Die Welt - 23.10.2019

(Rick Simeone) #1

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23.10.19 Mittwoch, 23. Oktober 2019DWBE-HP


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4 POLITIK DIE WELT MITTWOCH,23.OKTOBER


D


ie Initiative kam überra-
schend, hat den Koaliti-
onspartner verärgert –
und ist doch nicht gänz-
lich ohne Vorgeschichte.
Fünf Tage bevor die Verteidigungsmi-
nisterin und CDU-Vorsitzende Anne-
gret Kramp-Karrenbauer am Montag-
abend ihren Vorschlag zur Einrichtung
einer internationalen Sicherheitszone
in Nordsyrien machte, hatte in Tou-
louse der deutsch-französische Minis-
terrat getagt. In dem Papier, das Kramp-
Karrenbauer und ihre französische
Amtskollegin Florence Parly am Mitt-
woch voriger Woche unterzeichneten,
versichern Deutschland und Frankreich
ihre Entschlossenheit, „während ihres
jeweiligen EU-Ratsvorsitzes (2020 und
2022) ambitionierte Ziele zu befördern,
um die Handlungsfähigkeit Europas im
Bereich der Verteidigung zu verbessern
und damit auch den europäischen Pfei-
ler der Nato zu stärken“. Auf die Auf-
nahme des Begriffs „Handlungsfähig-
keit“ ins Papierhabe AKK gedrängt, so
ist zu hören.

VON ANSGAR GRAW UND THOMAS VITZTHUM

Kramp-Karrenbauer ist nicht nur Mi-
nisterin und Parteichefin, sie gilt auch
als Kanzlerkandidatin im Wartestand.
Die kommenden Tage und Wochen wer-
den Auskunft geben, aus welcher Funk-
tion heraus sie ihre Idee der Sicher-
heitszone formuliert hat. Ging es der
Parteistrategin unmittelbar vor der
Thüringenwahl um kurzfristige positive
Punkte für das Imagekonto, das ange-
sichts etlicher ernüchternder Umfragen
zu ihren Zustimmungswerten derzeit
eher rote Zahlen aufweist? Oder hat
hier die Fachpolitikerin das Heft des
Handelns in die Hand genommen und –
erstmals mit deutschem Absender – ei-
ne europäische Initiative angestoßen,
nachdem die US-Truppen aus der Kur-
denregion abgezogen worden sind und
die türkische Armee dort eine blutige
Offensive gestartet hat? Bislang schien
sich Berlin darauf beschränken zu wol-
len, die Rückzugsentscheidung von Prä-
sident Donald Trump und ebenso das
Vorgehen des türkischen Präsidenten
Recep Tayyip Erdogan zu kritisieren,
aber jeden Gedanken an eine Übernah-

Recep Tayyip Erdogan zu kritisieren,
aber jeden Gedanken an eine Übernah-

Recep Tayyip Erdogan zu kritisieren,


me von Verantwortung in dem Gebiet
von sich zu weisen.
Russland immerhin will den Vor-
schlag der Christdemokratin für eine
international kontrollierte Sicherheits-
zone im Norden Syriens prüfen. Das sei
eine neue Idee, die sich Russland an-
schauen werde, sagte der Sprecher des
Präsidialamtes in Moskau, Dmitri Pes-
kow, laut Reuters. Auch die syrischen
Kurden begrüßten den Vorstoß. Kramp-
Karrenbauer hatte am Montag erklärt,
Deutschland und die EU müssten ihre
Rolle als „Zaungäste“ im Syrien-Kon-
flikt aufgeben. Eine internationale

Schutzzone solle sicherstellen, dass der
Kampf gegen die islamistischen IS-Mili-
zen fortgesetzt und zugleich ein ziviler
Wiederaufbau des Landes möglich ge-
macht wird. Mit anderen Worten: Ter-
roristen sollen ausgeschaltet und weite-
re Flüchtlinge nicht auf die Reise gen
Europa geschickt werden. Kramp-Kar-
renbauer hat dem Vernehmen nach eine
Mission europäischer Nato-Partner als
Ziel, an der sich neben Deutschland vor
allem Frankreich und Großbritannien
beteiligen würden. Beide Partner wur-
den aber offenkundig nicht vorab infor-
miert.
Die Reaktionen in der Innenpolitik
waren reserviert bis verärgert. Außen-
minister Heiko Maas (SPD) sagte: „Von
SMS-Diplomatie halte ich wenig. Da-
raus wird schnell eine SOS-Diploma-
tie.“ Maas war von seiner saarländi-
schen Landsfrau nicht vorab eingebun-
den worden, sondern hatte am Montag
lediglich eine Textnachricht von ihr er-
halten: Sie wolle ein Konzept vorlegen.
Am Dienstag schob Maas nach, die Sy-
rien-Initiative habe bei Bündnispart-
nern „für Irritationen“ gesorgt. Im Üb-
rigen sei es „zu früh“ für solche Überle-
gungen.
Letzteres allerdings ist ein rätselhaf-
tes Statement. Sollten die Europäer tat-
sächlich weiteres Elend, Tod und
Flüchtlingsleid stoppen wollen, ist
höchste Eile geboten. Denn Erdogan
schafft längst Fakten in seinem Ansin-
nen, eine Sicherheitszone in Nordsyrien
anzulegen und dort syrische Flüchtlinge
anzusiedeln. Möglicherweise kommt
der Vorstoß eher zu spät.
Ein klares Nein kam von Norbert
Walter-Borjans und Saskia Esken, ei-
nem Kandidatenduo für den SPD-Bun-
desvorsitz. „Die SPD steht mit uns für
militärische Abenteuer dieser Art mit
vollkommen unklarem politischem Aus-
gang nicht zur Verfügung“, sagte Esken.
Kramp-Karrenbauer mache damit Au-
ßenpolitik im Stile Trumps. Walter-Bor-
jans äußerte den Verdacht, es gehe der
CDU-Chefin vor allem um die Stärkung
der eigenen Position. Einen Korb bekam
Kramp-Karrenbauer auch von FDP-

Chef Christian Linder: „Es entsteht der
Eindruck, hier geht es um Profilierungs-
bemühungen einzelner Kabinettsmit-
glieder.“
AAAus Sicht der Grünen muss Kramp-us Sicht der Grünen muss Kramp-
Karrenbauer erklären, wie ihr Konzept
aussieht und welche konkrete Rolle die
Bundeswehr dabei spielen soll. Bei der
Ministerin „klang es zwischendurch,
als könne die Bundeswehr ein paar Auf-
klärungstornados dort fliegen lassen,
aber wenn Deutschland selbst die Ini-
tiative ergreift, wird es nicht ohne Bo-
dentruppen gehen“, sagte Tobias Lind-
ner, Verteidigungspolitiker der Grü-
nen-Bundestagsfraktion, WELT. Der
Grünen-Politiker zeigte Gesprächsbe-
reitschaft wie Skepsis. „Einerseits kön-
nen uns die Menschen in Nordsyrien
nicht egal sein. Andererseits muss die
Frage gestellt werden, wie realistisch
dieser Vorschlag ist.“ Kramp-Karren-
bauer wäre schon „ein Chuck Norris
der Außenpolitik, wenn sie es hinbekä-
me, Russland und Erdogan und die Eu-
ropäer hier auf eine Linie zu bringen“,
so Tobias Lindner. Gleichwohl könne
er es „nachvollziehen, dass sie immer-
hin einen Vorschlag gemacht hat für ei-
ne deutsche Beteiligung an einer UN-
Friedensmission. Jetzt muss sie aber
auch liefern und erklären, was sie sich
genau vorstellt und welchen Beitrag
Deutschland aus ihrer Sicht leisten
kann und leisten soll.“
Deutlich reservierter als Fachpoliti-
ker Lindner äußerte sich Grünen-Frak-
tionschef Anton Hofreiter. Deutschland
und Europa „haben eine Verantwor-
tung, sich für eine Deeskalation des
Konflikts in Nordsyrien und den Schutz
der Zivilbevölkerung einzusetzen“, aber
der Vorstoß von Kramp-Karrenbauer
werfe „mehr Fragen auf, als er Antwor-
ten gibt“. Auch der grüne Europaabge-
ordnete Sergey Lagodinsky, der die Tür-
kei-Delegation des EU-Parlaments an-
führt, kritisierte Kramp-Karrenbauers
Ansatz: Es müsse stattdessen einen
Rüstungsstopp geben. Zudem müsse die
gemeinsame Handlungsfähigkeit der
EU gestärkt werden.
CDU-Außenpolitiker Norbert Rött-
gen hatte bereits am Sonntagabend in
der Talkshow „Anne Will“ eine Sicher-
heitszone in Nordsyrien gefordert. Und
Stunden vor der Parteichefin sprach
sich auch der CDU-Bundestagsabgeord-
nete Roderich Kiesewetter für diese
Idee aus. Dafür seien 30.000 bis 40.
Soldaten nötig, sagte Kiesewetter dem
Sender RBB: „Wir müssen bereit sein,
europäische Soldaten, darunter auch
die Bundeswehr, dorthin zu senden.“
Während Grünen-Verteidigungspoli-
tiker Lindner diese Größenordnung für
richtig hält, wird sie im Umfeld von
Kramp-Karrenbauer in Zweifel gezogen.
Man komme mit deutlich weniger Sol-
daten aus. Es gehe ja nicht um einen
Kampfeinsatz und darum, türkische
Truppen zurückzuschlagen, sondern

um eine Mission mit Einverständnis
Ankaras, aber auch Moskaus.
Am Sonntagabend hatte im Kanzler-
amt der Koalitionsausschuss getagt, bei
dem auch über Syrien und die Invasion
der Türkei gesprochen wurde. Die Ver-
teidigungsministerin machte laut Betei-
ligten bei der Gelegenheit noch keine
Andeutungen, dass sie womöglich an ei-
nem Plan arbeite. Wohlwollende Betei-
ligte wie CSU-Landesgruppenchef Ale-
xander Dobrindt vermuten, dass die De-
batte für die Meinungsbildung bei der
Ministerin entscheidend war. Dobrindt
selbst erfuhr erst am Dienstagmorgen
durch den Parlamentarischen Staatsse-
kretär im Verteidigungsministerium,
Thomas Silberhorn (CSU), von dem
konkreten Plan. Da war er bereits über
die Medien gespielt worden.
Am Dienstag war dann Zeit zum Er-
klären – erst beim Kabinettsfrühstück,
am Abend in der Koalitionsrunde. Und
zu hören war auch die rhetorische Frage
nach der Alternative zu dieser Kurzfris-
tigkeit: Vorab eine Einigung mit der
SPD zu suchen wäre kaum von Erfolg
gekrönt gewesen in der Situation, in der
sich die große Koalition präsentiert.
Dass der Plan hinter den Kulissen zerre-
det worden und möglicherweise nie an
die Öffentlichkeit gelangt wäre, ist
nicht von der Hand zu weisen. Eile sei
geboten, so sah es Kramp-Karrenbauer
offensichtlich.
Die CSU hat Kramp-Karrenbauer die
Kurzfristigkeit nicht angekreidet, im
Gegenteil: Dobrindt lobte den Plan. Es
sei einfach nicht mehr genug, auf einem
moralischen Standpunkt zu verharren.
Und auch die AfD begrüßte Kramp-
Karrenbauers Schritt. Armin-Paulus
Hampel, außenpolitischer Sprecher der
Bundestagsfraktion, behauptete zu-
dem, bei den Syrien-Vorschlägen der
VVVerteidigungsministerin handele eserteidigungsministerin handele es
sich um „eine schlechte Kopie der seit
2 015 formulierten AfD-Forderungen zu
diesem Thema“, was die „deutschen
Leitmedien mit keinem Wort erwäh-
nen“. Auf Nachfrage, um welchen AfD-
VVVorschlag es sich denn handele aus ei-orschlag es sich denn handele aus ei-
ner Zeit, in der eine türkische Offensive
nach Syrien noch gar nicht abzusehen
war, übermittelte die Fraktion eine
Pressemitteilung Hampels aus dem
Jahr 2017. In der forderte er, „Deeskala-
tionszonen für Kriegsflüchtlinge in Sy-
rien einzurichten“, die „von den Ver-
einten Nationen verwaltet und ge-
schützt werden“ sollten – was nicht all-
zu viel zu tun hat mit dem aktuellen
VVVorstoß Kramp-Karrenbauers. AfD-Ver-orstoß Kramp-Karrenbauers. AfD-Ver-
teidigungspolitiker Rüdiger Lucassen
sagte WELT, zur Umsetzung des Vor-
schlags von Kramp-Karrenbauer müsse
allein Deutschland mindestens 7500
Soldaten nach Syrien schicken. Das ge-
he nur, wenn sich Berlin von anderen
„kräftezehrenden Einsätzen“ verab-
schiede, etwa im Irak oder in Mali.
MITARBEIT: RICARDA BREYTON

Eine Frage der Verantwortung


Nach dem Vorstoß


von AKK zu einer


Sicherheitszone in


Nordsyrien werden


Fragen nach der


Umsetzbarkeit laut



  • und nach den


Anforderungen an


die Bundeswehr


VVVerteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) – hier bei einem Truppenbesuch in Mali – will die deutsche Zaungast-Rolle im Syrien-Konflikt beendenerteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) – hier bei einem Truppenbesuch in Mali – will die deutsche Zaungast-Rolle im Syrien-Konflikt beenden


DPA

/ARNE IMMANUEL BÄNSCH

nicht recht sein, wenn die Türkei einen
Teil Syriens besetzt hält.

Wenn tatsächlich eine EU-Schutzzo-
ne eingerichtet werden soll, wird sich
der Einsatz der Bundeswehr nicht da-
rauf beschränken können, ein paar
Ausklärungsfotos aus der Luft zu
schießen – wie es derzeit der Fall ist.
Es bräuchte Bodentruppen, um die Si-
tuation abzusichern. Das wäre eine
Kehrtwende in der deutschen Außen-
politik.
Ich halte die Initiative nur für glaub-
würdig, wenn die rechtlichen Rahmen-
bedingungen geschaffen werden kön-
nen, dass sich die Bundeswehr militä-
risch an einer solchen Schutzzone be-
teiligt. Ich fände es im Übrigen gut,
wenn neben den EU-Staaten auch arabi-
sche Staaten mitmachen, damit die
Bruchlinie nicht zwischen Westen und
Osten, Christen und Muslimen, Okzi-
dent und Orient verläuft. Sondern klar
wird, dass die internationale Gemein-
schaft die Absicherung einer solchen
Schutzzone mitträgt und verteidigt.

Die SPD sieht eine Ausweitung der
Bundeswehrmandate ausgesprochen
kritisch. Halten Sie es für realistisch,
ein solches Mandat durch den Bun-
destag zu bringen?
Es ist sicherlich für den Koalitionspart-
ner SPD gerade nicht ganz leicht, weil
die Initiative nicht aus dem Auswärti-
gen Amt kam, sondern aus dem Vertei-
digungsministerium. Die SPD muss der-
zeit auch ihre Führungsfrage klären,
was es für die Partei schwierig macht,
sich deutlich zu positionieren.

War es vor diesem Hintergrund
schlau, dass die Verteidigungsminis-
terin den SPD-Außenminister nur per
SMS über ihren Vorstoß informiert
hat?
Sie müssen in Berlin ein Thema erst
einmal anpacken, wenn Sie etwas errei-
chen wollen. Wenn Sie zu viel fragen,
werden Sie immer irgendjemanden fin-
den, der Bedenken äußert. Dann bleiben
wir aber genau dort, wo wir immer wa-
ren: Wir sind wie die Opas in der „Mup-
pet Show“ und kommentieren von der
Loge aus das Geschehen auf der Bühne.
Annegret Kramp-Karrenbauer geht
jetzt auf die Bühne. Das halte ich für
richtig. Im Übrigen gibt es bei einer sol-

jetzt auf die Bühne. Das halte ich für
richtig. Im Übrigen gibt es bei einer sol-

jetzt auf die Bühne. Das halte ich für


chen Schutzzone viele Aspekte, die auch
die SPD interessant finden müsste:
Wenn sich die Türken aus dem Gebiet
zurückziehen, wird es auch keine weite-
re Verdrängung oder Vertreibung der
Kurden vor Ort geben – ebenso wenig
wie eine Ansiedlung von Arabern, wo-
rauf einige Akteure in der Region ja
auch zielen. Was es durchaus geben
könnte, wäre eine Einrichtung von
Flüchtlingslagern in der Region, die un-
ter internationalem Schutz stehen.

Erdogan möchte Millionen syrische
Flüchtlinge aus der Türkei in Nordsy-
rien ansiedeln, was ebenfalls ein
Grund für die Einrichtung einer Si-
cherheitszone nach seiner Vorstel-
lung war. Dieser Erdogan-Idee wür-
den Sie also nicht komplett ableh-
nend gegenüberstehen?
Eine zwangsweise Umsiedlung von syri-
schen Flüchtlingen in die Region hielte
ich für problematisch. Auf freiwilliger
Basis ist das vorstellbar. Auch aus Idlib
könnte man Flüchtlinge in der Schutz-
zone ansiedeln. Konflikte in Syrien hat
man bislang so gelöst, dass man den IS-
Kämpfern aus den rückeroberten Städ-
ten freien Abzug nach Idlib gewährt hat.
Die Region ist eingeschlossen, und die
Zivilbevölkerung leidet. Aus der Region
wird es Flüchtlinge geben. Es wäre eine
Chance, diese Menschen in der Schutz-
zone unterzubringen, bis die Region be-
friedet ist – damit sie sich nicht auch auf
den Weg in die Türkei machen oder
nach Europa. Und 200.000 Menschen,
die aktuell aus dem Grenzstreifen geflo-
hen sind, könnten sofort zurückkehren.

Was ist mit den gefangenen IS-Kämp-
fern, die derzeit in kurdischen Lagern
in Nordsyrien untergebracht sind?
Sollen sie auch in der Region als Ge-
fangene verbleiben?
Ich schlage folgende Lösung vor, die
aber zugegeben noch etwas fern ist: Der
Irak und Syrien treten dem Römischen
Statut des Internationalen Strafge-
richtshofs bei. Dies würde ein interna-
tionales Tribunal ermöglichen, das die
IS-Kämpfer in einem fairen Gerichts-
verfahren zur Rechenschaft zieht – ähn-
lich den Verfahren für die Kriegsverbre-
chen in Ruanda oder Jugoslawien.

M


arkus Grübel (CDU) ist Mit-
glied im Auswärtigen Aus-
schuss des Bundestags und Be-
richterstatter der Unionsfraktion zu Li-
banon, Syrien, Irak und Iran. WELT er-
klärt er, was Annegret Kramp-Karren-
bauers (CDU) Vorschlag zur Errichtung
einer internationalen Sicherheitszone
in Nordsyrien für den Konflikt mit der
Türkei bedeutet.

VON RICARDA BREYTON

WELT:Herr Grübel, die Bundesvertei-
digungsministerin hat eine interna-
tional kontrollierte „Sicherheitszo-
ne“ für Nordsyrien vorgeschlagen.
Hat Sie das als Außenpolitiker über-
rascht?
MARKUS GRÜBEL:Ich sehe die Initiati-
ve von Annegret Kramp-Karrenbauer
sehr positiv. Wir haben lange genug als
Europäer und als Deutsche von der Lo-
ge aus zugeschaut, wie sich die Krise in
Syrien zuspitzt. Jetzt gehen wir auf die
Bühne und nehmen das Heft des Han-
delns in die Hand. Schutzzonen sind
ein gebräuchliches und legitimes In-
strument der Friedenssicherung. Ich
bin froh, dass die Bundesverteidigungs-
ministerin dieses ganz konkrete Modell
vorschlägt, das nun in Deutschland, der
EU und der Nato verhandelt werden
kann.

Kramp-Karrenbauer hat am Montag-
abend für Verwirrung gesorgt, weil sie
nicht von einer „Schutzzone“ gespro-
chen hat, sondern von einer „Sicher-
heitszone“. Sie hat damit das Vokabu-
lar des türkischen Staatspräsidenten
Erdogan übernommen. Was ist unter
einer „Sicherheitszone“, wie sie die
Verteidigungsministerin vorschlägt,
zu verstehen?

Ich glaube, dass wir auf europäischer
Seite alle das Gleiche unter einer
Schutzzone oder Sicherheitszone ver-
stehen: Es handelt sich dabei um ein
Gebiet, das international abgesichert ist


  • sodass die Menschen vor Ort keiner
    Vertreibung oder Kampfhandlungen
    ausgesetzt sind. Schutzzonen sind das
    Gegenteil von dem, was wir derzeit im
    nordsyrischen Idlib erleben: Die Men-
    schen dort leben unter elenden Bedin-
    gungen, ständig in Sorge, bombardiert
    oder vertrieben zu werden.


Ist mit einer „international abgesi-
cherten“ Zone eine Blauhelmmission
der Vereinten Nationen gemeint?
Eine Blauhelmmission wäre das Ideale.
Die Hürden dafür sind aber sehr hoch,
weil wir einen Beschluss des Sicher-
heitsrats der Vereinten Nationen
bräuchten. Ich kann mir in Nordsyrien
gut eine EU-Schutzzone vorstellen. Sy-
rien ist unser Nachbar. Wenn wir dort-
hin nicht Stabilität exportieren, werden
wir Instabilität importieren. Eine
Schutzzone würde auch die große
Chance bieten, dass sich die Türkei un-
ter Gesichtswahrung zurückziehen
kann – und die Invasion der Türkei in
Nordsyrien nicht ein endloses Thema
wird, das das Verhältnis zur EU und zur
Nato belastet. Auch darum ist der Vor-
schlag von Annegret Kramp-Karrenbau-
er sehr hilfreich.

Solange die EU keine Gespräche mit
dem syrischen Machthaber Baschar
al-Assad sucht, wird eine EU-Schutz-
zone in Nordsyrien nur schwer einzu-
richten sein. Assad müsste eine solche
Zone auf seinem Gebiet ja tolerieren.
Die EU wird zunächst mit Wladimir Pu-
tin und Recep Tayyip Erdogan verhan-
deln müssen, die das Gebiet zurzeit
kontrollieren. Wenn Putin einer Sicher-
heitszone zustimmt, wird dem auch As-
sad zustimmen. Assad kann es auch

AMIN AKHTAR/WELT

„„„Wenn Putin zustimmt, Wenn Putin zustimmt,


wwwird auch Assad zustimmen“ird auch Assad zustimmen“


CDU-Politiker Grübel lobt Kramp-Karrenbauers


Syrien-Vorstoß und sieht gute Chance für Umsetzung


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