P.M. History - 11.2019

(Nandana) #1

"Es bedarf keiner ausgefeilten phi­
lologischen Expertise, um im angebli­
chen Braun-Manuskript das gräfliche
Original wiederzuerkennen", urteilt der
Tiroler Historiker Roman Urbaner, der
sich intensiv mit Luis Trenkers Mach­
werk auseinandergesetzt hat.
Das Münchner Gericht verbietet
weitere Folgen der Serie unter dem Ti­
tel "Tagebuch der Eva Braun". Doch die
italienische und französische Überset­
zung sind bereits auf dem Buchmarkt.
Die englische und die holländische fol­
gen 1949. Im Jahr^2000 kommt es sogar
zu einer Neuauflage in England - im­
mer noch mit der Behauptung, es hand­
le sich um das "echte" Tagebuch.


B

ald nach dem Münchner Prozess
will der Publizist Hans Habe
nichts mehr davon wissen, das
Manuskript als eindeutig authentisch
eingeschätzt zu haben, und erklärt
1954 forsch, er habe in seinem Gutach­
ten sogar versucht, Trenkers "Fälschung
in die Suppe zu spucken". Und auch der
Verhökerer selbst fängt an� sich vom
Sensationsfund abzusetzen. Trenker
erklärt aus dem sicheren Italien, er blei­
be bei seiner Ve rsion über die Herkunft


Eva Braun


AN DER KURZEN LEINE Adolf Hitler 1942 mit Schäferhündin
Blondi, Geliebter Eva Braun und einem ihrer beiden Scottish
Te rrier. Offiziell war Hitler natürlich auch auf dem Berghof
immer im Dienst "für Volk und Vaterland" und das Foto, das ihn
1936 beim Aktenstudium zeigt, nach seinem Gusto

der Aufzeichnungen. Man könne ihn ja
"nicht dafür verantwortlich machen,
wenn die Memoiren nicht den Tatsa­
chen entsprechen". Bis er 1976 sogar so
weit geht, sich als armes Opfer darzu­
stellen: "Ich habe nie ein Tagebuch der
Eva Braun veröffentlicht, das war eine
Unterschiebung einiger Presseleute,
die die angeblichen Tagebuchnotizen
gegen meinen Willen veröffentlicht
haben, weil sie dieselben dann leichter
verkauft haben. Ich habe auch nie im
Leben etwas von einem Ta gebuch der
Gräfin Larisch gelesen oder gehört."
Zwischendurch verbreitet Trenker auch
mal eine halbherzige Entschuldigung:
Er habe mit dem Tagebuch "eigentlich
nur einen Jux mitgemacht".
Tatsächlich ist nicht endgültig zu
beantworten, ob Trenker das gefälsch­
te Ta gebuch selbst zu Papier gebracht
hat. Schon an seinen erfolgreichen
Berg-Epen schrieben Ghostwriter mit,
einige Romane verfassten sie womög­
lich in Gänze. Falls jemand anderer als
Trenker Eva Brauns Tagebuch dichtete,
ist der schillernde Südtiroler Journalist
Louis Barcata, ehemaliger Rom-Korres­
pondent des NS-Blatts "Das Reich", der
wahrscheinlichste Autor. Er war ein

Freund Trenkers und könnte ihm sei­
ne flotte Feder zur Verfügung gestellt
haben. "Die erotischen Fantasien, die
waren ein bisschen nach Barcatas Ge­
schmack", zitiert Historiker Urbaner
einen Zeitzeugen. Doch es gibt kaum
Zweifel, dass Trenker, wenn schon
nicht selbst Verfasser, dann zumindest
treibende Kraft hinter dem Betrug war.
Trenkers Ruf schadet die Sache
aber kaum. Schon in den 1960er- und
1970er-Jahren beschwört er wieder im
Fernsehen die Schönheit der Berge und
bringt in heiteren Serien alpiner Mach­
art sein markantes Gesicht ein. Er erhält
unter anderem das Komturkreuz der
Republik Italien, das Verdienstkreuz
Tirols und das Bundesverdienstkreuz.
Als er im Jahr 1990 hochbetagt in Be­
zen stirbt, weiß er, dass seine Autobio­
grafie den richtigen Titel trägt: "Alles
gut gegangen". •

Der tolle "Stern"-Podcast
"Faking Hitler" erzählt die
unfassbare Geschichte
der gefälschten Tagebü­
cher des Diktators. Mit
Original-Tondokumenten
von Te lefonaten zwischen der Redaktion
und dem Fälscher. Klare Hör-Empfehlung!
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