Handelsblatt - 25.10.2019

(Ron) #1

Bloß kein


Sieger sein!


Konkurrenz im Büro gilt neuerdings als verpönt. Dabei


belebt sie richtig dosiert durchaus das Geschäft. Wann


Rivalität unter Kollegen nützt – und wann sie schadet.


Lazar Backovic, Michael Scheppe Düsseldorf

E


s sind Geschichten, wie Philipp Zim-
mermann* sie erzählt, die das Kli-
schee vom Büro als Haifischbecken zu
bestätigen scheinen. Schon mit Ende
20 gehörte Zimmermann zum obers-
ten Führungsteam einer Immobiliengesellschaft
mit mehreren Hundert Angestellten, nur noch der
Vorstand war über ihm. Allein dass er so schnell so
weit oben angelangt war, sorgte bei vielen seiner
Kollegen für Missgunst. Was ihn zum Feind im Bü-
ro machte: Bei einer Beförderung musste Zimmer-
mann zwischen zwei Kandidaten entscheiden. Der
Unterlegene versuchte fortan, Zimmermann zu sa-
botieren, und stachelte weitere Kollegen an, gegen
den Manager zu stänkern. Sie ließen ihn in Mee-
tings schlecht aussehen, hielten E-Mails zurück,
bauten absichtlich Fehler in Kalkulationen ein und
machten Kunden falsche Versprechungen. Der
Vorstand hielt zu Zimmermann. Allerdings ver-
brachte der junge Manager die Hälfte des Tages da-
mit, seine Position zu verteidigen und ja keine eige-
nen Fehler zu machen. „Mit 50 hätte ich diese
Stressbelastung nicht mehr ausgehalten“, sagt Zim-
mermann.
„Ha, wussten wir es doch“, hört man New-Work-
Berater und Agile-Coaches beim Lesen solcher Zei-
len frohlocken, „Konkurrenz ist böse“. Und ja, es

stimmt: Wenn interne Konkurrenzkämpfe ausarten
und es längst nicht mehr um die bessere Leistung,
sondern um Seilschaften und Schikanen geht,
dann schadet solch unfairer Wettbewerb – wie im
Fall Zimmermann – dem Wohl des Unternehmens.
Doch nicht nur in ihrer ungesunden Ausprä-
gung, sondern ganz generell haben Wettbewerb
und Konkurrenz als Motivationsinstrument derzeit
einen schweren Stand. Kooperation lautet die Ma-
nagementparole der Stunde, Zusammenarbeit statt
Ellenbogen. Auch deshalb, weil man Sorge hat,
dass offen zur Schau gestellter Wettbewerbsgeist
bei jungen Talenten schlecht ankommt. Unterneh-
mensberatungen und Großkanzleien, einst als Hai-
fischbecken berüchtigt, präsentieren sich in Re-
cruitinganzeigen heute bevorzugt als fröhlich-kolle-
giale Business-Kommunen. Beim Softwarekonzern
Microsoft bekommen die Mitarbeiter ihren Bonus
heute anhand von Kriterien wie kollegialem Verhal-
ten und der Wirkung für den Gesamterfolg des Un-
ternehmens. Vorbei die Zeiten, in denen Microsoft-
Manager einer bestimmten Anzahl ihrer Mitarbei-
ter zwingend die schlechteste Bewertung geben
mussten – des einen Erfolg war damals zwangsläu-
fig des anderen Misserfolg. Selbst die Investment-
bank Goldman Sachs, legendär für ihr kompetitives
Betriebsklima, sagt auf Nachfrage über die eigenen

Beförderungskriterien: „Es gibt keinen Konkur-
renzkampf.“ Stattdessen zählten Integrität, Team-
work – und, klar, der Kunde.
Was in dieser schönen neuen Arbeitswelt voller
Harmonie und Hand-in-Hand-Mentalität verloren
gegangen zu sein scheint, ist der Blick dafür, dass
Konkurrenz im Büro in einigen Situationen durch-
aus das Geschäft belebt. „Wenn der Wettbewerb
konstruktiv ist, sind Mitarbeiter viel motivierter, le-
gen noch eine Schippe drauf und haben durch den
positiven Stress bessere Ideen“, sagt Hannes Za-
cher, Professor für Arbeits- und Organisationspsy-
chologie an der Universität Leipzig.
Management ist nun einmal der Umgang mit
knappen Ressourcen: Nur einer kann die Teamlei-
tung bekommen, nur ein Investitionsprojekt wird
realisiert, und nicht jeder bekommt eine Gehaltser-
höhung. Und wer sich auf dem Weg nach oben
nicht einmal gegen interne Kontrahenten durchset-
zen kann, wird es schwer haben, wenn er als Ma-
nager Konkurrenzunternehmen die Aufträge abja-
gen soll. Denn spätestens dabei werden keine
Rücksichten mehr genommen.
Im Topmanagement von Großkonzernen be-
währt sich bei Nachfolgefragen nicht ohne Grund
schon seit Jahren das Kronprinzen-Prinzip. Heißt:
Einige wenige werden parallel auf den CEO-Posten
vorbereitet. Am Ende kriegt nur einer den Job. Die
anderen gehen leer aus. Der französische Versiche-
rungskonzern Axa ließ bei seiner letzten CEO-Aus-
wahl jeden Kronprinzen sogar ein eigenes Buch
schreiben. Drei Fragen sollten die Chefanwärter
darin beantworten: Wer bist du? Was ist deine Visi-
on? Und wie setzt du sie um? Am Ende hatte sich
der Deutsche Thomas Buberl durchgesetzt. Inzwi-
schen, so hört man in der Branche, haben einige
Headhunter den Bücher-Trick übernommen.
Auch Goldman Sachs hält trotz Börsennotierung
an ihrem legendären Partner-Modell fest. 2018 er-
reichten nur 69 Goldman-Mitarbeiter den begehr-
ten Status. Die Besonderheit: Wer nicht genug Leis-
tung bringt, dem wird der Partner-Status auch wie-
der weggenommen. Ein Prozess, der „brutal sein
könne“, so die „Financial Times“. „Die Partner-
struktur ist integraler Bestandteil der starken Kul-
tur bei Goldman Sachs“, erklärt eine Sprecherin
auf Anfrage. Den Erfolg der Bank über 150 Jahre
führe man nicht zuletzt auf diese Kultur zurück.

Wenn der


Wettbewerb


konstruktiv ist,


sind


Mitarbeiter


viel


motivierter.


Hannes Zacher
Arbeitspsychologe

Karriere
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
60

DigitalVision Vectors/Getty Images
Free download pdf