Handelsblatt - 25.10.2019

(Ron) #1
Kirstin von Elm Kiel

D


er Weg zurück an die
Uni führte für Charlot-
te Klement buchstäb-
lich über alle sieben
Meere: Nach ihrem
Studium in Tourismusmanagement
hatte sie 2009 bei einer amerikani-
schen Kreuzfahrtreederei angeheuert
und auf den schwimmenden Luxus-
hotels die Welt von der Karibik bis
zum Mittelmeer bereist. Direkt nach
dem Abschluss war das für die Nord-
deutsche ein toller und abwechs-
lungsreicher Job – nur eben kein be-
sonders nachhaltiger. „Auf dem sei-
nerzeit größten Kreuzfahrtschiff der
Welt fuhren wir mit riesigem CO 2 -Aus-
stoß durch die schönsten Regionen
unseres Planeten, während die Men-
schen an Land oft kaum Geld für Le-
bensmittel und Schulbildung hatten“,
sagt die Lüneburgerin.
So wie Klement machen sich im-
mer mehr junge Manager Gedanken
über die ökologischen und sozialen
Auswirkungen ihrer Arbeit. Und wer
schon als Schüler bei den Fridays-for-
Future-Demos gegen den Klimawan-
del gestreikt hat, hat meist klare Er-
wartungen an seine weitere Ausbil-
dung. Nachhaltiges Wirtschaften
steht für viele angehende Studenten
deshalb sehr weit oben auf ihrer Prio-
ritätenliste. Zahlreiche Business-
Schools tragen dem Rechnung und
passen ihre MBA-Programme nun an
die Wünsche der nächsten Führungs-
generation an.
Bei Charlotte Klement wuchs das
Interesse am Thema Nachhaltigkeit
über die Jahre immer weiter – und
damit auch der Drang, beruflich
mehr für die Umwelt zu tun. Als sie
entdeckte, dass es ausgerechnet in ih-

rer Heimatstadt Lüneburg einen pas-
senden MBA-Studiengang gab, stand
ihr Entschluss fest. Seit März 2018
studiert die 32-Jährige an der Leupha-
na-Universität Sustainability Manage-
ment. „Das Studium ist unglaublich
motivierend, weil es mir bewusst
macht, wie viel sich tatsächlich ver-
ändern lässt“, sagt sie.
Der Abschluss Master of Business
Administration (MBA) gilt als Schlüs-
selqualifikation für angehende Füh-
rungskräfte. Betriebs- und finanzwirt-
schaftliches Wissen steht ebenso auf
dem Lehrplan wie das Bewältigen
komplexer Entscheidungssituatio-
nen. Mit ihrem „grünen“ MBA zählt
die Lüneburger Universität weltweit
zu den Vorreitern in Sachen Nachhal-
tigkeit in der Management-Ausbil-
dung. Bereits seit 2003 bietet sie den
„MBA Sustainability Management“

als berufsbegleitendes Weiterbil-
dungsstudium an. 400 Alumni gibt
es schon, 250 Menschen studieren
das Fach gerade. Das Ziel sei, den Ab-
solventen Wissen und Werkzeuge an
die Hand zu geben, um Sozial- und
Umweltprobleme präzise zu analysie-
ren und zu einer nachhaltigen Ent-
wicklung beizutragen, so Studien-
gangsleiter Stefan Schaltegger.
Charlotte Klement wird ihren Ab-
schluss zwar erst 2021 machen, den
passenden neuen Job aber hat sie
schon gefunden: Seit Anfang 2019 ar-
beitet sie als Handelsreferentin beim
Öko-Lebensmittelverband Demeter.
Nachhaltigkeit und verantwor-
tungsvolle Unternehmensführung
(Corporate Social Responsibility,
CSR) – gerade für junge Führungs-
kräfte sind das erstrebenswerte Ziele
und attraktive Arbeitsbereiche, für

die einige sogar den Job wechseln
würden, zeigt eine Umfrage des Ver-
gleichsportals Gehalt.de. Demnach
haben 35 Prozent der Befragten bei
ihrer Berufswahl den Aspekt der
Nachhaltigkeit berücksichtigt oder
wollen das zukünftig tun. Bei den
Frauen sind es sogar 43 Prozent.

Wandel im Bewusstsein
Bei der beruflichen Neuorientierung
kann die passende Weiterbildung hel-
fen: Rund zwei Drittel der MBA-Ab-
solventen an der Leuphana wechsel-
ten einer Uni-Umfrage zufolge nach
dem Studium den Arbeitgeber oder
machten sich selbstständig. Mehr als
jeder vierte arbeitet seither im Be-
reich Nachhaltigkeit, etwa genauso
viele sind in der Geschäftsleitung
oder der strategischen Planung tätig.
Durch die veränderten politischen
Rahmenbedingungen wie die Agenda
2030 der Vereinten Nationen sei
nachhaltiges Wirtschaften für Unter-
nehmen nicht mehr Kür, sondern zu-
nehmend Pflicht, sagt Wolfgang Huf-
nagel, Wirtschaftsprofessor und Lei-
ter des Zentrums für nachhaltige
Unternehmensführung an der Fach-
hochschule des Mittelstandes (FHM).
Seit 2016 bietet die FHM eine Weiter-
bildung zum Nachhaltigkeitsmanager
an (siehe Interview auf der nächsten
Seite). Die Hochschule für Wirtschaft
und Umwelt Nürtingen-Geislingen
will künftig ebenfalls MBAs in Trend-
und Nachhaltigkeitsmanagement aus-
bilden.
Auch in der internationalen Spit-
zenliga lasse sich steigendes Interesse
an nachhaltigen Inhalten feststellen,
so die auf Bildungsmarketing spezia-
lisierte Agentur CarringtonCrisp. Das

Wirtschaftsstudiengänge


Führung for Future


Der Managergeneration von morgen wird nachhaltiges Wirtschaften immer wichtiger.


So entdecken auch Business-Schools das Thema und bauen ihre MBA-Programme um.


Der Wunsch nach einem nachhaltigen Job
Berücksichtigen Sie
Nachhaltigkeit bei Ihrer
Berufswahl?

35,1 %
Ja

24,7 %
Vielleicht

40,2 %
Nein

1) Haben Sie das Thema berücksichtigt bzw. werden Sie es tun? Befragt: 418 Arbeitnehmer; 2) Mai 2019
HANDELSBLATT Quellen: Gehalt.de, Carringtoncrisp: Tomorrow’s MBA

Gefragte Inhalte im MBA-Studium nach Geschlechtern

Geschäfts- und Finanzumfeld
Data Analytics
Wirtschaftsrecht
Unternehmensfinanzierung
Ökonomie
Entrepreneurship
Innovation/Kreativität
Change Management

Männer
Geschäfts- und Finanzumfeld
Change Management
Wirtschaftsrecht
Unternehmensfinanzierung
Corporate Social Responsibility
Data Analytics
Innovation/Kreativität
Entrepreneurship

Frauen
1 2 3 4 5 6 7 8

LeuLeuphap nana-Uniniverversitsitätät LünL ebueburg:rg:
Vororreireterbebei NiNachhahaltigkeitsstudtu iengänngenggen.

imago images/imagebroker

Die Bewerber


repräsentieren


eine neue


Generation von


Studenten mit


wachsendem


Interesse an


verantwortlichem


Management.


Andrew Crisp
Bildungsforscher

Spezial
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
18
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