Handelsblatt - 07.10.2019

(Brent) #1

und schauen uns täglich alles an.


Nach neun Monaten müssen wir die-


se heiße Phase von Mergers & Acqui-


sitions aber auch abschließen.


Wird es 2019 noch zu einem Zukauf


kommen?


Ich kann das nicht grundsätzlich aus-


schließen. In diesem Bereich ist im-


mer alles möglich.


Auf dem Reißbrett kann man einen


Konzern wie Leonine prima zusam-


menbasteln. Aber wie schafft man ei-


ne gemeinsame Firmenkultur?


Wir wollen ein integriertes Unterneh-


men werden. Das kommunizieren


wir auch nach innen. Unsere Haltung


ist, den digitalen Wandel aktiv zu ge-


stalten. Dafür haben wir ein erstklas-


siges Team und herausragende Mitar-


beiter. Dem Markt wollen wir mit Be-


scheidenheit begegnen, das ist Teil


des kreativen Prozesses. Und wir


bauen etwas für die Zukunft, fügen


nicht einfach Altes zusammen.


Bescheidenheit?


Ich habe allein 19 Jahre Late Night


mit Harald Schmidt produziert. Da


gab es jeden Morgen nur ein weißes


Blatt Papier. Das dann mit Inhalt zu


füllen hat auch mit Bescheidenheit


und Demut zu tun – und das ist übri-


gens die einzige Kleinigkeit, die ich


aus meinen vielfältigen früheren Jobs


vermisse. Dieses tägliche Arbeiten


am Inhalt.


Warum sollen die besten Nach-


wuchskräfte ausgerechnet zu Ihnen


kommen? Andere wie die Ufa und


erst recht Amazon oder Netflix win-


ken mit viel Geld und Freiräumen.


Natürlich war der Kampf um Talente


nie so heiß wie heute. Aber wir ha-


ben schon jetzt einige der Besten des


Geschäfts gewinnen können. Und der


Markt weiß: Bei uns kann man für je-


den Sender und jede Plattform seine


Ideen verwirklichen. Das ist der Vor-


teil eines unabhängigen Anbieters,


wie wir einer sind. Es wird bereits


realisiert, dass wir das „Home for Ta-


lents“ der Branche sind.


Der Aufbau eines solchen Unterneh-


mens ist schon stressig genug. Wa-


rum haben Sie persönlich noch das


Lizenzgeschäft übernommen?


Ich mache das nicht allein – ich habe


ein herausragendes Team. Aber seit


20, 30 Jahren bewegt mich der Li-


zenzmarkt. Wir haben nun eine


Rechtebibliothek mit 7 000 Filmen,


gut 3 000 kommen von Tele Mün-


chen, der Rest von Universum Film.


Wir verwerten hier Top-Filme wie


„Dirty Dancing“ oder haben interna-


tionale Rechte an „Terminator“ oder


„Basic Instinct“. Den jüngsten Kauf


des US-Blockbusters „Hustlers“ mit


Jennifer Lopez haben wir sieben Mo-


nate lang verhandelt. Jährlich kaufen


wir 20 bis 25 neue Hollywood-Filme


ein. Da kann ich meine Erfahrung


und meine Kontakte gut einbringen.


Und wer sind die künftigen Kunden


von Leonine?


Mit unseren etablierten Partnern wie


ARD, ZDF, RTL Group und Pro Sie-


ben Sat 1 machen wir gutes Geschäft.


Große Auftraggeber und Kunden


sind heute aber auch Amazon Prime


und Netflix. Wir arbeiten mit Joyn


und der Deutschen Telekom. Disney


und Apple drängen auf den Markt.


Zudem produzieren wir mit unserer


Digital Unit im nächsten Jahr für You-


tube. Für gute Ideen und ein gutes


Produkt gibt es einen großen Markt.


Jeder US-Medienkonzern will heute


mit einer eigenen Plattform das


Streamingpublikum bedienen. Sind
die Kunden wirklich bereit für all
den Inhalt, der in den nächsten Jah-
ren auf sie herniederprasseln wird?
Zunächst einmal ist es eine sehr
spannende Entwicklung. Disney
kommt im November mit Disney plus


  • ich traue ihnen sehr viel zu, und
    Disney tritt in direkte Konkurrenz zu
    Netflix. Ich mache mir wirklich keine
    Sorgen über den Bedarf an Inhalten.


Produzenten haben also noch viele
Jahre Grund zur Euphorie?
Ich sehe eine sehr positive Entwick-
lung. Der digitale Trend verändert
den Markt radikal und irreversibel.
Das hinterlässt Spuren. Wir haben ak-
tuell mehr als 500 Produktionsfir-
men in Deutschland. Jeder kämpft.
Man muss da entweder als kleiner,
freier, kreativer Anbieter Außerge-
wöhnliches bieten oder eine be-
stimmte Größe haben, um im Markt
flexibel reagieren zu können ...

... wie Leonine?
Genau. Die mittelgroßen Produzen-
ten können in Probleme geraten.
Auch der Kinomarkt ist von Umbrü-
chen betroffen: Die Zahl der jährli-
chen Filmstarts ist mit 800 viel zu
hoch. Total verrückt!

Hat Kino überhaupt noch Chancen?
80 Prozent der Filme verschwinden
heute sofort nach ihrem Start wieder,
da sich entweder kein Konsument
dafür interessiert oder sie nicht sicht-
bar sind. Das Kino hat eine große
Chance, wenn es sich extrem wan-
delt. Für uns ist es wichtig, mit Fil-
men wie „Hustlers“ anständig umzu-
gehen. Das bedeutet, genügend Ko-
pien am Start zu haben und sie mit
hohem Werbe- und Marketingdruck
zu begleiten. Kino ist kein Durchlauf-
erhitzer, sondern sollte eine Verede-
lungsstelle für Filme sein.

Wie wichtig ist es für Sie, eigene
Fernsehkanäle zu haben?
Wir werden das Feld rund um unsere
eigenen Digitalkanäle Filmtastic,
Home of Horror und Arthouse CNMA
ausbauen. Tele 5 und die Beteiligung
an RTL II sind und bleiben strate-
gisch interessante Assets.

Zu Ihren vielen Aktivitäten gehört
auch „Stern TV“ – ein Exot unter all
Ihren Filmen und Serien?
Ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass
sich Fernsehsender über gutes Info-
tainment profilieren können und –
verstärkt – müssen. Die Zahl der You-
tube-Videoabrufe haben wir bei
„Stern TV“ innerhalb von drei Mona-
ten von 3,5 Millionen auf 20 Millio-
nen steigern können. In kurzer Zeit
können wir mit unseren Redaktionen
und Archiven den Sendern „Brenn-
punkt“-ähnliche Spezialsendungen
und Einschätzungen liefern. Das ist
für mich ein Zukunftsmarkt.

Mit solchen Ideen empfehlen Sie
sich für „Bild TV“, das neue Lieb-
lingskind des Konzerns Axel Sprin-
ger, an dem Ihr Partner KKR neuer-
dings ebenfalls groß beteiligt ist.
Bei KKR ist es zwar dasselbe Team,
das uns und Springer betreut, trotz-
dem handelt es sich um getrennte
Investments. Aber natürlich wäre
Springer ein interessanter Kunde.

Private-Equity-Firmen wie KKR sind
Unternehmer auf Zeit und leben von
einem gewinnbringenden Exit. Wie
soll der bei Leonine aussehen?
Die Frage ist berechtigt, aber ein biss-
chen früh gestellt. Der Exit wird erst
in fünf bis zehn Jahren aktuell.

Verglichen mit einem patriarchali-
schen Unternehmen wie Kirch: Wie
fordernd ist eine Finanzfirma wie
KKR als Gesellschafter?
Ich habe viele Gesellschaftersituatio-
nen erlebt, in denen alles andere als
gekuschelt wurde. Meine jetzige Auf-
gabe ist sehr unternehmerisch ge-

prägt. Wir haben Pläne für 100 Tage,
250 Tage, 365 Tage – und wir wissen
genau, was wir uns jeden Tag vor-
nehmen. Wir sind agil und schnell.
Das ist mir sehr wichtig. Die Arbeit
mit KKR ist für mich persönlich noch
mal ein Upgrade. Und eine intellektu-
elle Herausforderung. Eine herausra-
gende Partnerschaft mit einem ex-
trem professionellen Team.

Wie sieht eigentlich Ihr persönlicher
Lebensplan aus? Dass Sie mit 65 in
Rente gehen, glauben wir nun eher
nicht.
Ich habe mir nie zeitliche Limits ge-
setzt. Ich danke meiner Frau, dass
Sie mir das ermöglicht. Wir beide
wissen: Wenn ich morgen aufhöre zu
arbeiten, haut’s mich um.

Herr Kogel, vielen Dank für das
Interview.

Die Fragen stellten Hans-Jürgen
Jakobs und Thomas Tuma.

Der Manager Der studierte Jurist
hat viele Stationen im Medienge-
schäft absolviert, unter anderem
als ZDF-Unterhaltungschef, Pro-
grammchef von Sat 1, Manager bei
Kirch Media und Chef von Constan-
tin Film sowie Produzent der Late-
Night-Show von Harald Schmidt.

Das Unternehmen Heute ist Kogel,
58, CEO von Leonine, wo Firmen
wie die Tele-München-Gruppe, Uni-
versum Film, I & U von Günther
Jauch sowie Wiedemann & Berg
(Kino) vereint sind. Hauptgesell-
schafter ist KKR.

Vita Fred Kogel


„Wir arbeiten mit
Spaß, aber hart“:
Fred Kogel beim
Handelsblatt-Inter-
view in München.

Thomas Dashuber für Handelsblatt

Die heutige


Situation


ist noch viel


faszinierender


als die


Anfangszeit


des privaten


Rundfunks.


Fred Kogel
Medienmanager

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Unternehmen & Märkte
MONTAG, 7. OKTOBER 2019, NR. 192


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