Handelsblatt - 25.10.2019

(Ron) #1
Provisionsdeckel

Regeln laufen ins Leere


M


it dem geplanten Provisi-
onsdeckel sollen die Ab-
schlussprovisionen bei Le-
bens- und Rentenversicherungen
gekürzt werden. Doch der Referen-
tenentwurf gilt als umstritten. Eine
aktuelle Studie gibt den Kritikern
recht: Eine solche Deckelung könne
die verschwindend geringe Rendite
in der Niedrigzinsphase „nicht an-
satzweise kompensieren“. Zugleich
werde die Wirkung des Provisions-
deckels auf die Rentenhöhe und
Rendite von Versicherungsverträ-
gen deutlich überschätzt, schreibt
Studienautor Arndt von Eicken vom
Analysehaus Assekurata, das die
Studie im Auftrag des Deutschen In-
stituts für Altersvorsorge (DIA) er-
stellt hat.
Im Zuge der anhaltenden Diskus-
sionen um die extrem niedrigen
Zinsen hatte das SPD-geführte Bun-
desfinanzministerium im Frühjahr
2019 den „Entwurf eines Gesetzes
zur Deckelung der Abschlussprovi-
sionen von Lebensversicherungen
und von Restschuldversicherungen“
präsentiert. Demnach soll der De-
ckel bei 25 Promille der summierten
Beiträge während der Vertragslauf-
zeit liegen. Bei Nachweis qualitati-
ver Kriterien in der Beratung kann
er auf bis zu 40 Promille steigen.
Damit sollten exzessiv hohe Provi-
sionen verhindert werden. Seit
Sommer soll das Bundeskabinett
über die Vorschläge beraten. Pas-
siert ist bislang aber wenig. So soll
sich unter anderem die Arbeits-
gruppe Finanzen der CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion gegen einen Provisi-
onsdeckel aussprechen.
Im derzeitigen Zinstief suchen Le-
bensversicherer nach Möglichkei-
ten, Kunden noch Produkte mit aus-
kömmlichen Renditen bei modera-
tem Risiko anbieten zu können.
Kosteneinsparungen kommt daher
eine immer größere Bedeutung zu.
Die Abschlussprovision beim Kauf
des Produkts nehme dabei einen
vermeintlich hohen Stellenwert ein,
heißt es in der DIA-Studie. Ein ge-
meinsames Gutachten der Universi-
tät Hohenheim und des Instituts für
Finanz- und Aktuarwissenschaften
(ifa) Ulm kam aber bereits 2018 zu
dem Ergebnis, dass ein Provisions-
deckel nahezu keine Auswirkung
auf die Rendite eines Lebensversi-
cherungsprodukts habe.

Assekurata hat nun noch einmal
nachgerechnet: Die Experten führ-
ten Modellrechnungen für die Ren-
tenversicherungsprodukte Sofort-
rente, neue klassische Rente und in-
dexgebundene Rente durch. Einmal
wurde die Rentenhöhe für einen
Provisionssatz von 40 Promille be-
rechnet. Das entspreche in etwa der
derzeitigen Höhe der Provisionen.
Laut einer Bafin-Erhebung, auf die
sich auch der Referentenentwurf
beruft, leisteten die Versicherer für
das Neugeschäft 2017 vertriebswe-
geübergreifend Abschlussprovisio-
nen von durchschnittlich 37,74 Pro-
mille. In einer zweiten Berechnung
ermittelten die Experten die Renten
bei einer Provision von 25 Promille


  • der angedachten Höhe des Provisi-
    onsdeckels. Die Ergebnisse seien er-
    nüchternd: Je nach Produkt fällt die
    monatliche Rente bei der niedrige-
    ren Provision zwischen 4,86 Euro
    und 7,25 Euro höher aus. Der Rendi-
    teeffekt liegt lediglich zwischen
    0,09 Prozent und 0,16 Prozent.
    Der Provisionsdeckel führe ohne-
    hin ins Leere, heißt es in der Studie:
    Da weder die Stornoquoten noch
    die Beschwerdequoten Anlass dafür
    liefern, in großer Breite die Güte
    der Beratung zu beanstanden, sei
    davon auszugehen, dass die über-
    wiegende Mehrzahl der Vermittler
    Anspruch auf eine Provision von bis
    zu 40 Promille hätte.
    Nicht zuletzt deshalb blockiert
    die Unionsfraktion das Gesetzesvor-
    haben. So habe die Arbeitsgruppe
    Finanzen ein Positionspapier vorge-
    legt, worin sie sich für eine Stär-
    kung der Rechte der Finanzaufsicht
    Bafin bei der Überwachung der Pro-
    visionshöhe einsetzt, berichtet
    „Fonds Professionell Online“. Eine
    Anfrage des Handelsblatts zu die-
    sem Positionspapier ließ die CDU/
    CSU-Fraktion bis zum Redaktions-
    schluss unbeantwortet.
    Laut der DIA-Studie sollten Versi-
    cherungsnehmer, die eine höhere
    Rendite bei der Altersvorsorge wün-
    schen, an anderen Stellen als der
    Provisionshöhe ansetzen. Vor allem
    Versicherungsverträge mit einem
    hohen Maß an Garantien weisen ei-
    ne besonders geringe Rendite auf.
    Besser seien moderat chancenrei-
    chere Produkte wie fondsgebunde-
    ne Rentenversicherungen. Susanne
    Schier


Produkten wie Hausrat-, Wohngebäu-
de- und Haftpflichtversicherung vor,
die gern im Paket angeboten werden.
Vorsicht ist hier dennoch geboten.
Denn keine Gesellschaft hat nur Top-
Produkte im Angebot, mahnen In-
sider. Häufig werden jedoch die weni-
ger guten Produkte über ein gutes
Einstiegsprodukt mitverkauft. Trotz
des in Aussicht gestellten Rabatts
kann es dann für Kunden sinnvoller
sein, einzeln und auch über verschie-
dene Anbieter vorzugehen. Denn
nicht nur der Preis entscheidet, son-
dern auch die in den Vertragsbedin-
gungen enthaltenen Konditionen.


nPseudosimplifizierung: So nen-
nen Insider der Branche den Trend,
das oftmals komplexe Vertragsge-
flecht einfacher gestalten zu wollen.
Dann wird die Zahl an Fragen, die
der Kunde für sein persönliches An-
gebot beantworten muss, reduziert,
oder die Allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen werden entschlackt. Dies,
um Kunden bloß nicht zu nerven
und mit allzu vielen Fragen zu belas-
ten. In manchen Fällen mag das stim-
men, wie unter Anbietern wohlbe-
kannt ist. Noch immer sorgt bei-
spielsweise für Kopfschütteln, warum
Unfälle mit Haarwild, also mit Reh,
Hirsch oder Wildschwein, über die
Kfz-Kaskoversicherung abgedeckt
sind, während diese bei Federwild
wie einen Bussard nicht gilt. In sozia-
len Netzwerken kursieren indes etwa
Bilder, auf denen sich Allianz-Chef
Oliver Bäte und Vorstand Christoph
Mascher vor Lachen kugeln, als bei
einer internen Veranstaltung beson-
ders absurde Vertragsgestaltungen ih-
res Hauses präsentiert wurden. Der
Trend zur Einfachheit birgt jedoch


auch Gefahren. „Die weitverbreitete
Simplifizierung in der Branche stößt
dann auf Probleme, wenn Schwierig-
keiten auftauchen und die Beratung
komplex wird“, sagt Swiss Life-Mana-
ger Butzlaff.

nVergleichsportale:Sie gewinnen
bei der Vermittlung von Versicherun-
gen immer mehr Bedeutung. An der
Spitze steht dabei Check24 aus Mün-
chen. Zu bestimmten Zeiten, etwa
bis Ende November, wenn Autofah-
rer durch Kündigung ihrer bisheri-
gen Versicherung ab dem neuen Jahr
zu einem anderen Anbieter wechseln
können, haben die Portale Hochkon-
junktur. Das Problem: Es sind nicht
alle großen Anbieter auf den Porta-
len vertreten. Der Marktführer bei
Kfz-Versicherungen, Huk-Coburg, hat
beispielsweise vor rund zwei Jahren
Check24 mit seinem Onlineangebot
Huk24 verlassen. Trotzdem tendie-
ren viele Kunden gerade bei einfa-
chen Produkten wie der Kfz-Versi-
cherung immer stärker dorthin. Die
Berater von McKinsey haben bei-
spielsweise herausgefunden, dass im
vergangenen Jahr 36 Prozent der On-
lineabschlüsse in Deutschland über
Vergleichsportale zustande kamen.
Europaweit war es gar fast die Hälfte.
Für Versicherungskunden haben
Portale den Vorteil, dass sie mit we-
nigen persönlichen Eingaben eine
große Zahl an Angeboten erhalten
und das Portal auf Wunsch auch den
Wechsel übernimmt. Der Nachteil
ist, dass dort vor allem der Preis im
Vordergrund steht, weniger unter-
schiedliche Vertragsdetails.

nKundenkonten: Dort ist ein re-
gelrechter Kampf um Kunden ent-
brannt. Hintergrund: Kaum ein
Kunde ist nur bei einem Versiche-
rer, einer Bank oder einem Finanz-
dienstleister. Allzu oft kommen hier
ein halbes Dutzend oder mehr Kun-
denbeziehungen zusammen. Viele
Anbieter bieten daher mittlerweile
über ihr Portal ein Kundenkonto an,
auf dem diese nicht nur ihre Verträ-
ge bei dieser Gesellschaft einsehen
können, sondern auch die Policen
von anderen Versicherern und Fi-
nanzdienstleistern hinzufügen kön-
nen. Was nach sinnvollem Service
klingt, hat für die Marketingexper-
ten der Versicherer enorme Bedeu-
tung. Über solche Kundenkonten
bekommen Anbieter rasch einen
Überblick über alle Verträge ihrer
Kunden und damit über Möglichkei-
ten, wo der Konkurrenz noch Poli-
cen abzujagen sind.

Versicherungsbranche


Zahl der Mitarbeiter im Vertrieb


201 300

32 300

HANDELSBLATT


2011 2018
Quelle: GDV

300 000


200 000


100 000


0

Selbstständige Versicherungs-
vermittler/-berater
Außendienstangestellte

Bildschirm -


beratung via


Facetime


oder ähnliche


Kanäle muss


man heute


haben.


Wolfgang Hanssmann
Vertriebschef HDI

 
      
 
 



   
 
 


  


 
 

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Private Geldanlage
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
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