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Schulz
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Deutschland
Sozialdemokratie
Schulz warnt vor »Mutti« und den Grünen
Ehemaliger SPD-Chef schwört seine Partei auf Fortsetzung der Großen Koalition ein.
Der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz hat seine Partei ein-
dringlich vor einem Ausstieg aus der Großen Koalition gewarnt.
In einer internen Sitzung wandte sich Schulz laut Teilnehmern
gegen Bestrebungen bei den Genossen, das Bündnis mit der Union
vorzeitig zu beenden. »Warum soll ich Frau Merkel das Misstrau-
en für einen Koalitionsvertrag aussprechen, den ich ausgehandelt
habe und den zwei Drittel unserer Mitglieder wollten?«, sagte
Schulz nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Teilnehmer
in der SPD-Bundestagsfraktion am vergangenen Dienstag. Schulz
warnte vor drastischen Folgen: Wenn es nach einem Koalitions-
bruch zu vorzeitigen Neuwahlen komme, werde »Mutti«, gemeint
war Angela Merkel, nochmals antreten. Dann werde es eine
»schwarz-grüne Kampagne gegen die AfD« geben, und die SPD
werde zerrieben. Das Ergebnis der Sozialdemokraten werde
dann »nicht Brandenburg sein, sondern Sachsen«, sagte Schulz in
Anspielung auf die jüngsten Landtagswahlen. In Sachsen waren
die Sozialdemokraten auf 7,7 Prozent gekommen. Schulz antwor-
tete mit seinem Vortrag auf eine Vorrednerin, die erklärt hatte,
sie wisse noch nicht, wie sie zur Zukunft der GroKo stehe. Beim
SPD-Parteitag im Dezember soll die Halbzeitbilanz der Regie-
rung debattiert werden. Noch ist aber unklar, ob dort formal über
Verbleib oder Ausstieg aus der Koalition abgestimmt wird.HIC, VME
»Mein Vater sagte uns Kindern immer: Das Deutschland von heute ist anders als damals.«‣S. 28
DER SPIEGEL Nr. 43 / 19. 10. 2019
Grundrente
DGB fordert mehr Tempo
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerk-
schaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann,
hat die Große Koalition zu einer raschen
Einigung im Streit um die Grundrente auf-
gerufen. »Es ist gut, dass die Verhand-
lungspartner immer noch gemeinsam am
Tisch sitzen. Wir erwarten aber auch, dass
die Gespräche bald zu einem Ende kom-
men«, sagt Hoffmann. Wer hart gearbeitet,
Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt
habe, müsse sich im Alter auf eine gute
Absicherung verlassen können – oberhalb
der Grundsicherung. »Gerade in Deutsch-
land mit seinem riesigen Niedriglohnsek-
tor erodiert dieses sozialstaatliche Verspre-
chen immer weiter«, so der DGB-Chef.
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag
war eine Arbeitsgruppe von Union und
SPD erneut ergebnislos auseinandergegan-
gen, die Verhandlungen sollen nächste
Woche fortgesetzt werden. Auch der Koali-
tionsausschuss von CDU, CSU und SPD
wird sich am Sonntag voraussichtlich mit
dem Thema beschäftigen. Umstritten ist
vor allem, wie teuer das Projekt werden
soll. »Teile der Koalition haben offenbar
das Geld und die Chuzpe, Hunderte Mil-
lionen Euro für ein Mautprojekt einfach
aus dem Fenster rauszuwerfen. Da wird es
dann schwierig, über zwei Millionen älte-
ren Menschen zu erklären, dass für eine
vernünftige Absicherung für sie kein Geld
mehr da ist«, mahnt Hoffmann. COS