigeria-
nischen Familie eine „toxische Wirkung
durch Kontakt mit giftigen Tieren“ erlitten
hätten. Die Eltern der Kinder sagten, dass
es sich bei dem Stich nicht um Bettwanzen,
sondern um den Befall anderer Insekten
handeln müsse. Nun fordert der Rechtsan-
walt der anerkannten Flüchtlingsfamilie
von Schiwy, „sich unverzüglich der Angele-
genheit anzunehmen und für eine Unter-
bringung meiner Mandanten zu sorgen,
die nicht deren Gesundheit verletzt bezie-
hungsweise weiter gefährdet“.
Die sogenannte dezentrale Gemein-
schaftsunterkunft der Stadt steht seit zehn
Tagen in der Kritik, nachdem dieSüddeut-
sche Zeitungüber den massiven Befall von
Bettwanzen in dem Flüchtlingsheim be-
richtet hatte. Dort leben nach Angaben des
Sozialreferats knapp dreihundert Geflüch-
tete. Viele von ihnen könnten eigentlich
ausziehen, weil ihr Asylantrag anerkannt
wurde. So wie bei der fünfköpfigen Familie
aus Nigeria. „Sie suchen verzweifelt eine
Wohnung, aber sie finden nichts“, sagt ihr
Anwalt Franz Bethäuser. Eine weitere vier-
köpfige Familie aus Ostafrika ist ebenfalls
betroffen. Sie hat sogar seit dreieinhalb
Jahren eine Aufenthaltserlaubnis in
Deutschland. Doch auch sie muss in der Un-
terkunft bleiben und mit den Bettwanzen
leben.

Das Sozialreferat weiß von dem Pro-
blem in der Unterkunft seit mehr als zwei
Jahren. Erstmals wurde das Amt am 17. Au-
gust 2017 von einem Bettwanzenbefall in-
formiert, es sei „unverzüglich“ ein Schäd-
lingsbekämpfer beauftragt worden. Trotz-
dem war das Problem nicht in den Griff zu
bekommen – bis heute. Derzeit seien 55
Zimmer von Ungeziefer befallen, 33 Räu-
me, in denen jeweils eine Familie wohnt,
seien derzeit in Behandlung, heißt es in ei-
ner Beschlussvorlage des Sozialreferats.
Erst ein Jahr nach dem Auftreten der Bett-
wanzen gab es eine erste Informationsver-
anstaltung für Mitarbeiter des Sozialrefe-
rats und der dortigen Asylsozialbetreuung

der Arbeiterwohlfahrt (Awo) zu Befall, Aus-
breitung, Vermeidung und Bekämpfung
von Bettwanzen. Es dauerte fast ein weite-
res Jahr, bis im Juli 2019 ein Aktionsplan
aufgestellt und dem für Schädlinge zustän-
digen Referat für Gesundheit und Umwelt
(RGU) zugeschickt wurde.
Die wichtigste Maßnahme: Die von Bett-
wanzen betroffenen Bewohner sollen
wenn möglich ein neues Zimmer in der Un-
terkunft bekommen, wenn der beauftrag-
te Schädlingsbekämpfer alle zwei Wochen
vorbeischaut. Allerdings sollen sie dann
möglichst im fünften Stock untergebracht
werden, der laut Sozialreferat „als Notfall-
reserve deklariert“ wird. Wohlgemerkt:
Dort müssen nun zwischenzeitlich auch
Menschen untergebracht werden mit klei-
nen Kindern, die seit Jahren anerkannt
sind und keinen Flüchtlingsstatus mehr ha-
ben. Das gesamte Gebäude, das eigentlich
ein Bürokomplex ist, sollte ursprünglich

„nach Abflauen des starken Zuzugs
2015/2016 zumindest den Mindeststan-
dards“ gerecht werden. Das Haus sollte al-
lerdings bereits vor zwei Jahren geschlos-
sen werden, das sei aber „aufgrund fehlen-
der Bettplatzkapazitäten“ in alternativen
Unterkünften nicht möglich. Nun soll die
verwanzte Unterkunft, die endgültig im
kommenden Februar aufgegeben werden
sollte, noch ein Jahr länger weiterbetrie-
ben werden. Im November soll dazu der
Stadtrat einen Beschluss fassen.

Sozialreferentin Dorothee Schiwy ver-
weist einerseits darauf, dass nicht damit
zu rechnen ist, die Unterkunft jemals von
Wanzen befreien zu können, hält die „Ver-
hältnisse vor Ort dennoch für zumutbar“,
wie es in der Beschlussvorlage heißt.
Schließlich gebe es auch in Hotels und
Berghütten „immer wieder“ Bettwanzen.
Der Unterschied: Der Deutsche Alpenver-
ein und seine Pächter schließen dann so-
gar monatelang ganze Hütten wie vor zwei
Jahren das Pürschlinghaus; die Menschen
in der Unterkunft an der Hofmannstraße
müssen hingegen mit dem Ungeziefer le-
ben, mittlerweile seit Jahren.
Die Sprecherin der Münchner Wohl-
fahrtsverbände Andrea Betz räumt ein,
dass es Wanzen „ab und an auch in ande-
ren Einrichtungen gibt. Dort ist das Pro-
blem aber meist relativ schnell wieder im
Griff.“ In der Hofmannstraße scheinen
nach Ansicht der Flüchtlingsexpertin die
baulichen Verhältnisse jedoch so widrig zu
sein, „dass die Wanzen zu einer unbesieg-
baren Plage wurden“. Das Argument, dass
es zu wenig Unterkunftsplätze und Wohn-
raum in München gebe, dürfe nicht dazu
führen, dass insbesondere Kinder und Ju-
gendliche unter der Belastung leiden. „Wir
senken unsere sozialen Standards, die es
im Münchner Unterbringungssystem gibt,
wenn wir das weiter zulassen.“
Das Sozialreferat teilt unterdessen mit,
dass es im Fall der von Stichen gequälten
Familie „keinerlei Hinweise auf eine Belas-
tung des Zimmers durch Ungeziefer oder
Insekten“ ergeben habe. Man habe der be-
troffenen Familie dennoch einen Zimmer-
tausch angeboten – innerhalb des verwanz-
ten Bürogebäudes.

Stadt spendiert


Mitarbeiternmehr Geld


NR. 246,DONNERSTAG, 24. OKTOBER 2019 PGS


Ihr Lokalteil auf Tablet und Smart-
phone:sz.de/zeitungsapp

München– Eine 18-jährige Schülerin aus
München ist in der Nacht zum Sonntag im
Herzog-Wilhelm-Park vergewaltigt wor-
den. Die junge Frau hatte am Rathaus-
Clubbing teilgenommen und war gegen
1.45 Uhr in der Altstadt unterwegs. Am Her-
zog-Wilhelm-Park kam sie mit einem
Mann ins Gespräch. Als sie diesem mitteil-
te, dass sie durstig sei, aber kein Geld dabei
habe, bot ihr der Mann an, in einer nahe ge-
legenen Tankstelle etwas zu trinken zu kau-
fen. Er forderte sie auf zu warten, gleichzei-
tig versuchte er, die 18-Jährige zu küssen,
ihr unters T-Shirt zu fassen und ihre Hose
zu öffnen. Als sie ihn zurückwies, schlug
ihr der Mann ins Gesicht. Danach zog er
der Frau die Hose bis zu den Knien herun-
ter und vergewaltigte sie. Die Schmerzens-
schreie der Schülerin machten Passanten
aufmerksam. Der Täter ergriff die Flucht.
Sein Opfer wurde mit einem Rettungswa-
gen ins Krankenhaus gebracht.
Mehr als 20 Polizeistreifen fahndeten
kurze Zeit später nach dem Tatverdächti-
gen. Die Suche blieb zunächst erfolglos,
aber immerhin konnten die Beamten Vi-
deoaufzeichnungen sicherstellen, die den
Bereich des Tatorts zur fraglichen Zeit zeig-
ten. Am folgenden Montag kam ein 29-jäh-
riger anerkannter Flüchtling aus Afghanis-
tan in die Polizeiinspektion 11, weil er we-
gen früherer Straftaten Meldeauflagen zu
erfüllen hatte. Da er nach Auswertung des
Videos tatverdächtig war, wurde er festge-
nommen. Mittlerweile hat der Ermittlungs-
richter Haftbefehl erlassen. wg

In der Regel berichtet die SZ nicht über ethnische,
religiöse oder nationale Zugehörigkeiten mutmaß-
licher Straftäter. Wir weichen nur bei begründetem
öffentlichen Interesse von dieser im Pressekodex
vereinbarten Linie ab. Wir entscheiden das im Ein-
zelfall.

Heute mit


Kostprobe


auf Seite R4


Die Flüchtlingsunterkunft in der Hof-
mannstraße steht schon lange in der Kri-
tik. FOTO: STEPHAN RUMPF

von heiner effern

W


er sich als Mitarbeiter eines grö-
ßeren Unternehmens noch nie
über verkochte Nudeln, labbri-
ges Fleisch und ganz grundsätzlich über
den Niedergang der Kantine beschwert
hat, der muss seine sozialen Kompeten-
zen überdenken. Eine solche Expertise ge-
hört zum guten Ton unter Kollegen und
muss nicht zwingend mit der Qualität der
Speisen zu tun haben. Ähnlich hart wie
die Köche leiden sonst nur die IT-Exper-
ten, die bekanntlich auch nie etwas auf
die Reihe bekommen. Politiker wieder-
um dürfen sich über das Essen nicht be-
schweren, weil sie zu jedem Anlass einge-
laden werden. Und dass sie mit moder-
nen Kommunikationsmitteln nicht umge-
hen können, belegt ein halbstündiger
Ausflug in die sozialen Medien. Doch sie
verfügen über einen adäquaten Ersatz:
Politiker haben die Verwaltung.
Die Mitarbeiter dort servieren nicht
nur labbrige Vorlagen, sie verteilen diese
nach wie vor auch durch in die Jahre ge-
kommenes, hemmungsloses Kopieren.
Die Verwaltung überschreitet dazu jede
gesetzte Frist, schreit ständig nach zu-
sätzlichen Kollegen und setzt natürlich
nur widerwillig um, was ihr die Politiker
vorgeben. Gelegentlich versuchen diese
durch überschwängliches Lob die Men-
schen in der Verwaltung zu verwirren,
was aber nie dauerhaft gelingt. Denn die
nächste Breitseite rückt die Beziehung
wieder zurecht.
Der Bezirksausschuss Untergiesing-
Harlaching zum Beispiel musste sich
jüngst wieder einmal wehren. Es ging um
ein paar neue Busspuren, die allerdings
alle in anderen Vierteln geplant sind. Wes-
halb das Gremium in der Oktobersitzung
folgerichtig die „Nichtbefassung“ be-
schloss, da der eigene Stadtbezirk nicht
betroffen sei. In der Stellungnahme
schickt der Vorsitzende Clemens Baum-
gärtner dann aber noch einen Gruß an die
Verwaltung mit: „Darüber hinaus möch-
ten wir mitteilen, dass sich der Bezirks-
ausschuss 18 auch grundsätzlich dage-
gen verwehrt, sich derart kurzfristig mit
solch umfangreichen Vorlagen auseinan-
der zu setzen“, heißt es in dem Schreiben
an das zuständige Wirtschaftsreferat.
Nicht bekannt ist, ob sich der Vorsitzende
Baumgärtner das Schreiben selbst ge-
schickt oder gleich mitgenommen und
auf den Schreibtisch seines Dienstbüros
gelegt hat. Im Hauptjob arbeitet Baum-
gärtner als Chef des Wirtschaftsreferats
der Stadt München.


Süddeutsche Zeitung München, Region und Bayern
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Auf dem Holzweg


Wanzengeplagt


Seit mehr als zwei Jahren weiß das Sozialreferat von Ungeziefer in einer städtischen Flüchtlingsunterkunft – nun
hat sich der Anwalt einer betroffenen Familie eingeschaltet. Wohlfahrtsverbände sorgen sich um soziale Standards

Die Zustände sind widrig,
so „dass die Wanzen zu einer
unbesiegbaren Plage wurden“

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