Die Welt - 23.10.2019

(Rick Simeone) #1
schlagen, gekniffen, aus dem Bett getre-
ten wurde. Sie fragte mich dann, ist das
eigentlich normal, dass man sich beim
Sex immer wehtut?

Spielt die Nationalität der jugendli-
chen Täter eine Rolle?
Meine Erfahrung ist, dass Gewalt auch
in bürgerlichen und deutschstämmi-
gen Familien vorkommt. Verstär-
kend wirkt aber sicher, wenn
Kinder oder Jugendliche in
Krisen- oder Kriegsgebieten
aufgewachsen sind oder
Gewalt auf der Flucht mit-
erleben mussten. Auch das
Frauenbild ist natürlich
kulturell unterschiedlich


  • muss es aber nicht
    sein. Mein Sohn etwa
    hat viele Freunde
    aus türkischen oder
    nordafrikanischen


R


aub, Drogenhandel und Ver-
gewaltigung sind Delikte,
die nicht nur auf der Straße,
sondern auch auf dem
Schulhof stattfinden. Petra
Reichling kritisiert vor allem die Schul-
leitungen für die mangelnde Kooperati-
on bei der Bekämpfung der Straftaten.

VON FREIA PETERS

WELT: Frau Reichling, vor einem Jahr
haben Sie mit dem Thema „Tatort
Schulhof“ Alarm geschlagen. Was hat
sich seitdem verändert?
PETRA REICHLING:Nicht sehr viel. Ich
bemängele ja vor allem das Verhalten
der Schulleitungen, die das Thema un-
ter den Teppich kehren. Bislang weiß
ich nur von einigen wenigen Schulen,
die mit der Gewalt ihrer Schüler offen
umgehen und daran arbeiten.

Warum ist das Thema Gewalt für vie-
le Schulleiter tabu?
Viele haben Angst, dass die Schule in ei-
nen schlechten Ruf gerät und die An-
meldezahlen der Schüler zurückgehen.
Und dass es heißt, der Schulleiter hat
versagt. Dabei gibt es an jeder Schule
Gewalt, egal, ob sie in einem Brenn-
punktoder einem Villenviertel liegt,
egal welche Schulform. Und ich persön-
lich würde mein Kind lieber an eine
Schule geben, von der ich weiß, es gibt
da ein Konzept gegen Gewalt.

Ihr Sohn ist schon 20 Jahre alt. Haben
die Straftaten in der Schule in den
vergangenen 15 Jahren zugenommen?
Als mein Sohn mein Buch zum Thema
gelesen hat, hat er gesagt: „Mama, dass
Schüler Messer dabeihaben, das ist doch
normal!“ Er hat sicher recht damit, dass
es auch vor 15 Jahren schon Gewalttaten
gab. Und doch ist mein Eindruck, dass
die Gewalt gestiegen ist. Drogen sind
heute schneller verfügbar. Und wenn
Jungs sich früher geprügelt haben, war
der Kampf vorbei, wenn einer am Boden
lag und es einen Gewinner gab. Heute
wird auf das Opfer am Boden weiter
draufgetreten oder eingeschlagen mit
Messern, abgebrochenen Glasflaschen
oder Latten.

Wieso ist die Hemmschwelle schon
bei Kindern so gesunken?
Durch sogenannte soziale Medien wer-
den Videos von harten Gewalttaten
schneller verbreitet. Heutzutage werden
Kinder viel früher mit Bildern konfron-
tiert von Demütigungen oder sexueller
Gewalt. Kinder kommen mit Leichtig-
keit an Videos, die Enthauptungen oder
Hinrichtungen zeigen. Das alles hat die
WWWahrnehmung verrückt. Die Hemm-ahrnehmung verrückt. Die Hemm-
schwelle für Gewalt ist gesunken.

Welche Rolle spielt sexuelle Gewalt
an Schulen?
Eine große Rolle. Sex wird als Mittel zur
Demütigung wahrgenommen. Wenn ein
Schüler etwa ein Mädchen in die Ecke
drängt und an der Brust oder im Geni-
talbereich anfasst. Jugendliche können
heute meines Erachtens nicht mehr un-
befangen ihre Sexualität ausprobieren.
Ein widerstandsfähiges, wildes Mäd-
chen ist schnell eine Lesbe und ein sen-
sibler Junge eine Schwuchtel. Ein 14-
jähriges Mädchen, die von einem 14-jäh-
rigen Jungen sexuell belästigt wurde,
führte mit ihm zunächst eine einver-
nehmliche Beziehung. Sie erzählte mir,
dass sie beim Verkehr immer auch ge-

Familien. Einmal waren einige zu Be-
such, und er rief quer durchs Wohnzim-
mer: „Mama, ich hab dich lieb!“ Und
später fragte ich, wirst du von denen
nicht ausgelacht, wenn du so etwas
sagst? Und er sagte, nein, die gehen ge-
nauso mit ihren Müttern um.

Besteht also kein Grund zur
Sorge, dass Zuwanderung
unser Frauenbild ver-
zerrt?
Na ja, ich meine, wir
sollten uns doch mal
fffragen, welches Frau-ragen, welches Frau-
enbild wir Deutschen

überhaupt haben. Sicher haben wir viel
erreicht. Aber wer pflegt unsere Alten?
WWWer arbeitet meistens in Teilzeit? Werer arbeitet meistens in Teilzeit? Wer
bekommt das schlechtere Gehalt bei
gleicher Arbeit? Auch bei uns ist
Gleichberechtigung noch lange nicht
erreicht.

Viele Mütter übernehmen auch nach
wie vor einen Großteil der Erziehung.
Gibt es einen Zusammenhang zwi-
schen Helikopterelternund jugendli-
chen Straftätern?
Ganz grob gesagt, gehört die Suche
nach Grenzen und der Versuch, diese zu
überschreiten, zur kindlichen Entwick-
lung dazu. Wenn ich als Kind kaum
Grenzen gesetzt bekomme, muss ich
natürlich sehr weit gehen, um mich ab-
zuarbeiten.

Bekommen denn Kinder heute weni-
ger Grenzen gesetzt?

Ja, definitiv. Das fängt bei der Straßen-
verkehrsordnung an. Wenn ich mich in
Düsseldorf umschaue, denke ich
manchmal, ich bin die Einzige, die an
einer roten Ampel stehen bleibt. Ich
kriege regelmäßig zu viel, wenn Eltern
ihre Kinder anherrschen, na komm’,
beeil’ dich, wenn die Kinder an der ro-
ten Ampel stehen bleiben wollen. Und
dann wundern sie sich beim nächsten
VVVerkehrsunfall. Wie soll ich meinenerkehrsunfall. Wie soll ich meinen
Kindern mit so einem Verhalten bei-
bringen, Regeln einzuhalten?

Sie sind Wachdienstführerin in ihrer
Polizeiwache in Düsseldorf. Wie oft
müssen Ihre Kollegen an Schulen aus-
rücken?
Schon ab und zu. Aber das Problem ist
nach wie vor, dass viele Straftaten an
Schulen nicht zur Anzeige kommen. In
Nordrhein-Westfalen gibt es einen
Runderlass, mit dem Schulleiter dazu
verpflichtet werden, alle Straftaten an-
zuzeigen. Das müsste meines Erachtens
bundesweit gelten.

Sie schulen auch Lehrkräfte zum The-
ma Gewalt. Wie gehen die Lehrer mit
Gewalt bei ihren Schülern um?
Viele von ihnen sind beim Thema Ge-
walt sehr unsicher. Sie sind sich ihrer
Garantenstellung nicht bewusst. Lehrer
sind zum besonderen Schutz ihrer
Schüler verpflichtet. Sie müssen also
einschreiten, etwa wenn es auf dem
Schulhof eine Schlägerei gibt. Zur Not,
indem sie den Notruf der Polizei wäh-
len. Wenn es also eine Messerstecherei
gibt und ein Lehrer nicht einschreitet,
kann er wegen schwerer Körperverlet-
zung durch Unterlassung angeklagt
werden. Das Gleiche gilt, wenn ein
Schüler einen Amoklauf ankündigt und
der Lehrer nicht unverzüglich Anzeige
erstattet.

Also müssen Lehrer und Schulleiter
auch zu ihrem eigenen Schutz besser
mit der Polizei zusammenarbeiten.
Das ist meine Hauptforderung. Es
müsste auf kommunaler Ebene einen
Runden Tisch geben, an dem Jugend-
amt, Staatsanwaltschaft, Polizei, Lehrer
gemeinsam Fallbeispiele besprechen
und Konzepte erarbeiten. Außerdem
brauchen wir aussagekräftigere Zahlen.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik
reicht nicht aus?
Nein, die bildet die Realität in diesem
Bereich nicht ab. Wir brauchen die Ein-
führung der Rubrik „Gewalt an Schu-
len“. Es wird zwar die Täter-Opfer-Be-
ziehung vermerkt, aber die ist oft nicht
unbedingt ersichtlich, wenn es sich et-
wa um Cybermobbingaußerhalb der
Schulzeit handelt. In Nordrhein-West-
falen hat das Innenministerium nun ei-
ne Dunkelfeldstudie zum Thema Ge-
walt in der Bevölkerung in Auftrag gege-
ben. Innenminister Herbert Reul weiß
vermutlich, worum es geht. Er war ja
auch mal Lehrer.

Und was muss in den Schulen passie-
ren?
Lehrer müssen besser geschult werden
zum Thema Straftaten – und auch Schü-
ler. Sie müssen wissen, wenn ich etwa
jemanden „abziehe“, wie es oft vernied-
lichend heißt, dann ist das Raub bezie-
hungsweise Erpressung. Und sobald ich
strafmündig bin, könnte ich dafür ins
Gefängnis wandern. Das ist vielen über-
haupt nicht klar.

„Sex wird zum Mittel


der Demütigung“


PICTURE ALLIANCE

/PHOTOSHOT RH DOK

Petra Reichling ar-
beitet als Kommissarin
in Düsseldorf

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23.10.19 Mittwoch, 23. Oktober 2019DWBE-HP


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DIE WELT MITTWOCH,23.OKTOBER2019 POLITIK 5


linge (BAMF) bisher nicht an die Bun-
desagentur für Arbeit übermittelt wer-
den. Diese Verknüpfung soll jedoch mit
dem am 1. März 2020 in Kraft tretenden
Fachkräfteeinwanderungsgesetz umge-
setzt werden.
Doch auch die nun aktuell von der
Bundesregierung vorgelegten Zahlen ge-
ben Einblicke in die Beschäftigung im
Pflegesektor. So waren im Juni vergan-
genen Jahres 218.894 Menschen aus den
acht wichtigsten Asylherkunftsländern
sozialversicherungspflichtig in Deutsch-
land beschäftigt (ohne Auszubildende).
1 853 von ihnen arbeiteten dabei im Be-
reich der Gesundheits- und Kranken-
pflege, zu dem auch der Rettungsdienst
und die Geburtshilfe gezählt werden. Et-
was mehr von ihnen – 2274 – arbeiteten
in der Altenpflege. Beide Kategorien ma-
chen somit jeweils ungefähr ein Prozent
der insgesamt Beschäftigten aus. Rech-
net man die beiden Pflegebereiche zu-
sammen, arbeiteten 2018 rund 1,8 Pro-
zent der Staatsbürger aus den wichtigs-
ten Asylherkunftsländern in der Pflege.
Im Vergleich zu den Vorjahren ist die
Entwicklung konstant – zwischen 2015
und 2017 bewegte sich der Anteil zwi-
schen 1,8 und 2,1 Prozent. Als Fachkraft

E


rst Kosovo, dann Mexiko: Bun-
desgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) war in den vergan-
genen Wochen auf Tour, um ausländi-
sche Fachkräfte anzuwerben. Die min-
destens 50.000 unbesetzten Pflegestel-
len in Deutschland sollen so schrittweise
gefüllt werden. Doch wie steht es eigent-
lich um die Beschäftigung derjeniger, die
bereits nach Deutschland zugewandert
sind? Ist der Pflegesektor für sie attrak-
tiv? Eine Antwort der Bundesregierung
auf eine Anfrage des AfD-Politikers Axel
Gehrke, die WELT vorliegt, gibt nun
AAAuskunft.uskunft.

VON KAJA KLAPSA

Bei der untersuchten Gruppe handelt
es sich um Staatsbürger der acht wich-
tigsten Asylherkunftsländer: Afghanis-
tan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan,
Somalia und Syrien. Angaben darüber,
welchen Status die entsprechenden Per-
sonen haben – also ob es sich zum Bei-
spiel um anerkannte Flüchtlinge handelt


  • und wie lange sie schon in Deutschland
    leben, gibt es bei der Erhebung nicht.
    Grund hierfür ist, dass die Daten des
    Bundesamts für Migration und Flücht-


waren im vergangenen Jahr 38 Prozent
im Bereich der Krankenpflege und 14
Prozent in der Altenpflege angestellt; die
Mehrzahl arbeitete als Helfer.
AAAuch die Zahl der Auszubildenden imuch die Zahl der Auszubildenden im
Pflegebereich ist überschaubar. Von den
2 6.578 Personen aus den Hauptasylher-
kunftsländern, die sich im vergangenen
Jahr in Ausbildung befanden, waren 944
Azubis im Bereich der Krankenpflege
und 940 in der Altenpflege.
Die Bundesregierung teilte mit, keine
„spezifischen Maßnahmen“ zu planen,
um Asylberechtigte vermehrt in Eng-
passberufen, insbesondere in der Alten-
und Krankenpflege, in Beschäftigung zu
bringen. Diese würden, wie auch aner-
kannte Flüchtlinge, „je nach ihren be-
reits vorhandenen Kenntnissen und Fä-
higkeiten sowie ihren individuellen Nei-
gggungen passgenau gefördert und in Ar-ungen passgenau gefördert und in Ar-
beit vermittelt“.
Antragsteller Gehrke von der AfD-
Fraktion wurde kürzlich krankheitsbe-
dingt vom neuen gesundheitspolitischen
Sprecher, Detlev Spangenberg, abgelöst.
Dieser schlussfolgerte aus der Regie-
rungsantwort: „Die Politik behauptet
immer wieder, Asylzuwanderung würde
die Arbeitskräftesituation in Mangelbe-

rufen verbessern. Die Zahlen zeigen,
dass dieser Effekt nicht eingetreten ist.
Einen Fahrplan, wie dem Demografie-
problem in der Pflege unter Einbezie-
hung der hier vorhandenen personellen
Ressourcen begegnet werden könnte,
hat die Bundesregierung offenbar
nicht.“ Anwerbemaßnahmen der Politik,
die sich spezifisch an Asylzuwanderer
richteten, seien jedoch nicht zielfüh-
rend. „Wie auch in Deutschland wollen
junge Männer naturgemäß lieber Auto-
schlosser als Altenpfleger werden. Pfle-
ger ist ein Beruf, in den man nicht
krampfhaft reingedrängt werden sollte“,
sagte Spangenberg WELT. Aufgabe der
Bundesregierung müsse es sein, den Be-
ruf grundsätzlich für alle attraktiver zu
machen und für mehr gesellschaftliche
Anerkennung zu sorgen.
AAAuf die Bedeutung der Geschlechter-uf die Bedeutung der Geschlechter-
verteilung verweist auch Herbert Brü-
cker, der am Institut für Arbeitsmarkt-
und Berufsforschung den Forschungsbe-
reich „Migration, Integration und inter-
nationale Arbeitsmarktforschung“ leitet.
So seien in Deutschland von allen sozial-
versicherungspflichtig beschäftigten
Männern 1,7 Prozent in der Kranken-
und Altenpflege tätig. Von den hier ar-

beitenden Personen aus den Asylher-
kunftsländern seien 87 Prozent Männer.
Demnach sei es sinnvoll, so Brücker,
dass die Menschen dort weiterarbeite-
ten, wo sie Qualifikationen und Fertig-
keiten erworben haben. Alles andere sei
„arbeitsmarktpolitisch schädlich“.
AAAuch Karin Maag (CDU), gesund-uch Karin Maag (CDU), gesund-
heitspolitische Sprecherin der Unions-
fffraktion, plädiert dafür, von gezielterraktion, plädiert dafür, von gezielter
Anwerbung abzusehen. „Nicht jeder
kann und will pflegen. Es schadet dem
Beruf, wenn wir Menschen drängen, die
kein Interesse daran haben“, sagte Maag
WELT. Es sei allerdings richtig, dass bei-
spielsweise in Bayern ausgewählte abge-
lehnte Asylbewerber in Deutschland
bleiben könnten, solange sie einen Ar-
beitsvertrag haben – etwa in der Pflege


  • , gut integriert sind und die deutsche
    Sprache beherrschen. Kordula Schulz-
    Asche, Sprecherin für Alten- und Pflege-
    politik der Grünen-Bundestagsfraktion,
    verweist auf die Notwendigkeit, die
    Fachpflege in Deutschland insgesamt
    aufzuwerten. „Die Erfahrung der letzten
    Jahre zeigt, dass gerade hochqualifizier-
    tes Pflegepersonal Deutschland wieder
    verlässt, weil das Arbeitsfeld weniger at-
    traktiv ist als in den Herkunftsländern.“


Nur wenige Asylzuwanderer zieht es in den Pflegeberuf


Bundesregierung: 2018 waren 1,8 Prozent der arbeitenden Personen aus den wichtigsten Herkunftsländern in der Branche tätig


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ine große Mehrheit der Deut-
schen spricht sich dafür aus, dass
Frauen in Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft mehr Verantwortung über-
nehmen. 78 Prozent würden es begrü-
ßen, wenn Frauen mehr verantwor-
tungsvolle Positionen übernehmen; 83
Prozent der Frauen und 72 Prozent der
Männer äußern sich entsprechend. Das
ergab eine repräsentative Umfrage, die
Kantar Emnid für die CDU-nahe
Konrad-Adenauer-Stiftung erstellt hat
und die WELT vorliegt.

VON SABINE MENKENS

Mehr Frauen in verantwortlichen Po-
sitionen wünschen sich demnach jeweils
neun von zehn Deutschen in Unterneh-
men, Verwaltung, Universitäten und Ge-
richten. Aber auch Regierungen und Par-
teien sollen weiblicher werden, finden 87
beziehungsweise 85 Prozent. Weibliche
Befragte wünschen sich zu 92 Prozent,
männliche immerhin zu 77 Prozent eine
stärkere Rolle von Frauen in den Partei-
en. Am wenigsten stark ist dieser
WWWunsch im Fall der Bundeswehr ausge-unsch im Fall der Bundeswehr ausge-
prägt: 57 Prozent aller Befragten wün-
schen sich mehr weiblichen Einfluss.
Betrachtet man die Ergebnisse nach
Parteipräferenz, sind es vor allem die
Anhänger der Grünen, die sich mehr Ver-
antwortung für Frauen wünschen, näm-
lich 87 Prozent. Den Gegenpol bilden
AAAfD-Unterstützer mit einer Zustim-fD-Unterstützer mit einer Zustim-
mung von 57 Prozent. Nach Alter be-
trachtet gibt es die höchsten Zustim-
mungswerte bei jungen Menschen zwi-
schen 18 und 24 Jahren (85 Prozent) und
die niedrigsten in der Altersgruppe der
3 5- bis 44-Jährigen (63 Prozent). Danach
steigen sie wieder an.
Gleichwohl sind längst nicht alle
Deutschen davon überzeugt, dass mehr
Macht für Frauen gleichbedeutend wäre
mit einer besseren Politik. 44 Prozent er-
warten keine Veränderung. Mit einer
VVVerbesserung rechnen 41 Prozent der Be-erbesserung rechnen 41 Prozent der Be-
fffragten. Gar eine Verschlechterung er-ragten. Gar eine Verschlechterung er-
warten sieben Prozent. Hier gibt es deut-
liche Unterschiede nach Geschlecht, Al-
ter und Parteipräferenz: Während die
Hälfte der Frauen durch eine größere
weibliche Repräsentation eine Verbesse-
rung der Politik erwartet, ist es bei den
Männern nur ein knappes Drittel. Nach
Partei-Sympathien betrachtet rechnen
vor allem Grünen-Anhänger (57 Pro-
zent) mit einem positiven Einfluss von
Frauen. Bei Unterstützern der AfD sind
es 21 Prozent; 32 Prozent von ihnen er-
warten sogar eine Verschlechterung der
Politik, wenn mehr Frauen daran betei-
ligt sind. Im Vergleich der Altersgruppen
betrachten Ältere von 65 bis 74 Jahren
den möglichen Einfluss von Frauen in
der Politik am optimistischsten: 57 Pro-
zent sehen diesen positiv; bei den jungen
Erwachsenen zwischen 25 und 34 Jahren
sind es hingegen nur 29 Prozent.
In der Frage nach einer Frauenquote
fffür das Parlament zeigen sich die Deut-ür das Parlament zeigen sich die Deut-
schen gespalten. 49 Prozent sprechen
sich dafür aus, dass der Staat „Maßnah-
men ergreift, damit mehr Frauen in den
Bundestag kommen“. Fast genauso viele


  • 46 Prozent – sind dagegen, fünf Pro-
    zent unentschlossen. Während bei den
    weiblichen Befragten eine Mehrheit von
    5 8 für eine Quote ist (36 Prozent sind da-
    gegen), lehnt eine Mehrheit der männli-
    chen Teilnehmer von 56 Prozent eine
    solche Vorgabe ab (40 Prozent dafür).
    Gräben verlaufen auch entlang der Par-
    teipräferenz: Mehrheitliche Zustim-
    mung erzielt die Quote bei den Anhän-
    gern von Grünen (57 Prozent), SPD (56),
    Linkspartei (55) und Union (52). Auf Ab-
    lehnung stößt sie hingegen bei den An-
    hängern von FDP (73) und AfD (70).


Deutsche wollen


mehr weibliche


RRRepräsentationepräsentation


Bürger bei Frauenquote


für Parlament gespalten


Die Gewalt an Schulen nimmt zu, mahnt Petra Reichling. Die


Kriminalhauptkommissarin fordert eine bundesweite Meldepflicht


KAY BLASCHKE/RANDOM HOUSE




Mehr Verantwortung


für Frauen?


Quelle: Kantar Emnid; Mehrfachnennungen möglich


���� Befragte


Zustimmung in Prozent


Kleine und mittlere


Unternehmen























Große Unternehmen


Verwaltung


Universitäten


Gerichte


Regierungen


Parteien


Bundeswehr


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