Die Welt Kompakt am Sonntag - 20.10.2019

(Rick Simeone) #1

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soden wie diese so wild seien, dass
man sie kaum glauben könne. Hat das
Hustengespräch so stattgefunden?
Die Interaktionen und Begegnungen
sind alle real. Im Grunde waren es ja ge-
nau Begegnungen wie diese, die mich
angetrieben haben, dieses Buch gerade
jetzt zu veröffentlichen. Ich will zeigen,
wie wichtig das ist: zu versuchen, einen
gemeinsamen Nenner zu finden – selbst
mit militärischen Gegnern, die eine ex-
trem andere Weltsicht haben.

Als Nächstes sagten Sie dem Al-Qai-
da-Mann: „Können wir zumindest
heute versuchen, Menschen zu retten,
auch wenn die Menschheit sich mor-
gen wieder zerstört?“ Der Anschlag
sei ausgeblieben. Sind Sie eine Idea-
listin?
Ich glaube, dass es eine Schnittmenge
an Menschlichkeit gibt, und sei sie auch
noch so klein.

Das erinnert an einen kitschigen Hit
von Sting: „I hope the russians love
their children too“. Was sagen Sie Kri-
tikern, die so was naiv finden?
(lacht)Kurios, dass Sie gerade diesen
Song erwähnen. Bei der CIA kannte ich
jemanden, der diesen Song sehr liebte.
Das ist eine Hymne, die genau das aus-
drückt, was auch ich erlebt habe. Manche
unserer Feinde wirken wie Monster, fast
wie Karikaturen. Trifft man sie dann und
spricht mit ihnen, findet man womöglich
kleine Schnipsel gemeinsamer Erfahrun-
gen. Unsere Aufgabe sollte darin beste-
hen, diese Schnittmengen zu finden, so
klein sie auch sein mögen. Gemeinsam-
keiten mit Gegnern zu finden, das ist für
mich derzeit der größte patriotische Akt.
Wir erleben doch zurzeit eine beispiello-
se Polarisierung, einen Zerfall unseres öf-
fentlichen Lebens, unserer Debatten –
nicht nur in den USA, auch in Europa. Es
ist dringend notwendig, gerade jetzt zu
begreifen, dass man auf ideologische
Gegner zugehen kann.

Zwei Ereignisse brachten Sie dazu, als
CIA-Agentin in den Krieg gegen den
Terror einzutreten. Der Tod Ihrer Ju-
gendfreundin Laura, die 1988 beim

20 DEUTSCHLAND & DIE WELT WELT AM SONNTAG NR.42 20.OKTOBER


Die Vorgeschichte dieses Interviews er-


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Die Vorgeschichte dieses Interviews er-


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innert an Katz-und Maus-Spiele, wie sie


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innert an Katz-und Maus-Spiele, wie sie


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Amaryllis Fox in ihrem Buch „Life Un-


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Amaryllis Fox in ihrem Buch „Life Un-


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dercover. Als Agentin bei der CIA“ be-


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dercover. Als Agentin bei der CIA“ be-


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schreibt. Tage vor dem Termin in ihrer


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schreibt. Tage vor dem Termin in ihrer


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Wohnung nahe Los Angeles ließ sie ver-


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Wohnung nahe Los Angeles ließ sie ver-


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lauten, das Gespräch vielleicht nicht


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lauten, das Gespräch vielleicht nicht


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führen zu können. US-Medien hatten


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führen zu können. US-Medien hatten


berichtet, Fox habe womöglich keineberichtet, Fox habe womöglich keineDDD


Freigabe von der CIA erhalten, wie sie
für alle Agenten, die Bücher über ihre
Arbeit schreiben, obligatorisch ist. Ei-
nen Tag vor dem Interview gab sich Fox
in einer Mail zerknirscht: Sie könne in
dieser Lage kein Interview geben. Rat
ihres Anwalts. Ob das Buch, dessen Vor-
abdruck Journalisten schon gelesen hat-
ten, erscheinen werde? Ungewiss. Acht
Jahre war die heute 38-Jährige als Agen-
tin mit falscher Identität in vielen Kri-
senregionen, Kontakte zu Waffenhänd-
lern inklusive. Ihr Auftrag: Terroran-
schläge vereiteln und verhindern, dass
Extremisten an Atomwaffen kamen. In
dieser Zeit wurde ihre erste Tochter,
Zoe, geboren. Anders als andere Me-
moiren von CIA-Agenten kann man die-
ses Buch auf zwei Ebenen lesen – als In-
sider-Kritik an der US-Geheimdienst-
und Außenpolitik der letzten Jahrzehn-
te. Und als extremen Erlebnisbericht
über die Vereinbarkeit von Kind und
Karriere. Vor ein paar Tagen schrieb Fox
uns wieder eine Mail: Buch erscheint.
Interview klappt. Diesmal via Skype.


VON MARTIN SCHOLZ

WELT AM SONNTAG: Ihr Buch über Ih-
re Agentenzeit soll keine Freigabe von
der CIA bekommen haben. Nun er-
scheint es doch. Haben Sie sich mit
Ihrem Ex-Arbeitgeber geeinigt, oder
rechnen Sie mit einer Klage?
AMARYLLIS FOX:Ich bin ein bisschen
angespannt, was diesen Vorgang be-
trifft. Es ist mir nicht erlaubt, darüber
zu sprechen. Es war ein langer Prozess,
zeitweise sehr frustrierend. Ich kann
Ihnen nur so viel sagen: Bevor ich über-
haupt mit dem Schreiben begann, be-
kam ich bereits Vorgaben, was ich aus-
lassen, was ich ändern musste. Ich habe
sehr viel Mühe und Sorgfalt darauf ver-


wandt, das umzusetzen. Für mich ist

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wandt, das umzusetzen. Für mich ist

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dieses Buch kein Enthüllungsbericht

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dieses Buch kein Enthüllungsbericht

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über besonders geheime Operationen

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über besonders geheime Operationen

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oder Einsätze. Es ist vor allem meine

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oder Einsätze. Es ist vor allem meine

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persönliche Geschichte darüber, wie ich

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persönliche Geschichte darüber, wie ich

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in der CIA erwachsen wurde.

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in der CIA erwachsen wurde.

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Sie kamen mit 22 zur CIA, als eine der

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Sie kamen mit 22 zur CIA, als eine der

DDDjüngsten Agentinnen damals. Sie be-jüngsten Agentinnen damals. Sie be-


kamen eine falsche Identität, waren
in Pakistan und vielen Krisenregio-
nen acht Jahre lang im Einsatz.
Ja. Mir geht es bei diesem Buch vor allem
darum, meinen Lernprozess zu zeigen –
wie ich selbst mit den schlimmsten Fein-
den, mit Leuten, die mich killen wollen,
Gemeinsamkeiten finden konnte.

Der US-Sender NBC legte Stellen aus
Ihrem Buch Ex-CIA-Mitarbeitern vor.
Die bezweifelten, dass Sie sich allein
mit dem Führer einer Al-Qaida-Zelle
in Pakistan getroffen haben. Der woll-
te eine Bombe, die radioaktives Mate-
rial freisetzt, in Karatschi zünden.
Ja.

Die von NBC zitierten Leute monier-
ten, die CIA hätte einen Agenten nie-
mals allein zu so einem gefährlichen
Treffen geschickt. Was sagen Sie?
Da sind wir jetzt in jenem heiklen Be-
reich, in dem es um Spionagepraxis
geht, die ich in meinem Beruf gelernt
habe und jetzt mit der Öffentlichkeit
teile. Für mich war klar, dass ich über
solche Begegnungen schreiben kann,
ohne bedenkliche Details zu offenba-
ren, die die Sicherheit von CIA-Opera-
tionen gefährden würden. Ich kann Ih-
nen jetzt nicht benennen, welche De-
tails das waren. Ich schreibe ja auf der
ersten Seite des Buches, dass Namen,
Orte und Details zu bestimmten Opera-
tionen geändert wurden, um Informan-
ten und Arbeitsmethoden des Geheim-
dienstes zu schützen.

Bei dem Treffen hörten Sie das Baby
des Terroristen husten und empfah-
len ihm ein altes Hausrezept: Nelken-
öl. Die „Washington Post“ schrieb, es
wäre eine Schande, würde Ihr Buch
nicht veröffentlicht. Auch wenn Epi-

Als sie für die CIA arbeitete, musste sie Anschläge verhindern –


und ihr Baby versorgen. Ihr Buch darüber bringt ihr viel Ärger


mit ihrem Ex-Arbeitgeber. Ein Gespräch mit Amaryllis Fox


über al-Qaida und Nelkenöl


Ich wollte den Feind


besser verstehen

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