Handelsblatt - 21.10.2019

(Brent) #1
Joachim Hofer, Florian Kolf
München, Düsseldorf

W


eniger ist mehr:
Der Wander-
schuh-Hersteller
Hanwag hat sei-
nen Vertrag mit
Intersport gekündigt, Deutschlands
größtem Sporthändlerverbund.
Künftig werde das traditionsreiche
Unternehmen aus Oberbayern nur
noch ausgewählte Läden der Genos-
senschaft beliefern, sagte Geschäfts-
führer Thomas Gröger dem Handels-
blatt.
„Die suchen Massenprodukte, die
für alle Händler passen“, betonte der
Manager. „Und das möglichst exklu-
siv für Intersport.“ Das sei aber nicht
das, was eine Marke wie Hanwag aus-
zeichne. Sie stehe nicht für Mittel-
maß. Sondern vielmehr für hand-
werklich außergewöhnliche Stiefel,
die sich nur mit intensiver, fachkun-
diger Beratung verkaufen ließen.
Mit dem Abschied von Intersport
spart sich Hanwag die Auftritte auf
den Hausmessen der Genossenschaft
und auch die Verhandlungsrunden,
in denen um Kollektionsempfehlun-
gen und Konditionen gerungen wird.
Die dadurch frei werdenden finan-
ziellen und personellen Ressourcen
werde Hanwag einsetzen, so Gröger,
um enger mit einzelnen Geschäften
zusammenzuarbeiten.
So wie Hanwag sind derzeit viele
Händler und Marken in der Sport-
branche dabei, ihr Geschäftsmodell
zu verändern. „Die Wertschöpfungs-
kette muss effizienter werden“, sagt
Uwe Seibicke von der Unterneh-
mensberatung Hachmeister + Part-
ner. Denn der Markt stagniere bes-
tenfalls. Und die Sportindustrie sei
noch immer gekennzeichnet durch
lange Vorlaufzeiten von der Bestel-
lung über die Produktion bis zu Aus-
lieferung und Verkauf. Das schmälert
die Margen und erhöht das Risiko.

Selbst treue Partner fliehen
Der von Natur aus eher träge Händ-
lerverbund Intersport kommt dabei
immer stärker unter Druck. Für die
Marken verliert der Zusammen-
schluss zunehmend an Bedeutung.
Viele Labels eröffnen eigene Shops,
andere bauen den Onlinevertrieb
aus. Und mancher der selbstständi-
gen Sporthändler aus ganz Deutsch-
land, die sich mit ihren knapp 1 500
Läden bei Intersport zusammenge-
schlossen haben, verdient kaum
noch etwas. Wie dramatisch die La-
ge ist, zeigte sich in diesem Sommer
bei Voswinkel, einer Tochter von In-
tersport. Die Kette ging pleite, fast
jede dritte Filiale macht dicht.
Selbst die treuesten mittelständi-
schen Lieferanten erschließen sich
inzwischen Alternativen zu den
Fachhändlern. So wie Deuter. Um
die Läden vor Ort zu stützen, hat
Deutschlands beliebteste Rucksack-
Marke reine Internetanbieter jahre-
lang überhaupt nicht beliefert. Ge-
schäftsführer Martin Riebel zog sogar
mehrfach vor Gericht, um diesen
sehr selektiven Vertrieb aufrechtzu-
erhalten. Die Schwaben haben bis-
lang auch auf einen eigenen Inter-
netstore bewusst verzichtet.
Das ist aber inzwischen alles Ge-
schichte. Die Onlinestores mussten
die Augsburger nach einigen verlore-
nen Prozessen ohnehin schon länger
mit Rucksäcken versorgen. Nun geht
Deuter auch mit einem eigenen Inter-
netladen an den Start.
Eigentümer Sebastian Schwanhäu-
ßer hält das für unabdingbar, die
Kunden würden es einfach erwarten.
Deuter werde keine Rabattschlacht

anzetteln, verspricht der Chef und
Gesellschafter des Konsumgüterher-
stellers Schwan-Stabilo, zu dem Deu-
ter gehört. Aber die Preise würden
wettbewerbsfähig sein. Sprich: Der
neue Onlinestore ist mehr als nur De-
koration.
Es sind aber nicht allein die Mar-
ken, die Intersport verlassen. Mit
Sport Bründl hat sich diesen Som-
mer einer der renommiertesten
Fachhändler Österreichs verabschie-
det. Österreich gehört zusammen
mit Ungarn, Tschechien und der Slo-
wakei zur Intersport-Zentrale in
Heilbronn. Fünf Jahrzehnte war die
Firma Teil von Intersport. Premium-
Marken und exzellent ausgebildetes
Personal sind für Eigentümer Chris-
toph Bründl der Schlüssel, um sich
künftig im Konkurrenzkampf zu dif-

ferenzieren. Die Genossenschaft
scheint da eher hinderlich.
Auch Karstadt hat innerhalb kür-
zester Zeit das Interesse an Intersport
verloren. Die Sportsparte Karstadt
Sports hatte im Januar vergangenen
Jahres mit großen Erwartungen eine
Kooperation mit der Verbundgruppe
geschlossen. Karstadt-Chef Stephan
Fanderl hatte davon geschwärmt, das
stärke die „Beschaffungs- und Ser-
vicekompetenz“ und bilde eine Basis
für weiteres Wachstum in Europa.
Doch nur 15 Monate später gab der
Konzernherr das Ende der Zusam-
menarbeit bekannt.
Der Grund ist einfach: Spätestens
seit der Fusion mit Kaufhof braucht
das Warenhausunternehmen die Ein-
kaufsgenossenschaft nicht mehr.
Durch die Zusammenführung des

Einkaufs beider Kaufhauskonzerne,
so Karstadt-Sports-Chef Jens Dunkel,
könne das Unternehmen „auf noch
mehr Erfahrung und Markttranspa-
renz auch für das Warenhaus zurück-
greifen“. Gerade weil Karstadt das
Geschäftsfeld Sport künftig deutlich
ausbauen will, möchte das Unterneh-
men den Einkauf wieder in eigener
Hand haben.
Damit macht Karstadt zugleich
deutlich, dass sich die Erwartungen
an die Vorteile einer Zusammenar-
beit nicht erfüllt haben. Und das zeig-
te sich offenbar rasch: Karstadt
Sports war im ersten Schritt in die
Zentralregulierung von Intersport
aufgenommen worden, aber war nie
den zweiten Schritt einer Mitglied-
schaft bei Intersport gegangen.
Beim Hanwag-Konkurrenten
Meindl heißt es, an der Zusammen-
arbeit mit Intersport werde sich
nichts ändern. Allerdings beobach-
tet auch Eigentümer Lukas Meindl
die Genossenschaft mit gewissem
Argwohn. Ihn stört, dass die Laden-
besitzer den Herstellern mit Eigen-
marken Konkurrenz machen. Unter
dem Namen McKinley etwa vertrei-
ben die Intersport-Händler eine ge-
waltige Auswahl an Outdoor-Arti-
keln, von Regenjacken bis zu Wan-
derstiefeln. Und das zu eher
günstigen Preisen. Darüber hinaus
nutzt Intersport ein halbes Dutzend
andere Eigenmarken.
Für Hanwag ist die Trennung von
Intersport ein Wagnis. Einerseits,
weil das Unternehmen Händler ver-
lieren könnte. Andererseits hat der
1921 gegründete Mittelständler bis-
lang über Intersport zentral abge-

Sportbranche


Abschied von den Genossen


Genug vom Mittelmaß: Die renommierte Wanderschuh-Marke Hanwag verlässt


Intersport. Ein für die Verbundgruppe bedrohlicher Schritt.


Hanwag

Wir respek -


tieren die


Entscheidung


von Hanwag


und


bleiben für


Gespräche


offen.


Tim Bielohoubeck
Leiter Strategischer
Einkauf bei Intersport

Sportartikel-Einzelhandel in Deutschland
Geschätzter Nettoumsatz 2018 in Mio. Euro
Umsatz

Zahl der
Filialen

471

300

182

174

139

99

86

78

65

19

28

12

74

82

103

66

Mio. €

Mio. €

Mio. €

Mio. €

Mio. €

Mio. €

Mio. €

Mio. €

Decathlon/Oxylane Group

SportScheck inkl. HotSpot (Otto)1

Karstadt Sports1 

Globetrotter1

Sport Voswinkel/Intersport

Footlocker

Runners Point

Sport Berger1

HANDELSBLATT • 1) Inkl. Online-/Versandhandel; 2) o. Warenhäuser Quelle: EHI Retail Institute

Der deutsche Mittelstand
MONTAG, 21. OKTOBER 2019, NR. 202

26

Free download pdf