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BLUTIGES RITUAL Am Erdhügel ,.Mound 72 " erwürgten hochrangige Einwohner Cahokias wohl an einem einzigen Tag 53 junge
Frauen und verscharrten sie in einer Grube- so sollte vermutlich die Ordnung der Welt bewahrt oder wiederhergestellt werden
Jagdtier war klein, sein Kurs auf une
benen Grund schwer vorhersehbar -
und die Konkurrenz war groß. Dutzen
de Funde von Spielsteinen beweisen,
dass Chunkey (Tschang-ki ausgespro
chen) beliebt war bei den Bewohnern
Cahokias. Ihre Nachfahren werden es
noch Jahrhunderte später spielen.
Doch im Zentrum des Stadtlebens
stand ein anderer, blutiger Brauch:
Ihre Bewohner opferten Menschen.
Nicht bloß ab und zu und allein Kriegs
gefangene, wie es überall auf der Welt
geschah. Nein: Sie töteten reihenweise,
vor allem junge Frauen. Das blühende
Cahokia war auch ein Ort des To des.
Nichts zeigt das anschaulicher als
die grausige Entdeckung eines Archäo
logen namens Jerome Rose. In einem
Erdhügel, den Forscher "Mound 72"
nennen, entdeckte der Amerikaner
1970 die Überreste eines Spektakels,
das sich Ende des 11. Jahrhunderts zu
getragen haben muss. Aus dem Kontext
seiner Funde lässt sich das Geschehen
bis ins Detail rekonstruieren. 39 Frau
en und Männer stellen sich am Tag der
Hinrichtung an den Rand einer Gru-
be. Dabei blicken sie in Richtung ihrer
Mörder. Sie müssen mitansehen, wie
ihre Nachbarn in der Reihe in rascher
Folge mit einer Keule oder einem Stein
gegen den Kopf geschlagen werden und
rückwärts in die Tiefe fallen. Dann sind
sie selbst an der Reihe. Nicht alle Op-
Erdhügels zur Zeit des Massakers be
reits die Überreste von 53 Frauen lagen,
Opfer einer früheren Hinrichtung. Fast
alle waren zwischen 15 und 25 Jahren
alt gewesen. Ihre Henker hatten ihnen
die Kehle durchgeschnitten, sie vergif
tet oder erwürgt. Danach wurden ihre
Manche Opfer versuchen im
Todeskampf, ihrem Schicksal
noch zu entkommen - vergeblich
fer sind sofort tot. Manche krallen im
Todeskampf ihre Fingernägel in den
Boden der Grube, andere versuchen
herauszuklettern. Ve rgeblich. Als alles
vorbei ist, bedeckt Erde das Massengrab
und konserviert die toten Körper in ih
rer letzten Haltung.
Die grausame Szene spielte sich
aller Wahrscheinlichkeit nach nicht
im Geheimen ab. Von Ta usenden Zu
schauern bestaunte Hinrichtungen fan
den häufig statt. So war es wohl kein
Geheimnis, dass am Grund desselben
Leichen neben-und übereinander beer
digt. Sogar die Mörder selbst scheint die
große Anzahl an Toten überfordert zu
haben: Ihre letzten Opfer drückten sie
behelfsmäßig in die übervolle Grube.
Insgesamt barg allein der "Mound 72"
die Überreste von 270 Menschen.
Dazu zählt auch das Skelett eines
etwa 40 Jahre alten Mannes. Doch
dieser wurde nicht geopfert und ver
scharrt, sondern nach seinem Tod
sorgsam aufgebahrt auf einem Bett aus
20 000 Muschelschalen. Die kreisrund