Die Zeit - 03.10.2019

(singke) #1
Freiheit auf Rädern: Das Fahren in Rock und Hosenrock
war um 1900 ein Skandal – und ein Stück Emanzipation

Foto: BAO/imageBROKER/vario images

»Ist’s möglich, Sie radeln nicht?«


Schon einmal, im 19. Jahrhundert, eroberte das Fahrrad die Stadt. Seinen ärgsten Feind brachte es dabei selbst hervor VON LARS AMENDA


I


ch musterte das kuriose Ding und war
sofort Feuer und Flamme«, soll Carl
Benz 1867 gesagt haben, als man ihm in
seiner Heimatstadt Mannheim ein son­
derbares Fortbewegungsmittel mit zwei
Rädern zeigte. Das Ding war ein Velo­
ziped, genauer: ein Tret kur bel velo zi ped.
Konstruiert hatten es die französischen

Entwickler Pierre und Ernest Michaux und Pierre


Lalle ment, indem sie dem Ur­Rad Tretkurbeln ans


Vorderrad schraubten. Damit hoben sie die 1817


von Karl Drais patentierte Laufmaschine auf die


nächste Entwicklungsstufe; das vélo ci pède war ge­


boren, der Urahn des heutigen Fahrrads.


Im Pariser Bürgertum entfachte es eine wahre


Manie. Jetzt konnte man auf Rädern flanieren! Und


von Paris, der »Hauptstadt des 19. Jahrhunderts«,


hallte le dernier cri ins übrige Europa. In Wien,


Mannheim, Stuttgart und anderswo tauchten bald


die ersten Velozipede auf und waren eine Sen sa tion.


In der Welt der Fußgänger, Droschken und Eisen­


bahnen wirkte die neuartige mechanische »Auto­


mobilität« geradezu revolutionär.


Wenn auch nicht gerade elegant: Wie schwer es


war, ein Veloziped zu reiten, schildert Carl Benz in


seinen Erinnerungen. 1867 habe er einem Bekann­


ten ein Veloziped abgekauft, das dieser in Stuttgart


erworben hatte und nach erfolglosen Versuchen


wieder abgeben wollte. Benz stellte sich geschickter


an und lernte innerhalb von zwei Wochen, auf dem


»zentnerschweren« Ding zu balancieren.


Das hohe Gewicht von rund 30 Kilogramm


und die eisenbeschlagenen Holzräder machten das


Ve loziped tatsächlich zu einem un hand lichen


Ungetüm. Spott und Häme jedenfalls waren schnel­


ler als die Radler. Im Englischen nannte man die


neuen Gefährte bone shaker, »Knochenschüttler«.


Begeisterte Velozipedisten hielt dies nicht ab.


Benz legte sogar längere Strecken zurück, von


Mannheim bis Pforzheim etwa, 70 Kilometer,


wobei er regelmäßig in Wirtshäuser einkehrte.


Dabei habe sich um das Veloziped zumeist »viel


neugierig Volk« versammelt. Es war der Beginn


eines Eroberungszuges.


Im Lauf des Jahres 1868 entdeckten weitere


Pioniere im deutschsprachigen Raum das »pferde­


lose Ross« und wagten sich damit auf die Straßen, in


Braunschweig etwa Heinrich Büssing, gelernter


Schmied und später Hersteller von Lastkraftwagen


und Omnibussen. Er studierte die Bauweise und


begann, selbst Velozipede zu produzieren. In Stutt­


gart gründete C. F. Müller die nach eigenem


Bekunden »erste deutsche vélocipède-Fabrik«, und in


Pinneberg nahe Hamburg tüftelte Wilhelm Schlüter


in seiner Eisengießerei an einem Eigenbau, den er


der verdutzten Öffentlichkeit Anfang 1869 auf dem


Hamburger Gänsemarkt präsentierte.


Mit den Temperaturen stieg im Frühjahr 1869


der Tatendurst der Radreiter. Im Wiener Prater er­


öffnete Friedrich Maurer ein »vélo ci pède gym nase«


nach Pariser Vorbild, in dessen Halle man sich ins


Fahren der Maschinen einweisen lassen konnte.


Überall bildeten sich nun Vereine, in Mannheim und


Hannover, in Aachen, Berlin, Braunschweig, Leipzig,


Magdeburg und München, in Hamburg gründeten


sich gleich zwei: Quickrun und der Eimsbütteler


Velocipeden­Reit­Club. Und am 10. September trug


sich während einer Industrie­ und Landesausstellung


in Altona ein »Velocipeden­Wettreiten« zu, eines der


ersten seiner Art in Deutschland.


Zu dieser Zeit gab es hierzulande schätzungs­


weise 50 Hersteller und Vereine. Keine Massen­


bewegung, aber ein kleiner Boom. Zeitungen und


Einmal ein Selfie machen, wo der »Führer« stand


In Nürnberg werden die Kulissen der NS­Reichsparteitage saniert – auf Kosten der anderen, verdrängten Geschichte des Ortes VON CONSTANTIN GOSCHLER


V


or zwei Jahren foppte Jan Böhmermann
seine Zuschauer mit einer Fake­ Doku­
men ta tion: Angeblich wollten chinesi­
sche Investoren in der ostdeutschen
Provinz die NS­Erlebniswelt »Reichs­

park« errichten. So weit ist es in Nürnberg nicht. Ein


bisschen »NS­Erlebniswelt« aber bietet auch das


Reichsparteitagsgelände. Und es ist kein Scherz, dass


die alten Kulissen der nationalsozialis tischen Mas­


senveranstaltungen nun saniert werden sollen: Für


die Erhaltung der Zeppelintribüne haben Bund,


Freistaat Bayern und die Stadt Nürnberg stolze


85 Millionen Euro bereitgestellt.


Der von dem Jenaer Historiker Norbert Frei vor­


geschlagene »kontrollierte Verfall« (ZEIT Nr. 48/14)


soll also gestoppt werden, ohne dass es eine breite


Dis kus sion über die Erhaltungswürdigkeit bau licher


NS­Relikte gegeben hätte. Konserviert wird damit


nicht nur die Zeppelintribüne selbst, sondern auch


eine gern erzählte Erlösungsgeschichte: Von der


Stadt der verführten Volks gemeinschaft verläuft sie


durch das Fege feuer des Bombenkriegs und der


Kriegs verbrecherprozesse bis in die jüngere Ver­


gangenheit, in der Nürnberg als »Stadt der


Menschenrechte« aus der Asche steigen konnte.


Ob dies zu einer »Stärkung« der »Geschichts­
kultur« beiträgt, wie es in Nürnberg heißt, ist fraglich.
Denn die geplanten Maßnahmen retten einen Anker
des kollektiven Bildgedächtnisses, in dem die von
1933 an in Nürnberg abgehaltenen Reichsparteitage
eine herausragende Rolle spielen – einmal ein Selfie
machen, wo der »Führer« stand! –, lassen aber außer
Acht, dass das Gelände auch eine andere, bislang
kaum wahrgenommene Geschichte hat, die mit dem
Überfall auf Polen im September 1939 begann.
In den für die Parteitagsteilnehmer errichteten
Zeltlagern wurden nun polnische Zivilgefangene
und bald auch polnische Kriegs gefangene unter­
gebracht. Daraus entwickelte sich das Lager Nürn­
berg­Langwasser, von dem aus während des Zweiten
Weltkriegs ausländische Zwangsarbeiter an die
Rüstungsindustrie in Nürnberg und Nordbayern
verteilt wurden. Insgesamt durchliefen bis 1945
mehr als 200.000 Menschen aus Ost­, Süd­ und
West euro pa sowie Soldaten aus den USA den sich
in Langwasser entwickelnden Lagerkomplex.
Diesen Teil der Geschichte präsentiert derzeit
erstmals eine Sonderausstellung im Do ku men ­
tations zen trum Reichsparteitagsgelände (Das
Reichsparteitagsgelände im Krieg. Gefangenschaft,

Massenmord, Zwangsarbeit). Eindrücklich zeigt
die Schau, was sich in den Kriegsjahren nahe der
Nürnberger Innenstadt abspielte: Während die
Offiziere aus Frankreich, Italien und Serbien ver­
gleichsweise gut behandelt wurden, starben die
zusammengepferchten sowjetischen Kriegsgefan­
genen zu Tausenden an Kälte, Hunger und den
Folgen harter Zwangsarbeit. »Gefährliche Ele­
mente« sonderte die Gestapo aus und ließ sie in
Kon zen tra tions lagern ermorden. Zudem wurden
auf dem Areal die nordbayerischen Juden zur
Deportation zusammengetrieben.
Neben dem großen Kriegsgefangenenlager ent­
standen weitere Baracken für zivile Zwangsarbeiter
aus Polen und der Sow jet union, darunter ein
»Arbeitserziehungslager«, in dem die Nürnberger
Gestapo renitente Arbeitskräfte grausam miss­
handelte. Im Frühjahr 1945 schließlich wurde
dieses System unterschiedlicher Zwangslager zum
Ziel zahlreicher Evakuierungsmärsche von Kriegs­
gefangenen, die die Deutschen nicht der vor­
rückenden Roten Armee überlassen wollten, was
abermals ungezählte Menschenleben forderte.
Der einst weitläufige Lagerkosmos ist inzwischen
abgerissen oder überbaut. Erhalten hat sich allein

der Bahnhof Märzfeld, der für die Parteitagsteil­
nehmer errichtet wurde und während des Krieges
als Lagerbahnhof diente. Wie die Prachtkulissen des
Zeppelinfelds zerfällt auch dieser Bau. Seinen Erhalt
hat die Stadt Nürnberg nicht eingeplant.
Die Restaurierung der Zeppelintribüne unter­
schlägt aber nicht nur einen wesentlichen Teil der
Geschichte des Reichsparteitagsgeländes, sondern
verstärkt auch die gängige Spaltung der Bildwelten
in der deutschen Erinnerungskultur: Jubel vor dem
Krieg im Deutschen Reich – Gewalt während des
Krieges in den eroberten Gebieten.
Durch endlose Wiederholungen zeitgenös sischer
Inszenierungen der NS­»Volksgemeinschaft« wirkt
die nationalsozialistische Bildpolitik unablässig fort.
Allen Versuchen der pädagogischen Umdeutung hat
sie sich erfolgreich widersetzt. Dem gegenüber stehen
die Höllenbilder aus den Kon zen tra tions lagern, die
in der Regel nach deren Befreiung aufgenommen
wurden. So sehen wir das »Dritte Reich« wahlweise
durch die Augen Heinrich Hoffmanns und Leni
Riefenstahls oder alliierter Kriegsreporter.
Das Reichsparteitagsgelände hätte das Po ten­
zial, aus diesem Entweder­oder herauszuführen,
das immer wieder auch komplexe Abwehr­ und

Verdrängungsmechanismen ermöglicht hat. Kaum
ein Ort würde sich besser dafür eignen, den fal­
schen Gegensatz zwischen den faszinierenden und
den schreck lichen Seiten des »Dritten Reiches«
aufzulösen und das eine mit dem anderen in Bezie­
hung zu setzen. Momentan sieht es jedoch eher so
aus, als würde ein erinnerungspolitischer Irrweg
mit Gold gepflastert.

Constantin Goschler ist Professor für Zeitgeschichte
an der Ruhr­Universität Bochum

Die Grenze
Szenen aus einem geteilten
Land – von der doppelten
Staatsgründung über die
Revolution von 1989 bis heute.
Das neue Heft von
ZEIT Geschichte, 116 S .,
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Mehr Geschichte


GESCHICHTE 23


Illustrierte berichteten über Touren und neue
Modelle, Gasthöfe eröffneten Radbahnen, das Velo­
ziped eroberte die Theaterbühnen und wurde be­
sungen. Auf Jahrmärkten drehten Velozipeden­
Karusselle ihre Runden. Auch die ersten Anleitun­
gen in deutscher Sprache erschienen.
Nicht alle waren davon angetan. Kutscher hat­
ten nun ein neues Feindbild, da Pferde beim
Anblick der rosslosen Reiter gerne scheuten. Die
Velozipeden­Vereine hielten ihre Mitglieder des­
halb an, Pferde und Passanten nicht zu erschre­
cken. Trotzdem mussten Fußgängerinnen und
Fußgänger mitansehen, wie ihre Trottoirs erobert
wurden. Denn dort rollte es sich deutlich besser als
auf dem Kopfsteinpflaster. Im Sommer 1869 erließ
die Polizei vielerorts Verbote auf Bürgersteigen und
einzelnen Straßen. Köln und München erhielten
1870 sogar ein allgemeines Fahrradfahrverbot.
Dabei ebbte die Welle da schon wieder ab.
Anfang 1870 ließ das Interesse deutlich nach; die
Hoffnung der Hersteller auf einen kommerziellen
Erfolg wurde enttäuscht. Der Deutsch­Franzö sische
Krieg 1870/71 ließ das Veloziped dann fast voll­
ständig in Vergessenheit geraten. Nur einzelne
Clubs, wie in München und in Magdeburg, hielten
eisern fest an ihren eisernen Ungetümen.
Bleibenden Eindruck hatten die »Knochen­
schüttler« gleichwohl hinter lassen, denn sie be­
feuerten die Vision, »pferdelos zu fahren« (Carl
Benz). Bis das in großem Maßstab gelang, ver­
gingen allerdings noch zwei Jahrzehnte, und mit
ihnen kam und ging eine weitere Mode: das
Hochrad.
Um 1880 tauchten die ersten dieser Gefährte im
Deutschen Reich auf. Bicycle wurden sie genannt,
denn aus Großbritannien, nicht mehr aus Frankreich,
kamen jetzt die wichtigsten Innovationen wie Stahl­
speichen und Vollgummireifen. In deutschen Städten
gründeten sich Anfang der 1880er­Jahre vielerorts
bürgerlich­elitäre »Bicycle­Clubs«; britische Pionie­
re wie T. H. S. Walker, der in Berlin mehrere Fahr­
radproduzenten vertrat, heizten das Interesse an.

D


as Hochrad beflügelte auch den
Sport und brach alle Geschwindig­
keitsrekorde – bis zu 30 Kilometer
in der Stunde! Und immer länger
wurden die Strecken, die sich auf
zwei Rädern zurücklegen ließen – bis zu 150 Kilo­
meter am Tag. Waren die Velozipedisten in den
Augen vieler noch bemitleidenswerte Trottel gewe­
sen, wirkten die Hochradler wie furchtlose, be­
wundernswerte Hasardeure. Tatsächlich war das
Hochrad das ideale Vehikel, um sozialen Status
und Männlichkeit zu demonstrieren: Hoch zu Rad
konnte man buchstäblich auf die anderen, nicht
Ein geweihten herabblicken.
Die Eingeweihten indes blieben kein kleines
Grüppchen. Die Zahl der in Vereinen organisierten
Radfahrer (ein Begriff, der ebenso wie »Fahrrad« erst
um 1885 aufkam) stieg kontinuierlich an, auf über
25.000 im Jahr 1895. Die bis 1890/91 tonangeben­
den Hochradfahrer hielten sich dabei für besonders
wagemutig – und waren es auch: Das Fahren auf den
dünnen, hohen Rädern war extrem gefährlich. Be­
sonders gefürchtet war der header, der Kopfsturz über
den Lenker, der tödlich enden konnte.
Die Antwort lautete: safer cyceln mit dem safety
bicycle, dem Niederrad mit Kettenantrieb. Doch nicht
alle sattelten um; manch stolzer Hochradler lehnte
das Niederradeln als »weiblich« ab, und eine kurze,
aber heftige Debatte entbrannte um Radfahren und
Männlichkeit – ein Rückzugsgefecht.

Als Anfang der 1890er­Jahre der von dem
schottischen Tierarzt John Boyd Dunlop erfunde­
ne Luftreifen den Markt eroberte, entwickelte sich
das Fahrrad zu einer leistungsfähigen modernen
Maschine. Bei Radrennen wurden bereits 1891
kolossale Distanzen zurückgelegt, von Bordeaux
nach Paris (600 Kilometer) oder von Paris nach
Brest und retour (1196 Kilometer). Und hatte ein
Hochrad noch den durchschnittlichen Jahreslohn
eines Arbeiters gekostet, so sanken die Preise nun
kontinuierlich. Deutsche Hersteller wie Opel,
Adler und Seidel & Naumann stiegen in die
Massenproduktion ein; auch Importe, etwa aus
den USA, waren günstig zu haben.

S


pätestens um 1900 setzte ein bicycle-
Boom ein, dem sich kaum einer mehr
entziehen konnte. Der in München
lebende Schweizer Schriftsteller Paul
von Salvisberg veröffentlichte 1897 das
populäre Handbuch Der Radfahrsport in Bild und
Wort. Es begann mit den Worten: »Vor kurzem
noch fragte man skeptisch: ›Was, Sie – radeln?‹
Heute heisst es: ›Ja was, ist’s möglich, Sie radeln
nicht?!‹ – und im Stillen zieht der mitlei dige Frager
bereits seine Schlüsse über die offenbar gestörte
Gesundheit oder das Spiessbürgertum des oder der
Gefragten!«
Ja, »des oder der«, denn Frauen begannen eben­
falls zu radeln. Sie wurden dafür heftig angefeindet.
Das Fahren in Hose oder im Hosenrock war ein
Skandal – und ein Stück Eman zi pa tion.
Sowenig das Radvergnügen männlich blieb, so
wenig blieb es bürgerlich: Arbeiter gründeten
eigene Radfahrvereine und riefen 1896 den
Arbeiter­Radfahrer­Bund »Solidarität« ins Leben.
In vielen Berufen eta blier te sich das Fahrrad zu­
dem als effektives Fortbewegungsmittel, verkürzte
die Wege von Kurieren, Ärzten oder Postboten.
Der Schriftsteller Eduard Bertz schlug 1900 in
seiner Philosophie des Fahrrads geradezu messia­
nische Töne an: »Auch das Fahrrad ist eines von
den Werkzeugen, vermöge deren der Mensch so­
wohl sich der Erde wie die Erde sich selbst an­
passt; eine Waffe, mit deren Hilfe er ihre Schran­
ken niederzwingt und ihr Herr wird. Und da es
ihn so gut wie die Eisenbahnen, ja besser noch,
von Land zu Land trägt, so ist es auch seinerseits
ein Apostel des Völkerfriedens.« Die Jahre bis
1914 waren die erste Hochphase des Fahrrads:
Wären die Zweiräder wirklich »Apostel des Völ­
kerfriedens« gewesen, hätte es nicht zum Ersten
Weltkrieg kommen dürfen.
Tatsächlich kündigte der Rad­Aufschwung etwas
ganz anderes an: Die ausgefeilte Technik kam schon
bald der Entwicklung von Motorrädern und Auto­
mobilen zugute. Nicht nur Carl Benz, auch andere
Ingenieure waren »Feuer und Flamme« und per­
fektionierten den Motorwagen, der nach der Jahr­
hundertwende seinen Siegeszug begann. Welche
Ironie, dass es das Fahrrad selbst war, das seinen
größten Konkurrenten hervorbrachte! Den Tief­
punkt erreichte die Entwicklung in den Sechziger­
jahren mit der Ideologie der »autogerechten Stadt«,
für die man allerorten brutale Fahrbahnschneisen
durch die Innenstädte schlug.
Bis zur »fahrradgerechten« Stadt ist es, zumin­
dest hierzulande, noch weit. Aber man kann es
schon sehen: Das Fahrrad erobert die Städte – oder
vielmehr: erobert sie zurück, gehörten sie ihm
doch bis vor rund 100 Jahren schon einmal.

Lars Amenda ist Historiker und lebt in Hamburg



  1. OKTOBER 2019 DIE ZEIT N
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