Der Spiegel - 26.10.2019

(backadmin) #1
dellpalette will BMW sparen, auch die Zu-
kunft des i3 ist noch nicht abschließend
geklärt.
Große Ambitionen haben jetzt andere.

Li Shufu, den manche als Phantombe-
zeichnen, hatte vor einigen Wochen einen
Auftritt ganz nach seinem Geschmack. Er
besuchte die Automesse IAA, blieb aber
weitgehend unsichtbar, bis auf ein paar
handverlesene Manager hat ihn niemand
gesehen. Der Gründer und Chef des größ-
ten privaten Autokonzerns in China, Gee-
ly, ist zu einem der einflussreichsten Män-
ner in der Autowelt aufgestiegen. Li gilt
als Kontrollfreak, sein Unternehmen, heißt
es, führe er an der kurzen Leine, ein
Mikromanager, der manche vom Typ her
an Ferdinand Piëch erinnert.
Ähnliche Ambitionen wie der kürzlich
verstorbene VW-Übervater hat Li Shufu
zweifellos. Er will Geely zu einem Welt-
marktführer bei der E-Mobilität machen,
also zum direkten Wettbewerber von VW.
Die Viel-Marken-Strategie der Wolfsbur-
ger dient ihm dabei als Vorbild.
In Europa machte Geely 2010 einen ers-
ten großen Schritt zu mehr Produktviel-
falt. Mit der Übernahme von Volvo stieg
Geely von heute auf morgen in die Pre-
miumliga auf, bis dahin hatte der Konzern
vor allem Kleinwagen produziert. Seit-
dem treibt er die Elektrifizierung der skan-
dinavischen Marke massiv voran. Auch
die Produktion der Black Cabs, der legen-
dären Londoner Taxis, hat Geely aufge-
kauft. Die Chinesen übernahmen die Plei-
tefirma 2013, bauten für 275 Millionen
Pfund ein neues Werk und wollen die
–  natürlich elektrifizierten –  Black Cabs
zum Exportschlager machen. Der Shuttle -
service Ioki der Deutschen Bahn setzt ers-
te Exemplare bereits ein.
Hierzulande kommen die Chinesen
durch die Hintertür, aber mit großen Zie-
len. Als Li Shufu erstmals im Herbst 2017
beim damaligen Daimler-Chef Dieter Zet-
sche für eine Beteiligung warb, stieß er auf
wenig Gegenliebe. Wenige Monate später
hatte er für rund sieben Milliarden Euro
knapp zehn Prozent am Konzern erwor-
ben, die Stuttgarter wurden überrumpelt.
Mittlerweile, unter dem neuen Daimler-
Chef Ola Källenius, haben sich Top -
management und Investor angenähert.
Sichtbar wurde das, als Daimler im März
die kriselnde Kleinwagentochter Smart in
ein Joint Venture mit Geely einbrachte.
Der neue Partner baut in China ein Werk,
aus dem schon 2022 vollelektrische Smarts
rollen sollen. »Dort können wir auf Kos-
tenstrukturen zurückgreifen, die für uns
hier nicht realisierbar waren«, sagt Källe-
nius, »und auf eine adäquate Rendite
kommen.« Bisher hat der Smart nur Ver-
luste produziert. In einem weiteren Joint
Venture betreiben Daimler und Geely in


Das hört man als Deutscher gern, die
Frage ist nur, wie lange diese Demut an-
hält. Geely baut seine Marktposition sys-
tematisch aus, auch in China selbst. Die
Regierung unter Xi Jinping will globale
Champions schaffen, Geely zählt dazu.
Der Privatkonzern könnte zur Andocksta-
tion für staatliche Hersteller werden.
Zunächst hatte die Regierung Hunderte
Firmen konkurrieren lassen, um die große
Elektromobilitätsoffensive voranzubrin-
gen. Dank der gigantischen staatlichen
Investitionen in den Aufbau einer Lade-
Infrastruktur ist das gelungen, die hei -
mischen Hersteller dominieren unein -
geschränkt den Markt, auch wenn selbst
einigen der namhaften Start-ups bald die
Luft ausgehen dürfte. Unter den zehn
meistverkauften E-Autos in China findet
sich kein einziger deutscher Hersteller –
nur bei Verbrennungsmotoren sind VW,
Daimler und BMW noch führend.

Günther Oettinger ist nicht zimperlich,
wenn es um die Verteidigung der deut-
schen Autoindustrie geht. Tübingens Ober-
bürgermeister Boris Palmer warf er schon
mal Landesverrat vor, als dieser statt eines
Daimlers einen Toyota mit Hybridantrieb

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China einen Ride-Hailing-Service, eine
Art Luxus-Uber.
Li Shufu ist überzeugt, dass der Angriff
auf die etablierten Autohersteller, zu denen
er seine eigene Firma zählt, von außerhalb
der Branche kommt, von Alibaba, Google
und Co. Die Wettbewerber von heute
müssten zu Freunden werden, um diese
Angreifer abzuwehren. Deshalb suchte er
die Kooperation mit Daimler, deshalb hat
er nun einen Brückenkopf in Deutschland
errichtet, im hessischen Raunheim.
Neun Autominuten vom Frankfurter
Flughafen entfernt hat Geely ein Büro- und
Forschungsgebäude für 300 Mitarbeiter er-
richtet, bislang sind etwa 40 Geely-Leute
eingezogen. Ingenieure, Designer und an-
dere Fachleute werden abgeworben bei Fer-
rari und Maserati, GM und Fiat, aber auch
bei deutschen Zulieferern und Premium-
herstellern. Ihre Aufgabe wird es sein, in
Raunheim Fahrwerke und Sicherheitskom-
ponenten für Elektroautos zu entwickeln,
die für alle Fahrzeuge des Geely-Konzerns
einsetzbar sind. Auch an der Vernetzung
wird geforscht. Geely hat das Büro im
Rhein-Main-Gebiet bezogen, weil man in
China immer noch sehr viel von deutscher
Ingenieurskunst hält. Man wolle lernen.

DAIMLER AG

Mercedes-V8-Benzinmotor

Der Stolz der deutschen Autoindustrie


wird gerade abgeschafft.

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