Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1
Katharina Schneider Frankfurt

E

heringe, Trauzeugen,
Hochzeitstorte? Wer hei-
ratet, steht vor vielen
Entscheidungen. Zu den
zwingenden gehört die
Wahl des künftigen Namens. Laut
Zahlen der Gesellschaft für deutsche
Sprache (GfdS) haben sich 2016
knapp drei Viertel der Ehepaare für
den Nachnamen des Mannes ent-
schieden – nur sechs Prozent für
den Namen der Frau. Bei zwölf Pro-
zent der Jungvermählten behielten
beide ihre Geburtsnamen. Und bei
den übrigen entschied sich einer für
einen sogenannten Doppelnamen –
meist die Frau. Auf den ersten Blick
scheinen die Wahlmöglichkeiten
ausreichend. Doch international gibt
es viel mehr Variationen. In Großbri-
tannien etwa herrscht vollkommene
Namenswahlfreiheit, da verschmel-
zen manche Paare ihre Namen zu ei-
nem völlig neuen. Andernorts dür-
fen zumindest beide Partner einen
Doppelnamen tragen. In Deutsch-
land darf dies nur einer.
Das deutsche Namensrecht gilt als
eines der strengsten und enthält da-
zu noch manch widersprüchliche
Vorgabe. Das fehlende Recht auf ei-
nen Doppelnamen für beide Partner
ist da nur ein Beispiel. Experten kriti-
sieren, dass die starren Regeln den
komplexeren Familienkonstellatio-
nen wie Patchworkfamilien nicht
mehr gerecht werden, dass es zuneh-
mend zu Ungleichbehandlungen
kommt und dass dem Namen als
Ausdruck der Persönlichkeit nicht
ausreichend Rechnung getragen
wird. Zu sehr werde noch auf den
Grundsatz der Kontinuität gepocht.
So ist eine Namensänderung eigent-
lich nur bei Geburt, Hochzeit und
Scheidung vorgesehen. Wer den Na-
men ohne ein solches Ereignis wech-
seln will, muss dafür einen „wichti-
gen Grund“ vorbringen.
„Ich persönlich bin für deutlich
mehr Freiheit bei der Namenswahl,
die aktuellen Beschränkungen lassen
sich angesichts der veränderten
Funktion des Namens und der neuen
Familienkonstellationen nicht mehr
rechtfertigen“, sagt Anatol Dutta. Der
Juraprofessor von der LMU München
ist eines von sieben Mitgliedern einer
Arbeitsgemeinschaft, die Bundesin-
nenministerium (BMI) und Bundes-
justizministerium (BMJV) 2018 ins
Leben gerufen haben. Sie soll Vor-
schläge zur Novellierung des Na-
mensrechts ausarbeiten. Wann genau
die Ergebnisse oder ein Gesetzent-
wurf vorgelegt werden, steht nach
Angaben des BMI noch nicht fest.

Deiner, meiner, unsere?
„Früher sollten Namen vor allem ei-
ne sprachliche Individualisierung
und eine Klassifizierung von Perso-
nen ermöglichen, sie gaben Auskunft
über das Geschlecht, die Zugehörig-
keit zu einer Familie oder auch zu
einer Gruppe wie Bürgertum und
Adel“, so der Wissenschaftler. „Inzwi-
schen steht die Selbstdarstellungs-
funktion der Menschen im Fokus,
und der Name ist Teil unseres Per-
sönlichkeitsrechts“, sagt Dutta. Die
früheren Funktionen erfüllten heute
die steuerliche Identifikationsnum-
mer, die inzwischen jeder Bürger bei
Geburt erhält, oder die Rentenversi-
cherungsnummer längst besser.
Doch was genau ist aktuell in
Deutschland erlaubt und welche Ge-
setzesänderungen werden diskutiert?
Zurück zur Eheschließung: Wenn

Partner namens Schmitz und Meyer
heiraten, haben sie zunächst zwei
Möglichkeiten: Beide behalten ihre
bisherigen Nachnamen – oder sie be-
stimmen einen gemeinsamen Ehena-
men. Der Partner, der sich beim Ehe-
namen nicht durchsetzt, kann entwe-
der nur den Ehenamen tragen oder
den bisherigen Nachnamen als soge-
nannten Begleitnamen anfügen oder
voranstellen, also Schmitz-Meyer
oder Meyer-Schmitz. Haben die Part-
ner von Geburt an den gleichen
Nachnamen, ist eine Kombination
wie Meyer-Meyer nicht erlaubt.
Wichtig: Ist die Entscheidung für
einen Ehenamen einmal gefallen,
lässt sie sich nicht widerrufen. „Wer
den Ehenamen wieder loswerden
möchte, muss sich scheiden lassen“,
sagt Eva Becker, Fachanwältin für Fa-
milienrecht. Darüber hinaus gibt es
nur beim Tod des Ehepartners die
Möglichkeit, den Ehenamen abzule-
gen. Sind die Partner bei der Na-
menswahl unsicher, können sie bei
der Hochzeit zunächst ihre bisheri-
gen Namen behalten und zu einem
späteren Zeitpunkt einen Ehenamen
bestimmen. Eine Frist gibt es dafür
bundesweit nicht, bestätigt ein Spre-
cher des BMI. Beliebig viel Bedenk-
zeit haben Paare auch bei der Ent-
scheidung für einen Begleitnamen.
Dieser kann auch Jahre nach der
Hochzeit ergänzt werden. Diese Ent-
scheidung kann man dann maximal
einmal widerrufen.

Scheidung bringt Auswahl
Der Partner, dessen Name Ehename
geworden ist, kann an seinem Na-
men nichts verändern. In Deutsch-
land ist es nicht erlaubt, dass Ehepaa-
re einen „echten“ Doppelnamen aus
ihren Nachnamen bilden, den sie bei-
de tragen und an ihre Kinder weiter-
geben können. Tobias Helms, Jura-
professor an der Uni Marburg und
ebenfalls Mitglied der Arbeitsgemein-
schaft von BMI und BMJV, kritisiert
das. „Eine solche Namenskombinati-
on kann man als Ausdruck der Ge-
meinschaft sehen. International ist
das weitverbreitet“, sagt er. „Kritiker
warnen häufig, dass die Namen da-
durch mit jeder Generation länger
würden, aber das lässt sich einfach
verhindern, indem Namensketten
untersagt werden“, erklärt Helms.
Besonders viele Möglichkeiten zur
Namenswahl eröffnet eine Schei-
dung: Die Partner können den Ehe-
namen fortführen, ihren Geburts -
namen hinzufügen, nur noch ihren
Geburtsnamen tragen oder einen
Ehenamen aus früherer Ehe erneut
annehmen. Wer seinen Ehenamen
nach der Scheidung behält, kann ihn
seit 2005 bei einer weiteren Hochzeit
auch an den neuen Partner weiterge-
ben. Der Ex-Partner kann sich da -
gegen nicht wehren. Das gilt selbst
dann, wenn sein Name ein sogenann-
tes Adelsprädikat enthält, also ein
„zu“ oder „von“. „Seit Abschaffung
des Adels in Deutschland können die-
se Namenszusätze bei einer Hochzeit
oder Adoption übertragen werden“,
erklärt Familienrechtlerin Sybill Of-
fergeld von der Kanzlei Rose & Part-
ner. Echte Adelstitel dagegen gingen
früher mit der Scheidung verloren.
Wer Kinder bekommt, darf bei ih-
rer Geburt nicht nur über ihre Vorna-
men, sondern auch über ihren Nach-
namen bestimmen. Sind die Eltern
nicht verheiratet, bekommt das Kind
automatisch den Nachnamen der
Mutter – es sei denn, die Eltern erklä-

Nachnamen


So dürfen Sie in


Deutschland heißen


Das deutsche Namensrecht gilt als streng. Komplexe


Familienverhältnisse und beliebige Änderungen sind


nicht vorgesehen. Was Bürger wissen müssen.


Namensschild: Wie
man sich nennen darf,
bestimmen in
Deutschland strenge
Gesetze.

Stockbyte/Getty Images

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WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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