National Geographic Germany - 10.2019

(vip2019) #1

einen Klaps auf den Hintern, und sie springt


auf. Blind und taub wird das Tier in einen Hän-


ger geführt und zu einem großen Gehege aus


Eukalyptusstangen und Stroh gefahren.


Fünf weitere Giraffen stehen keine 3 0 Meter

entfernt und schauen zu. Zwei von ihnen rollen


Wiedergekäutes zwischen den Zähnen zu einer


Pille. Noch ein Stück weiter entfernt stehen


zwei junge Zarma-Hirten mit ihrer Ziegen-


herde. Die Männer lehnen an einem Baum und


beobachten das Geschehen. Die Szene gleicht


einem Gangsterüberfall oder einer Entführung


durch Außerirdische.


NACH DREI WOCHEN ERHOLUNG in einem Ge -


he ge sind die Giraffen für den Transport in das


Gebiet Gadabédji bereit. An einem Sonntag


gegen elf Uhr werden vier Tiere in einen weiß


gestrichenen, sechs Meter langen Frachtcon-


tainer mit abgeschnittenem Dach geführt. Der


Boden ist mit einer dicken Schicht aus feuch-


tem Sand bedeckt, auf dem die Tiere stehen


können, und den Rand säumen ringsherum


Stangen, die mit Blättern als Reiseproviant


behängt sind. Es ist wichtig, dass die Giraffen


während der Fahrt ruhig bleiben. Einige


Wochen zuvor war ein überreiztes Tier ausge-


rutscht, mit dem Kopf gegen den Hänger


gestürzt und später gestorben.


Vorne weg fährt ein Aufklärungsfahrzeug.

Die Insassen halten vor allem nach niedrig hän-


genden Stromleitungen Ausschau, damit die


wertvolle Fracht nicht enthauptet wird. Mit


15 Kilometern pro Stunde legt der Truck die


800 Kilometer bis Gadabédji zurück. Die Köpfe


der Giraffen ragen oben aus dem Hänger. Sie


entdecken Dinge, die sie noch nie gesehen


haben: Männer, die sich am Straßenrand die


Haare schneiden lassen; geschlachtete Ziegen,


die an Pfählen hängen; kleine weiße Moscheen


mit auf dem Boden ausgestreckten Männern.


Es geht vorbei an einem kameltreibenden


Tuareg-Hirten, einem Rindermarkt mit lang-


hornigen Ochsen, an lächelnden Frauen im


Hidschab, die mit dem Finger auf sie zeigen,


und an Leuten, die nicht einmal aufblicken, um


die seltsamste Fracht zu bewundern, die je


durch ihr Dorf gefahren ist.


47 Stunden später, nach täglich zwei Zwi-

schenhalten unter Anabäumen zum Füttern


und einem dreistündigen Mittagsschlaf für


das Team, kommen die Fahrzeuge endlich in


Gadabédji an. Der Bürgermeister, ein Tuareg


Bei einem Besuch von
Twiga Walinzi – „Giraf-
fenwächtern“ – führt eine
Schülerin eine Maske
vor. Die Tierhüter in Kenia
leisten Aufklärungsarbeit
über Giraffen an den
Schulen. Die Kinder sol-
len lernen, dass man die
Giraffen schützen muss.

47 STUNDEN SPÄTER IST


DAS ZIEL ERREICHT. KINDER


RENNEN ZUM KONVOI.


SIE SPRINGEN VOR FREUDE


IN DIE HÖHE. SEIT MONATEN


ERWARTEN SIE DIE


GIRAFFEN IN IHREM DORF.


116 NATIONAL GEOGRAPHIC

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