Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1
Kunstmarkt
WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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SØR Rusche Collection

Den Erlös verdreifacht


Z


wei Seelen wohnen in der
Brust des westfälischen Textil-
unternehmers Thomas Ru-
sche: die eines ebenso leidenschaftli-
chen wie manischen Sammlers und
die des Geschäftsmanns, der sein an-
geschlagenes Mode-Unternehmen
mit knapp 60 SØR-Läden wieder in
die Gewinnzone bugsieren will. „Wie
viele davon sind mittelfristig überle-
bensfähig?“, fragt er sich. „Ich möch-
te, dass es auch morgen noch den
Fachhandel gibt.“ Um seine Firma zu
retten, lässt Rusche seine Kunst-
sammlung bei Van Ham versteigern.
Die zweite Tranche der SØR Ru-
sche Collection stieß jetzt auf rege
Nachfrage. 1,4 Millionen Euro mit
Aufgeld hämmerte das Kölner Aukti-
onshaus am 2. Oktober für die über-
wiegend aus Firmenbesitz eingelie-
ferten 515 Werke zusammen. Damit
hat sich die untere Schätzpreissum-
me nahezu verdreifacht.
Relativiert wird dieses Resultat al-
lerdings durch ein saftiges Aufgeld
von bis zu 50 Prozent. Dem setzte
Van Ham jedoch niedrige, teilweise
weit unter den Galeriepreisen liegen-
de Schätzpreise entgegen. Das gebot
der Sammlungsschwerpunkt auf fi-
gürlicher und dem Gegenstand ver-
hafteter Malerei, wie sie die Neue
Leipziger Schule pflegt. Zwar saßen
nur bis zu 25 Personen im Saal. Doch
es waren zwischen zwölf und 18 Tele-
fone im Einsatz. Auch online wurde
sehr lebhaft und sehr oft auch erfolg-
reich mitgeboten, besonders am Vor-
mittag, als 95 Grafiken und Unikate
von Neo Rauch und Rosa Loy zum
Aufruf kamen. Fünfstellige Preise rea-
lisierten jedoch nur die begehrten
Editionen von Rauch.

Mit wenigen Ausnahmen wurden
Loys Grafiken Opfer der niedrigen
Taxen. Nur ihr Gemälde „Aufzug“
verkaufte sich für fast 9 000 Euro.
Vor jenen Künstlern, für die ein
Marktpreis noch nicht etabliert ist,
musste sich Rusche rechtfertigen:
„Thomas, das kannst du mir doch
nicht antun“, bat ihn der Berliner
Maler Philip Grötzinger. „Mich
kauft doch keiner.“ Er behielt nur teil-
weise recht. Zwei der fünf ausgebote-
nen Gemälde, auf denen malerisch
exquisit inszenierte Monster ihr We-
sen treiben, wurden zu drei- und
vierstelligen Preisen versteigert.
Doch es gab auch noch nicht etab-
lierte Künstler, die im Preis anzogen.
Ein fotorealistisch gemaltes „Über-
schwemmtes Dorf “ von Markus
Matthias Krüger kam von geschätz-
ten 1 200 bis 1 500 Euro auf 20 825
Euro, „Das kleine Wirtshaus“ von Ti-
tus Schade von 600 auf 5 206 Euro.
Auktionsrekorde, mit denen man
rechnete, entfielen auf Justine Otto
und Nicola Samori. Respektabel
auch das Ergebnis von 44 635 Euro
für Martin Eders „Unschuld“, das
Porträt einer scharfäugigen Ziege.
Über alle Werke, die nicht verstei-
gert werden, freut sich der Kunst-
freund Rusche. Die Rückgänge von
Van Ham und die 20 Prozent seiner
Altmeistertranche, die letzte Woche
bei Sotheby’s in London zurückge-
reicht wurden, entlocken ihm ein
„Gott sei Dank“. Sie werden „der
Grundstock für eine neue Samm-
lung“. Von den über 4 000 Kunstwer-
ken stehen nach dieser und der lau-
fenden Online-Only-Auktion immer-
hin noch vier Fünftel zum Verkauf.
Christiane Fricke

Unicredit

Trennt sich von Kunst


A


nfang Februar verlautbarte
die Unicredit, sich etappen-
weise von ihrer Kunstsamm-
lung zu trennen. 60 000 Werke häuf-
ten sich über Fusionen mit anderen
Banken an. In einem ersten Schritt
geht es um 50 Millionen Euro, die
rund 300 Werke einspielen sollen.
Den Deal zog Christie’s an Land, ver-
steigert wird bis Frühjahr 2020. In
London gelangt am 4. und 5. Oktober
eine erste Tranche von rund 30 zeit-
genössischen Werken unter den
Hammer. 20 Arbeiten stammen aus
dem Bestand der Hypo-Kulturstif-
tung. Dazu gehören sechs Werke von
Gerhard Richter. Das günstigste geht
mit umgerechnet knapp 91 000 Euro
an den Start, das teuerste mit 7,4 Mil-
lionen Euro, die zusammen zumin-
dest zwölf, wenn nicht 18 Millionen
Euro erzielen könnten. Die Erwar-
tungen für Nam June Paiks Beitrag
für den Deutschen Pavillon der 45.
Biennale von Venedig beziffert Chris-

tie’s mit 179 000 bis 269 000 Euro.
Nach Schätzwerten soll der komplet-
te Hypo-Teil insgesamt zwischen 16
und 21 Millionen Euro einspielen.
Ein vergleichsweise kleiner Beitrag
stammt aktuell aus der Sammlung
der Bank Austria. Acht Kunstwerke,
die bis zu 184 000 Euro bringen sol-
len. Darunter Werke von Birgit Jür-
genssen, Arnulf Rainer, Hermann
Nitsch oder auch Maria Lassnig und
Franz West. Den Gesamterlös will
Unicredit in die „Social Impact Ban-
king“-Initiative „reinvestiern“, die mit
Krediten und Mikrofinanzierungen
positive soziale Veränderungen för-
dert. Knapp 73 Millionen Euro ließ
man dafür 2018 in Italien springen.
Die laufende Umsetzung in zehn wei-
teren Ländern der Bankengruppe
(darunter Deutschland, Österreich,
Ungarn, Rumänien, Türkei) wird
nicht nur, aber vor allem über den
Abverkauf der Unternehmenssamm-
lung finanziert. Olga Kronsteiner

Gerhard Richter: „Abstraktes Bild“.

Christie ́s

Martin Eder
„Unschuld“ von 2010:
Für 44 625 Euro
am Mittwoch bei Van
Ham versteigert.

Van Ham/VG Bild Kunst


   
 



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