Süddeutsche Zeitung - 08.10.2019

(Marcin) #1
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vondietersürig

Lampoldshausen – Mario Kobald sitzt an
einem Monitor, um ihn wuseln Mitarbeiter
und Studenten. Der Raum des Raketentest-
stands in Lampoldshausen hat das Ambi-
ente einer Garage: Enger Schlauch, Patina
an den Wänden – es riecht technisch. Span-
nung liegt in der Luft, der große rote Knopf
auf dem Tisch rückt in den Blickpunkt,
doch Kobald tippt nur auf seine Tastatur,
um einen Countdown auszulösen. Der rote
Notknopf ist heute nicht nötig. „Fünf, vier,

drei, zwei, eins“ – ohrenbetäubender Lärm
draußen, wo gerade zweieinhalb Kilo-
gramm Sauerstoff pro Sekunde verbren-
nen und ein Kilo Paraffin. Nach zehn Se-
kunden ist Ruhe. Wenig später spülen zwei
Studenten mit aufgesetzten Atemschutz-
masken das ausgebrannte Hybridtrieb-
werk mit Stickstoff aus.
„Der Test ist sehr gut verlaufen“, sagt
Christian Schmierer, der das Start-up Hy-
impulse zusammen mit Kobald führt. „Wir
müssen aber jetzt messen, wie viel Treib-

stoff verbrannt ist“, sagt er. Die Raumfahrt-
ingenieure wollen Kleinraketen bauen, ha-
ben Hyimpulse im Mai 2018 aus der Uni
Stuttgart heraus gegründet und sitzen nun
praktischerweise neben einem Raketen-
prüfstand des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampolds-
hausen, nordöstlich von Heilbronn. Beide
haben schon Hunderte Tests gemacht.
Schon als Studenten haben sie mit einer
Forschungsrakete den Höhenrekord gebro-
chen. Nun wollen sie mit ihrem Team der
Konkurrenz wieder voraus sein: „Nach un-
serem Wissen haben wir in Europa das ak-
tuell leistungsstärkste Hybridtriebwerk“,
sagt Kobald selbstbewusst. Im benachbar-
ten Büro erläutert er, was dahinter steckt.
Das Flachgebäude strahlt die Aura einer
Zeit aus, als Raumfahrtpionier Eugen Sän-
ger hier Anfang der Sechzigerjahre Flüssig-
keitsraketentriebwerke testete. Auch die
Leute von Hyimpulse leisten nun Pionierar-
beit. Weltweit beschäftigen sich zwar Dut-
zende Teams und Start-ups mit Microlaun-
chern, kleinen Trägerraketen. Doch in
Deutschland ist das Feld noch überschau-
bar. Neben Hyimpulse wollen Isar Aero-
space aus München und die Augsburger
OHB-Tochter Rocket Factory mitmischen.
Während Mitbewerber ihre Rakete mit
Kohlenwasserstoff und flüssigem Sauer-
stoff betreiben wollen, setzt Hyimpulse
auf flüssigen Sauerstoff und einen Fest-
brennstoff auf Paraffinbasis. „Paraffin kos-
tet fast nichts“, sagt Kobald. „So können
wir günstige Triebwerke bauen.“
Das gerade getestete Triebwerk hat ei-
nen Schub von zehn Kilonewton, bis Ende
2020 will das Team Triebwerke mit 75Ki-
lonewton serienreif machen. „Das wäre

das Triebwerk, das wir dann in der Träger-
rakete nutzen wollen“, sagt Kobald. Und Hy-
brid sei billiger und sicherer als eine Fest-
stoffrakete. Hyimpulse will auf dieser Ba-
sis zunächst eine kleine einstufige Höhen-
forschungsrakete bauen, die Nutzlasten
bis zu 350 Kilogramm auf eine Höhe von
200 Kilometern bringen können. Haupt-
produkt soll aber ein dreistufiger Minilaun-
cher mit elf solcher Triebwerke sein, der
500 Kilogramm in den niedrigen Erdorbit
befördern kann. Den wollen die Gründer
bis 2022 ins All und auf den Markt bringen.
Gebaut werden sollen die Raketen aus
leichten Kohlefaserwerkstoffen. Der Mini-
launcher soll mit 24 Metern fast halb so
groß werden wie die europäische Träger-
raketeAriane– und 32 Tonnen schwer.
Die Gründer möchten die Kleinrakete

selbst montieren. „Das Gesamtsystem
wird von uns integriert und getestet, ge-
wisse Teile werden zugekauft“, sagt
Schmierer. Ziel sind zunächst zehn Starts
pro Jahr, was gut 100 Triebwerke pro Jahr
bedeuten würde.
Was soll der Start mit Hyimpulse kos-
ten? „Wir planen einen Preis von 20000 Eu-
ro pro Kilogramm“, sagt Kobald. Zwar bie-
tet der US-Anbieter Space-X bald monatli-
che Starts für Kleinsatelliten zum Fest-
preis von einer Million Dollar für bis zu
200 Kilogramm an, doch Hyimpulse hat ei-
nen Vorteil: Es gibt keinen so hohen Fest-
preis, und die mögliche Wartezeit für den
Start fällt weg. „Wenn der Satellit sechs bis
neun Monate am Boden auf die Startmög-
lichkeit wartet, dann wird ein Dreiviertel-
jahr Geld verbraten“, sagt Kobald. Mit ei-

ner Kleinrakete kann der Kunde den Start-
termin selbst bestimmen und auch die für
ihn günstigste Umlaufbahn anfliegen.
Potenzielle Kunden sind Forschungsin-
stitute und Unternehmen. „Unser Haupt-
ziel ist der kommerzielle Markt, der deut-
lich wachsen wird.“ Dem US-Branchenana-
lysten Bryce zufolge sind von 2012 bis 2018
weltweit mehr als 1300 Kleinsatelliten ins
All gestartet, darunter rund 660 kommerzi-
elle. Innerhalb dieser Spanne haben sich
die jährlichen Starts demnach versechs-
facht. Kobald ist jedenfalls optimistisch:
„Es gibt deutlich mehr Start-ups bei Klein-
satelliten als im Launcherbereich“.
Der Businessplan des Start-ups sieht
vier Jahre Entwicklungszeit für das Haupt-
produkt vor, „wir sind jetzt im ersten Jahr“,
sagt Kobald. Hauptinvestor ist die Schwarz

Holding GmbH aus Ottobrunn bei Mün-
chen, die auch Haupteignerin des Analyse-
und Testdienstleistungs-Unternehmens
IABG ist. IABG macht unter anderem Quali-
fikationstests im Raumfahrtbereich, etwa
für die TrägerraketeArianeund für Satelli-
ten, ist also gut in der Branche vernetzt.
„Hyimpulse und ihr Mini-Launcher-Kon-
zept bieten große Vorteile und technische
sowie kommerzielle Möglichkeiten“, sagt
Holdingchef Rudolf F. Schwarz. Das Volu-
men seines Investments sei „erheblich“
und ermögliche es, bis 2020 ein Team von
gut 30 Mitarbeitern aufzubauen und die
Schlüsseltechnologien zu entwickeln. Hy-
impulse sei mit seinen umweltfreundli-
chen Treibstoffen „der Vorreiter in Europa
in der Hybridraketentechnologie und hat
eine hohe Effizienz der Triebwerke er-
reicht“, sagt Schwarz. Das Start-up hat zu-
dem bereits institutionelle Aufträge erhal-
ten. „Wir haben eine gute Basis für die ers-
ten zweieinhalb Jahre und schauen nach
weiteren Partnern“, sagt Schmierer.
Kobald gesteht ein, dass US-Firmen
„deutlich weiter sind als wir“ – etwa Ro-
cketlab. „Das liegt auch daran, wie der ame-
rikanische Investor und der Markt funktio-
nieren.“ In Europa sitze das Risikokapital
nicht so locker. Sorge, dass er wegen des et-
was abseits liegenden Standortes Proble-
me bekommen könnte, Mitarbeiter zu fin-
den, hat er nicht: „Diejenigen, die an Rake-
tentechnologien arbeiten wollen, macht es
nichts, nach Lampoldshausen zu kom-
men“. Immerhin will das Start-up die gan-
ze Antriebstechnologie und Raketenstruk-
tur selbst entwickeln.

Zum vierten Mal zeichnet der Wirtschaftsgipfel der
Süddeutschen Zeitungbeim Start-up-Wettbewerb
„Gipfelstürmer“ die besten Gründer aus Deutsch-
land aus. Die Ausschreibung ist bereits beendet. Ei-
ne Jury der SZ-Wirtschaftsredaktion wählt sechs Fi-
nalisten aus. Diese dürfen ihre Firma im November
beim SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin vorstellen. Die
Gipfelteilnehmer küren den Sieger. Informationen:
http://www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer

Mit Hybrid ins All


Ein Start-up aus Baden-Württemberg will den Markt für
Kleinraketen aufmischen – einen Investor gibt es auch schon

(^22) WIRTSCHAFT Dienstag, 8. Oktober 2019, Nr. 232 DEFGH
Hyimpulse testet seine Raketen in Lampoldshausen nahe Heilbronn. FOTO: OH
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