Handelsblatt - 07.10.2019

(Brent) #1

„Ich wäre bereit, eine Bitte um


Verlängerung der


Verhandlungen zu erwägen.“


Antti Rinne, finnischer Premierminister und
Vorsitzender des EU-Rats, rechnet mit einer
weiteren Verschiebung des Brexits.

„Kampfpreise und


Marktgewinnung mit


Steuergeld zu machen


ist ein Unding.“


Michael Theurer, stellvertretender
Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion,
kritisiert den Rettungskredit für Condor.

Stimmen weltweit


Das Impeachment-Verfahren gegen Donald
Trump ist Thema der „Neuen Zürcher Zeitung
am Sonntag“. Sie weist darauf hin, dass der
Erfolg des Verfahrens letztlich von der
politischen Unterstützung abhängt – und die ist
bislang nicht gegeben:

B


eim Telefongespräch mit dem ukraini-
schen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj
sei doch alles wunderbar gewesen und er
habe sich nichts zuschulden kommen lassen, be-
teuerte Donald Trump immer gereizter. Doch
dann stellte der US-Präsident unvermittelt auf ei-
ne andere Verteidigungsstrategie um: auf Angriff.
Eigentlich sollte auch China eine Untersuchung
gegen die Familie von Präsidentschaftskandidat
Joe Biden starten, sagte er am Donnerstag.
Damit rief er vor laufenden Kameras eine aus-
ländische Macht dazu auf, sich in den amerikani-
schen Wahlkampf einzumischen. Ein ungeheuer
dreister Schritt eines ausgefuchsten Populisten.
Wo liegt das Problem?, sagt er damit und macht
aus einem Skandal eine Lappalie. Wo liegt das
Problem?, werden auch seine Unterstützer fra-
gen. Er versucht ja nur, den Sumpf in Washing-
ton trockenzulegen.
Trump verschiebt damit den moralischen
Kompass für Richtig und Falsch. Solange die re-
publikanischen Senatoren hinter ihm stehen,
kann er sich ein solches Verhalten leisten. Und
das kann noch lange, lange so bleiben.

In Italien gibt es eine Diskussion, das Wahlalter
auf 16 Jahre zu senken. Der Kommentator der
Turiner Zeitung „La Stampa“ hält das für eine
unangebrachte Debatte.

E


s genügte ein Artikel des früheren Pre-
mierministers Enrico Letta, der sich für
das Wahlrecht mit 16 aussprach, und
schon ist ein Sturm des Enthusiasmus losgebro-
chen.
Der Vorschlag ist jedoch absonderlich. Es gibt
einen Grund, weshalb man nicht alles in jedem
Alter machen kann, es hängt vom Reifegrad der
Person ab, die sich in der Wachstumsphase noch
nicht mit dem ausreichenden Bewusstsein selbst
bestimmen kann.
Man wird wohl kaum einen 16-Jährigen zu le-
benslänglich verurteilen, so schwer auch sein
Vergehen war. In diesem Alter kann man noch
nicht Auto fahren und keinen Alkohol kaufen.
Aber über die Geschicke des Landes zu entschei-
AP, AFP, dpaden soll angeblich kein Problem sein.

Die britische „Sunday Times“ schaut aus der
Perspektive des Brexiteers auf den
bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus
der EU und die damit verbundenen Probleme:

U


ns bleibt nur noch die klare Aussicht auf
einen No-Deal-Brexit, wenn nicht am 31.
Oktober, dann wenig später. Brüssel soll-
te sich nicht einbilden, dass dies verhindert wird
von einer heruntergekommenen Allianz von EU-
Anhängern, die sich kaum auf irgendetwas eini-
gen kann.
Die Situation schreit geradezu nach echter
Führungsstärke. Man kann sich nur schwer vor-
stellen, dass Giganten der politischen Vergangen-
heit Europas – Konrad Adenauer, Willy Brandt
und Helmut Kohl – einfach zugelassen hätten,
dass diese Situation weiter gärt.

Z


ölle fördern die Konzentration“, pflegt der US-
Handelsbeauftragte Robert Lighthizer zu sagen.
Ganz im Sinne seines Präsidenten geht Lighthizer

daher nach dem immer gleichen Muster vor, wenn er


etwas will, sei es von China, Mexiko oder eben von der


Europäischen Union: erst zuschlagen, dann reden. Im


Weißen Haus ist man davon überzeugt, dass die andere


Seite erst dann zuhört, wenn es wehtut.


Deshalb hatte niemand damit gerechnet, dass Trump


auf Strafzölle verzichten und das Angebot der Europäer


annehmen würde, über eine gütliche Beilegung des


Streits über die Subventionen für Airbus und Boeing zu


sprechen. Bei aller Irrationalität im Tagesgeschäft, in


Handelsfragen ist der US-Präsident fast berechenbar.


Nun, da die eigenen Strafzölle auf Flugzeuge, Kekse


und Käse auf den Weg gebracht sind und in weniger als


zwei Wochen ihre schmerzliche Wirkung entfalten, wol-


len Trump und Lighthizer gern mit den Europäern re-


den. Leider verbessert dieses Vorgehen die Chancen


nicht gerade, dass beide Seiten den Streit über die Hil-


fen für ihre Flugzeugbauer beilegen.


Denn Trump und Lighthizer erwarten nichts anderes,
als dass Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbri-
tannien sämtliche Hilfen für Airbus streichen. Dafür
mögen sie noch gute Argumente haben. Bei sich selbst
aber mögen sie kein nennenswertes Fehlverhalten er-
kennen. Und damit auch keinen Anlass, an der eigenen
Unterstützung für den heimischen Anbieter Boeing et-
was zu ändern. Dass die Welthandelsorganisation dies
anders sieht und im kommenden Frühjahr die EU zu
Strafzöllen ermächtigen dürfte, ficht sie nicht weiter an.
Trump mag sich noch so viel selbst preisen als Meis-
ter des Deals: Es ist diese Mischung aus Dreistigkeit und
demonstrativer Selbstgerechtigkeit, die Vereinbarungen
mit dieser US-Regierung schwierig macht. Trump und
Lighthizer wollen erkennbar keinen fairen Interessen-
ausgleich, geschweige denn einen gesichtswahrenden
Kompromiss. Sie wollen den Verhandlungspartner in
die Knie zwingen. Mit dem Recht des Stärkeren.
Bei Mexiko, Südkorea oder Japan mag die Methode
Ergebnisse zeitigen – diese Länder sind wirtschaftlich
oder sicherheitspolitisch schlicht zu abhängig von der
Großmacht USA. Aber die EU bewegt sich als Handels-
macht auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten, sie
kann sich ein solches Vorgehen nicht gefallen lassen.
Europa wird zurückschlagen, sobald die WTO ihr dafür
grünes Licht gibt.
Gedient ist damit natürlich niemandem, weder der
amerikanischen Wirtschaft noch der europäischen. Ein
weiterer Handelskonflikt ist das Letzte, was die Welt
derzeit braucht. Aber den US-Präsidenten scheinen die
Folgen seines Handelns wenig zu interessieren.

Handelskonflikt


Provokation statt Einigung


Mit Trump ist eine Lösung im
Streit über Staatshilfen für Airbus
und Boeing kaum zu erreichen,
befürchtet Till Hoppe.

Der Autor ist Korrespondent in Brüssel.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Wirtschaft & Politik


MONTAG, 7. OKTOBER 2019, NR. 192


15

Free download pdf