Handelsblatt - 07.10.2019

(Brent) #1

N


achdem er morgens sei-
nen achtjährigen Sohn
zum Schulbus begleitet
hat, ist er der Erste im
Büro. Und wenn Fred
Kogel, 58, abends seine beiden Söh-
ne ins Bett gebracht hat, arbeitet er
gern bis tief in die Nacht weiter. Kogel
ist seit rund 30 Jahren im Medienge-
schäft. Er war in führenden Positio-
nen in Leo Kirchs Medienreich, aber
auch beim ZDF oder im Rundfunk.
Jetzt will er’s noch mal richtig wissen:
Seit einem knappen Jahr baut er mit
Unterstützung eines Geldgebers ein
neues Medienreich zusammen. Die
Goldgräberzeiten seien heute noch
spannender als einst in den Achtzi-
gerjahren des vergangenen Jahrhun-
derts, als in Deutschland das private
Fernsehen startete, sagt Kogel – und
skizziert nun erstmals seine Strategie.

Herr Kogel, gemeinsam mit dem US-
Finanzinvestor KKR schmieden Sie
gerade ein Film- und Fernsehimperi-
um, das nicht nur dem Namen nach
an den einstigen Medienunterneh-
mer Leo Kirch erinnert: Leonine.
Nostalgie oder Größenwahn?
Da muss ich Sie komplett enttäu-
schen. „Leonine“ heißt „löwenartig“,
das ist Beschreibung und Ausdruck
unserer Haltung: souverän, stark, im
Team, auch mit Mut. Diese Eigen-
schaften reflektieren auch unsere Un-
ternehmenswerte. Der Name ent-
stand auch, weil unser Management-
team hier in München nahe der Leo-
poldstraße künftig seinen Hauptsitz
beziehen wird. Und er erinnert zu-
dem an den Löwen im bayerischen
Wappen.

Immerhin haben Sie selbst wichtige
Jahre Ihrer Karriere bei und mit Leo
Kirch verbracht. Was haben Sie von
ihm gelernt?
Leo ist Geschichte, lange her. Leoni-
ne ist die Gegenwart – und die Zu-
kunft. Elementar ist es heute, mit
den Produktionen, Film- oder TV-
Rechten, die man besitzt, eine stim-
mige Wertschöpfungskette zu bilden.
Für uns geht es dabei um Kino, TV,
Fiction und Entertainment fürs digi-
tale Zeitalter.

Sie beschreiben Kirchs altes Ge-
schäftsmodell.
Nein, wir beschreiben ein gültiges Zu-
kunftsmodell. Und: Die Zukunft ist di-
gital. Wir sehen klar die Chancen, die
die disruptiven Umbrüche im Markt
bieten, und wollen sie konsequent
nutzen. Sie kennen die Marktsituati-
on ja so gut wie ich: Aktuell ändert
sich die Art und Weise, wie die Kon-
sumenten den Content nutzen, radi-
kal und irreversibel. Alle Veränderun-
gen bergen nicht nur Risiken, son-
dern eben auch große Chancen. Die-
se Chancen zu nutzen, aber auch den
Markt zu gestalten, ist unser Ziel.

Was reizt Sie, es Kirch nun gleichzu-
tun? Macht? Geld?
Vergessen Sie die alten Stereotypen!
Die heutige Situation ist noch viel fas-
zinierender als die Anfangszeit des
privaten Rundfunks in den Achtziger-
jahren. Jeder kann überall zu jeder
Zeit Medieninhalte auf jeder Art von
Gerät anschauen. Und genau für die-
sen Markt haben wir uns aufgestellt.

Wer kam auf die Idee?
Seit vielen Jahren kenne ich Johannes
Huth und Philipp Freise von KKR
sehr gut. Damals stiegen sie bei Pro
Sieben Sat 1 ein. Wir blieben in Kon-
takt. Es war immer klar, dass KKR ei-
ne wohlüberlegte Investition im Me-
dienmarkt tätigen wollte. Für die di-
gitale Zeit braucht man mehrere Zu-

taten: alle Inhalte für alle Kanäle, die
besten Talente, neue Formate, Ange-
bote für nationale Player sowie inter-
nationale Plattformen. Hinzu kommt
der Lizenzhandel. Es geht uns um ei-
nen „One-Stop-Shop“ für Premium -
inhalte aller Art. Wir haben zum ers-
ten Mal die Chance, aus Deutschland
heraus nachhaltig für den Weltmarkt
zu produzieren.

So kauften Sie bereits die Tele-Mün-
chen-Gruppe, die Produktionsfirma
I & U von Günther Jauch, das Kino -
geschäft des Duos Wiedemann &
Berg sowie Universum Film aus der
RTL Group. Haben Sie genommen,
was gerade auf dem Markt war?
Nein, im Gegenteil. Keine Firma war
auf dem Markt. Es war ein systemati-
scher Plan, genau diese Firmen zu er-
werben. Sie wollten auch dabei sein,
wenn diese Leonine entsteht. So ent-
stand gemeinsam mit KKR im ersten
Halbjahr 2018 das Konzept.

Leute, die in großen Konzernkonglo-
meraten den Kontakt zur operativen
Basis verlieren, wurden von Ihnen
vor wenigen Jahren noch als „Struk-
turhengste“ beschimpft. Werden Sie
jetzt selbst so einer?
Wir sind noch ein großes Start-up, da
werde ich den Kontakt zur Basis so
schnell nicht verlieren. Die von uns
gekauften Firmen werden derzeit voll
integriert. Das ist eine große Aufga-
be, für die ich ein tolles Team verei-
nen konnte.

Wie viel haben Sie selbst investiert?
Ich rede nicht über Summen, kann
Ihnen aber bestätigen, dass ich einen
für mich persönlich durchaus sehr
hohen Beitrag investiert habe. Es
muss ja auch wehtun können. Ich
war in meinem Leben immer Unter-
nehmer, nicht nur in der gemeinsa-
men Firma mit Harald Schmidt.

Könnte auch Kirchs einstiger Vize
Dieter Hahn eine Rolle spielen?
Nein, absurd, solche Sachen mache
ich schon allein.

Wie viel wurde bislang investiert?
Das hieße nichts anderes, als Kauf-
preise zu nennen. Hier herrscht Ver-
traulichkeit. KKR ist ein ebenso po-
tenter wie professioneller Ansprech-
partner, aber auch nur der eine Teil
unseres „dualen Systems“. Auf der
anderen Seite sind das unsere ge-
schätzten Ansprechpartner bei den
Banken: Unicredit, DZ Bank und Köl-
ner Stadtsparkasse sowie im weiteren
Kreis Bayerische Landesbank, Mün-
chener Stadtsparkasse und Erste
Bank aus Österreich.

Aktuell dürfte der Umsatz von Leoni-
ne bei 300 bis 400 Millionen Euro
liegen. Wo wollen Sie hin?
Derzeit machen wir keine Angaben
zum Umsatz. Wir stellen bis Jahres -
ende unser Budget fürs Jahr 2020 zu-
sammen. Es gibt für uns aktuell kei-
nen Anlass, über Zahlen zu sprechen.

Aber ein Milliardenkonzern soll Leo-
nine schon werden?
Das ist – Stand heute – zu hoch gegrif-
fen. Dafür müsste man von vornherein
ein europäisches Konzept verfolgen.
Noch konsolidieren wir. In den nächs-
ten zwei Jahren wollen wir in Deutsch-
land, Österreich und der Schweiz orga-
nisch wachsen. Zunächst einmal müs-
sen wir liefern. Dann kann man sich ei-
ne Ausweitung in Europa vorstellen.
Wir bleiben schön brav am Boden und
arbeiten – mit Spaß, aber hart.

Sie wollen sicher weiter akquirieren.
Wir sind in einem bewegten Markt

Fred Kogel


„Die Zukunft


ist digital“


Der TV-Manager spricht erstmals über


den neuen Medienkonzern Leonine,


den er mit dem amerikanischen


Finanzinvestor KKR aufbaut – und


die Goldgräberzeit in der Bilder-Branche.


Fred Kogel: Der
Medienmanager
hat mit seiner
Firma „Leonine“
große Pläne.

Thomas Dashuber für Handelsblatt

Unternehmen & Märkte
MONTAG, 7. OKTOBER 2019, NR. 192

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