Die Welt Kompakt am Sonntag - 20.10.2019

(Rick Simeone) #1

WELT AM SONNTAG NR.42 20.OKTOBER2019 KULTUR 45


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© Asja Caspari

rowohlt.de

«Ein erzählerisches Meisterstück.»
Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung

«Ein Pageturner ... ein atemberaubendes Stück Zeitgeschichte ... Ein großer Roman.»
Carsten Otte, SWR 2 «Lesenswert»

«Schon die wahre Geschichte klingt so spektakulär, als wäre sie erfunden ...
Ein ebenso klug komponiertes wie spannendes Buch.»
Martin Doerry, Der Spiegel

«In der Belletristik gibt es erstaunlich wenig Vergleichbares.»
Cornelia Geißler, Berliner Zeitung

Nach dem internationalen Erfolg von «In Zeiten des
abnehmenden Lichts» kehrt Eugen Ruge zurück zur Geschichte
seiner Familie – in einem herausragenden neuen Roman.

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In 125 Jahren Kinogeschichte entwickelte sich


der Vorspann zu einer eigenen Attraktion


innerhalb des Hauptfilms. Nun wird immer


häufiger auf diese Bildouvertüren verzichtet.


TTTypologie einer sterbenden Kunstformypologie einer sterbenden Kunstform Verzahnung ist noch heute die beliebteste Methode, das Vor-
spannproblem elegant zu umschiffen – doch nicht mehr Stand
der Kunst. David Fincherbeginnt „Se7en“mit Aufnahmen von
einem Arbeitstisch, wo Hände manisch kritzeln, Fotos entwickeln
und Artikel aus Zeitungen schneiden. Es ist ein Videoclip der sich
erst entziffern lässt, wenn man den Mörder kennt, ein von dem
Grafikdesigner Kyle Cooper angerichteter Appetithappen, der
Schule gemacht hat, vor allem in Serienintros. Der bekannteste
deutsche Titelgestalter, der Berliner Darius Ghanai, zeigt am An-
fang von „Good Bye, Lenin!“ Super-8-Clips aus der Kindheit von
Daniel Brühl.

Aller Anfang ist ein Clip

laubte Orson Welles in einem jugendli-
chen Anfall von Größenwahn nur einen
einzigen Namen im „Citizen Kane“-
Vorspann, nämlich den eigenen – aber
das war im Vergleich zu heute noch in-
formativ. Der frugale Clint Eastwood
zeigt grundsätzlich lediglich den Titel,
wie auch George Lucas bei allen „Star
Wars“-Folgen, wo nichts von der Gran-
diosität seiner Raumflotte ablenken
darf; Schauspieler sind bei ihm eh Ver-
fügungsmasse.
Früher hat sich ein Film per Vor-
spann vorgestellt. Jetzt sagt er sofort
„du“ und packt dich an der Gurgel.
Christopher Nolans „Batman Begins“
startete den Trend, dass nicht einmal
mehr der Titel eingeblendet wird; man
könnte sich im Multiplex ins falsche Ki-
no verirren und wundern, warum im
neuen Woody Allen so viel geballert
wird. Steven Spielberg hat einmal ge-
sagt, Statistiken zeigten, dass das Pu-
blikum Vorspänne für überflüssig hal-
te; kompletter Nonsens, niemand ver-
lässt das Kino wegen eines Vorspanns
(erst recht nicht wegen eines reizvol-
len), und Sender hacken die Spänne so-
wieso brutal ab, vorne und hinten. Zu-
nehmend werden sie durch etwas wirk-
lich Lästiges ersetzt, kleine Logofilme
der Geldgeber, manchmal ein gutes
halbes Dutzend hintereinander, die
sollte Spielberg verbannen.

Nun hat man eine Zeit lang seine
Hoffnung in Serien gesetzt, die – damit
Kinoprestige auf sie abfärbt – in origi-
nelle Vorspänne investierten. Doch vor
zwei Jahren führte Netflix die „Skip In-
tro“-Option ein, womit Zuschauer beim
Komaglotzen zu Beginn jeder neuen
Folge die lästigen Vorspänne übersprin-
gen können. Einige Titelkünstler haben
sich ins Abspannexil gerettet, doch das
ist noch verlorenere Liebesmüh, schie-
ben sich doch im Kino nach dem „En-
de“ (das auch zunehmend ausstirbt) so-
fort Köpfe ins Sichtfeld, und im Fernse-
hen wird der Abspann in ein Minikäst-
chen verbannt, um der nächsten Folge
oder der Werbung für die neue Serie
Platz zu machen.
Bei Filmen zählt nicht mehr der Star
oder der Regisseur, nur noch die „Mar-
ke“, ob sie nun Harry Potter oder Bat-
man heißt. Der langsame Tod des Vor-
spanns ist ein Indiz dafür. Wir nähern
uns dem Zustand, in dem die Kreativen
einer Kreation unsichtbar werden.
Ganz wie in des Filmes Kindertagen.
P.S.: Vorspannsüchtigen wird emp-
fohlen, sich „Das winkende Mädchen“
zu beschaffen, einen deutschen Kurz-
film aus den Achtzigerjahren. Der ver-
bringt die ersten sieben Minuten da-
mit, im Vorspann jede noch so kleine
Position aufzuzählen. Dann winkt das
titelgebende Mädchen. Dann: Schluss.

Der neueste Schrei sind Zeitsprungvorspänne. Zu Beginn von
„Casino“ steigt Robert De Niro in seine Limousine, dreht den
Zündschlüssel – und verschwindet in einer roten Explosionswolke,
die am Vorspannende in das Las-Vegas-Casinorot mündet; wir
haben einen Blick in die Zukunft geworfen, werden aber lernen,
dass De Niro überlebt. Es ist ein Zeitfenster in die Zukunft, wie
die rasante Fahrt durch das Gehirn von Brad Pitt unter dem
„Fight Club“-Vorspann, die bei seinem zweiten Ich Edward Nor-
ton herauskommt – eigentlich dem Filmende.

Und schließlich mit Zeitsprung

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