Berliner Zeitung - 23.10.2019

(Brent) #1

WarumMaxAnnasKrimisüberdieEndzeitderDDRschreibt–FeuilletonSeite


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Mittwoch, 23. Oktober 2019 Nr.246 HA-75. Jahrgang
Auswärts/D*: 1.70€–Berlin/Brandenburg: 1.60 €

Sehr wolkig
Wetter Seite 2

8°/16°


Hertha/Union
DerWeisheit
letzterSchuss
Seite 22

Führungs-Duos:Ist


doppeltwirklichspitze?


Hauptstadt Seite


GretaThunberg:Wielebt


manmitAsperger?


WissenschaftSeite


Renteerstmit70:


Istdasfair?


PolitikSeite


Diesyrische


Offensiveder


CDU-Chefin


VerstimmungbeiderSPD,
IrritationinEuropa

D


erÜberraschungs-Coupistder
Bundesverteidigungsministe-
rinund CDU-Vorsitzenden Anne-
gret Kramp-Karrenbauer gelungen.
DerKoalitionspartner SPD
brauchtezwölfStunden,bisaufden
Syrien-Vorschlag reagiertwurde.
AußenministerHeiko Maas,der le-
diglich per SMSvonder Idee,eine
international gesicherte Schutz-
zone in Nordsyrien einzurichten,
vorabinformiertwurde ,nörgelte:
„VonSMS-Diplomatiehalteichwe-
nig. Daraus wir dschnell eine SOS-
Diplomatie.“
Undauch die kommissarische
SPD-Vorsitzende Malu Dreyer ,im
Koalitionsausschuss quasi die di-
rekteVerhandlungspartnerin von
Kramp-Karrenbauer,zeigte sich
skeptisch. Es blieben noch zu viele
Fragen offen.Aber si esagte auch:
„Die Gewaltzubeendenunddashu-
manitäreLeidzul indern, muss un-
serallerZielse in.“VertreterderOp-
posititon kritisierten den Vorstoß
ebenfalls.
Kramp-Karrenbauer hatte am
Montagabend vorgeschlagen, dass
eine militärisch gesicherteZone im
Nordende rTürkeieingerichtetwird,
um die humanitäreKatastrophe
durch den aktuellenEinmarsch der
Türkei zu verhindern.Dazu sollte
auchmitderTürkeiundRusslanddi-
rektverhandeltwerden.DieMiniste-
rinkündigtean,amDonnerstagauch
mit denNatovertragspartnernüber
einesolcheMöglichkeitzureden.

Endede rWaffenruhe
Unterdesse nhatdertürkischePräsi-
dent Recep Tayyip Erdogan wenige
Stunden vordem Ende der Waffen-
ruhein NordsyrienseineDrohungen
gegen die dortigeKurdenmiliz ver-
schärft. Sollten sich die kurdischen
Kämpfer nicht zurückziehen,werde
sein Land die Offensivewiedera uf-
nehmen, sagteErdogan vorseinem
Treffenmit RusslandsStaatschef
WladimirPutin. MitPutin wollte er
zudemübereinenAbzugkurdischer
Milizen ausdenmittlerweilewieder
vonsyrischen Regierungstruppen
kontrolliertenRegionenNordsyriens
sprechen.Erdogan äußerte sichvor
demAbflugins russischeSotsch i,wo
er am Dienstagmi ttag mi tPutin zu
Gesprächen zusammenkam.(tom.)
PolitikSeite 5

Angeschlagen


zum


Sieg


VonJörg Michel

L


ange galtJustinTrudeau als libe-
rale Lichtgestalt.Derkanadische
Premierminister pflegte einen elo-
quentenAuftritt,einefortschrittliche
Agenda und eine jugendlich-flotte
Aura.Ersetztesich in Szene mitSel-
fiesundbuntenSockenundsahsich
alsGegenpolzuDonaldTrump,dem
polternden US-Präsidenten. Doch
vonTrudeaus Glanz war zuletzt nur
nochwenigübrig
geblieben. Der
47-Jährige ver-
hedderte sich in
einen unappetit-
lichen Korrupti-
onsskandal,
sorgte mitrassis-
tischenFotosaus
seinerJugendfür
Aufsehen, brach
wichtige Wahl-
versprechen und
gefährdeteseineWiederwahl.
Gemessen daran dürfteTrudeau
jetzt erleichtertsein. Beiden Parla-
mentswahlenamMontagistseineli-
berale Parteiallen Widrigkeitenzum
Trotz erneut stärkste Kraft gewor-
den. DerangeschlageneSunnyboy
kannnundochweitermachen.Aller-
dingsmussteereinenDämpferhin-
nehmen, denn die Liberalen haben
ihreabsoluteMehrheitimParlament
vonOttawaverlorenundmüssenzu-
künftigmitanderenParteienim Un-
terhauszusammenarbeiten.
„Wir nehmen den Auftrag der
Wähler an undwerden eineRegie-
rung für alleKanadier bilden“,ver-
sprach Trudeau amWahlabendvor
Anhängernins einer Heimatstadt
Montréal. Seine Partei kam auf 157
Mandate,29wenigeralsvorvierJah-
ren.FüreineabsoluteMehrheitwä-
ren170Sitzenötiggewesen.Zulegen
konntendieKonservativen.Füreine
Regierungsübernahme reichte es
abernicht.
Diemeisten Beobachter gehen
nun davon aus,dass Trudeau eine
Minderheitsregierung unter Dul-
dung der linksgerichteten sozialde-
mokratischenParteibildenwird,die
24 Mandate gewonnen hat.Vorbild
für eine solcheKonstellation bietet
ausgerechnet sein eigener Vater
PierreElliottTrudeau, der das Land
mit Unterbrechungenvon1968 bis
1984regierthatte.
Trudeau Senior war nach seiner
ersten Amtszeit ebenfallsvoneiner
Mehrheit auf eineMinderheit zu-
rückgefallenunddanachunterdem
Druckder Sozialdemokratenausder
politischen Mitte merklich nach
links gerückt.Dasdürfte nun auch
seinSohnsohalten.Nocham Wahl-
abend kündigte er an, vieleTelefo-
nate zu führen, um sich dieUnter-
stützung derSozialdemokraten zu
sichern.DamitdürftederJuniordie
Familienehreder Trudeau-Dynastie
erstmalgerettethaben.
Zu den ersten Gratulanten ge-
hörte ausgerechnet einer,mit dem
der weltoffene Premier politisch
sonst kaum etwas gemein hat:Tru-
deaus Wahlsieg sei wunderbar und
harterkämpft,twitterteTrump.


Kanada


JustinTrudeau,
Kanadas amtierender
Premierminister

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Ohnesie
UNIVERSA
LMUSIC/JONNY SOARES
SillygehtwiederaufTournee,
SängerinAnnaLoosistnicht
mehrdabei.EineGeschichte
vonEntfremdungund
Männerfreundschaft.
Seite 3
Mietendeckel:DassinddieDetails
Wuchermietenkönnenabgesenktwerden.Vermiete rmüsse nmitempfindlichenStrafenrechnen
VonElmar Schütze


E

sistgeschehen.AmDiens-
tag hat derSenat dasGe-
setzzumMietendeckelbe-
schlossen. Es sieht vor,
dass dieMieten rückwirkend zum
18.Juni 2019 –derTag, an dem der
Senat dieEckpunkte beschlossen
hat–fürfünf Jahreeingefrorenwer-
den. DieMieter sollen eine„Atem-
pause“ bekommen.Betroffen sind
alleMietwohnungenaufdemfreien
Markt, die vor2014 errichtet wur-
den.Dasdürftenetwa1,5Millionen
Haushalte sein.Dazu gehören zum
Beispiel auch die besonders teuren
möbliertenApartme nts.

Grenzwerte:DasGesetz formuliert
Grenzwerte für dieKaltmiete bei
Neuvermietungen.Diese liege zum
Beispiel fürWohnungen mitSam-
melheizungundBadinH äusernvor
1918 bei 6,45Euro proQuadratme-
ter oder bei neuerenWohnungen
bei 9,80Euro proQuadratmeter.
Dasentspricht den Miet-
spiegelwertenvon2013 plus einer
Preissteigerungvon13,5 Proz ent.
Weil der Mietenstopp rückwirkend
zum Stand 18.Juni diesen Jahres
gelten soll, sindMieterhöhungen,
die bis zu diesemZeitpunkt noch
nichtbindendzwischenMieterund
Vermieter vereinbartwaren, nicht
gültig.

Erhöhungen:Außerdem dürfenVer-
mieter bisher besonders niedrige
Mieten bei einerWieder vermietung
umbiszueinemEuroaufhöchstens
5,02Euro proQuadratmeter anhe-
ben.

Ausstattung:Beieiner modernaus-
gestattetenWohnung darfder neue
Mietvertrag1Euro über denGrenz-
werten liegen. Eine Wohnung gilt
dann als „modernausgestattet“,
wennsiemindestensdreiderfolgen-
den Merkmale aufweist:Einbaukü-
che,hochwertigeSanitärausstattung,
hochwertigen Bodenbelag, einen
schwellenlosvonder Wohnung und
vomHauseingang erreichbarenAuf-
zug, einenEnergieverbrauchskenn-
wert vonweniger als 120Kilowatt-
stundenproQuadratmeterundJahr.

Aufschlag:Ab 2022 könnenVermie-
teraußerdemjährlich1,3Proz entals
Inflationsausgleichaufschlagen–al-
lerdings nur dann,wenn sie damit
die definierten Obergrenzen nicht
überschreiten.

Obergrenzen:DasGesetzlegtOber-
grenzen für Bestandsmieten fest.
Solche Obergrenzen fürBestands-
mietenkommenwiedasEinfrieren
bei Neuvermietungen zumTragen
und dürfen nicht überschritten
werden.EineWohnung darfeinem
Neumieter nicht teurervermietet
werden al sdem Vormieter.Die
Obergrenzeliegtbei120Proz entder
Miete, die sich nach Alter undAus-
stattungderWohnungrichtet.Liegt
der Wert darüber,wirdera uf 120
Proz entreduz iert. Es gibtZu-und

Abschläge für einfache,mittlere
und gute Lagen. FürBestandsmie-
ten bei einfachenWohnlagen wird
ein Abschlagv on 28Cent proQua-
dratmeter angesetzt, bei mittleren
WohnlagenreduziertsichderOber-
wert für Bestandsmieten nur um
9Cent, für gute Lagen gibt es sogar
einenAufschlagvon74Cent.
ZumBeispie lgilt für den beste-
henden Vertragerwähnter Gründer-
zeit-Wohnung in einfacher Lage
dann 7,46Euro alsObergrenze. Die
genauso ausgestatteteWohnung in

„EsisteinsehrausgewogenesGesetzeswerk,was


fürvieleeinekonkreteEntlastungbedeutet.“


Michael Müller,Regierender Bürgermeister,zum Mietendeckel

guter Lage darfmaximal 8,48Euro
kosten.Ausgangswertbeibeidenwar
6,45 pr oQuadratmeter.Ammeisten
dürfendemnachneuereWohnungen
(von2003bis2013)inguterLagemit
modernerAusstattung kosten. Dort
ist12,50 EurodasMaximum.DasGe-
setz er laubtalso eine großePreis-
spanne.

Wuchermiete:Alles,wasüberdiesen
Werten liegt, gilt alsWuchermiete
undkannabgesenktwerden.Dasbe-
deutet: Bestandsmieten dürfen die
Grenzwerte um nicht mehr als 20
Proz entüberschreiten.

Modernisierung:Für weitereModer-
nisierungen gibt es öffentliche För-
derprogramme bei der landeseige-
nenInvestitionsbankBerlin(IBB).

Absenkung: Laut Gesetz soll es
keine flächendeckende Mietse n-
kung geben. Allerdings in allen
Fällen dieMieteabgesenkt,wenn
die Bestandsmiete über den jetzt
definierten Obergrenzen liegt.
LautGesetzesentwurfmüssenVer-
mieterden Mieternunaufgefor-
dertinnerhalbvonzweiMonaten
nach Inkrafttreten des Gesetzes
und vorAbschluss eines neuen
Mietvertrages Auskunft über die
Umstände zur Berechnung der
Mietober grenze erteilen. Anträge
auf Mietabsenkung werden von
der Senatsverwaltung für Stadt-
entwicklung bearbeitet–das glei-
che gilt für dieWidersprüche ge-
genbereitsergangeneBescheide.

Härtefälle: Sollten Vermieter einen
Härtefallantrag stellen wollen, kön-
nen sie dies bei der IBB tun.Diege-
nauenRichtliniendafürwerdennoch
erar beitet.

Strafen:Vermieterndrohen Geldbu-
ßenbiszueinerhalbenMillionEuro,
falls sie Auskunftspflichten zu ihren
Mieten nicht nachkommen. Das
kanninbestimmtenFällenauchMie-
terbetreffen.

Kontrolle: Federführend für die
Kontrolle des Gesetzes ist die
Stadte ntwicklungsverwaltung.Sie
muss dafür sorgen, dassrund 250
neue Beschäftigte eingestelltwer-
den. Weil es dauernwird, bis die
Stellenb esetzt sind, soll dieSen-
kungsregelung erst neunMonate
nach demMieten deckel in Kraft
treten,alsoimviertenQuarta ldes
komm endenJahres.Seiten2und 8
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