Handelsblatt - 04.10.2019

(nextflipdebug5) #1

Wenn Sie bei Antrittsgebühren nicht mithalten
können, womit versuchen Sie dann wechselwillige
Hotelbesitzer zu locken?
Wir punkten damit, dass wir eine der stärksten
und beliebtesten Marken der Branche haben und
ein gewisses Alleinstellungsmerkmal bieten: Wenn
ich als Investor in Dubai einen Betreiber für meine
Hotelimmobilie suche, würde ich mir sehr genau
überlegen, ob ich dort das 20. Hotel aufmache, das
zum Marriott-Starwood-Verbund gehört. Was im-
mer das Risiko beinhaltet, dass der Konzern sein
Geschäft eher zu seinen anderen Hotels am Ort
lenkt, die für ihn vielleicht lukrativer sind. Was wir
außerdem in die Waagschale werfen können, ist
die persönliche Beziehung. Und vor allem die Hal-
tung unserer Mitarbeiter. Die Hoteleigentümer
oder ihre Vertreter haben alle meine Handynum-
mer und können mich jederzeit anrufen. Das dürf-
te beim CEO von Marriott-Starwood etwas schwie-
riger sein. Die Besitzer der Kempinski-Hotels sind
zudem automatisch Mitglied im Owner’s Club, der
höchsten Stufe in unserem Loyalty-Programm.


Ihre Handynummer und eine schicke Kundenkar-
te werden kaum ausreichen, wenn die Konkur-
renz mit siebenstelligen Wechselprämien lockt.
Deshalb werden wir in neue Geschäftsmodelle jen-
seits des klassischen Managementvertrags expan-
dieren. Ich hatte ja schon deutlich gemacht: Wir
sind in unserem bisherigen Kerngeschäft nicht aus-
kömmlich für die Zukunft aufgestellt und werden
unsere Geschäfte daher in Zukunft auf vier Säulen
stellen. Unser bisheriges Angebot an Hotelmanage-
ment-Dienstleitungen ist eine davon. Hier werden
wir unser Angebot flexibilisieren und neben dem
Gesamtpaket auch einzelne Hotelkompetenzen
verkaufen. Wir stellen uns das wie im À-la-carte-
Restaurant vor: Das Steak gibt es zu einem festen
Preis, und dann kann der Kunde den Salat dazu be-
stellen und wir liefern auch sonst alles, was sein
Herz begehrt dazu.


Was sind das für Kompetenzen, die Sie extra ver-
kaufen wollen?
Wir werden eine eigene Abteilung aufbauen, die
dabei hilft, Hotels umweltfreundlich auszurichten
und dann zu zertifizieren. Nachhaltigkeit und Lu-
xus schließen sich nicht mehr aus – sie bedingen
sich zukünftig. Wir werden spezielle Spa- oder Gas-
tronomiekonzepte schaffen, die wir dann als eigene
Marke Hotelbetreibern anbieten können – denken
Sie zum Beispiel an den Kempi Grill in unserem
Berliner Mutterhaus Bristol. Das ist ein Restaurant,
das an vielen Orten der Welt funktionieren könnte.


Mit diesem À-la-carte-Prinzip lösen Sie aber noch
nicht das Problem, dass Ihre Wettbewerber Ihnen
mit Vorabzahlungen das Geschäft wegschnappen.
Wir können dadurch aber flexibler auf diese He-
rausforderung regieren. Und außerdem wollen wir
ja noch drei weitere Sparten aufbauen. Den Wert
der Marke Kempinski zu entwickeln wird eine eige-
ne Säule, und es sollen weitere Marken hinzukom-
men. In China haben wir ein Hotel unter der Marke
Nuo aufgemacht. Ein luxuriöses Designhotel mit ei-
gener Teeplantage, das von der chinesischen Kul-
tur inspiriert ist. Wir sind gerade dabei, das zweite
Hotel in China unter dieser Marke zu branden.


Soll Nuo für Kempinski werden, was die design -
orientierte Hotelmarke „W“ für Marriott ist?
Das würde ich so nicht formulieren. Aber ich wi-
derspreche Ihnen auch nicht.


Die dritte Säule ...
... sind die Immobilien. Ich habe die letzten 15 Be-
rufsjahre vor allem auf der Investorenseite ver-
bracht und glaube sagen zu können: Ich kenne den
Markt für Hotelimmobilien recht gut. Bevor wir
wertvolles Eigenkapital verschwenden, um uns mit
Key Money in einen defizitären Managementver-
trag hineinzukaufen, nutzen wir das Geld lieber,
um selbst Hotelimmobilien zu erwerben – insbe-
sondere solche, die wir anschließend renovieren


und unter unseren Marken neu positionieren kön-
nen. Wir werden die Immobilien anschließend wei-
terverpachten, mit Pachtzeiten von bis zu 50 Jah-
ren. Der Pächter schließt dann mit uns einen eben-
so lange laufenden Managementvertrag ab, den wir
nicht alle zehn Jahre nachverhandeln müssen.

Schön für Sie, aber was hat der Pächter davon?
Es gibt genug institutionelle Investoren mit Interes-
se an Pachtverträgen, die ihnen einen langfristigen,
stabilen Einnahmestrom aus dem Hotelbetrieb ga-
rantieren. Auf diese Weise kommen wir hoffentlich
auch an Hotels an umkämpften Standorten wie Pa-
ris oder New York, die Kempinski bislang fehlen,
die für unsere Marke aber wichtig sind.

Fehlt noch die vierte Säule.
Unsere vierte Säule ist unser Mehrheitsanteil beim
Loyalty-Programm Global Hotel Alliance, das 550
unabhängige Hotels und einen Bestand von 14 Mil-
lionen aktiven Kunden umfasst. Damit sind wir
Nummer fünf im Markt. Wir wollen hier auf 30 Mil-
lionen Mitglieder zusteuern, Hyatt überholen und
auf Rang vier im Markt vorrücken.

Warum ist Kempinski eigentlich in Genf beheima-
tet? Es handelt sich doch um ein urdeutsches Un-
ternehmen.
Kempinski ist in Berlin gegründet worden. Die
Kempinski AG, die für das operative Geschäft zu-
ständig ist, hat ihren Sitz in München. Warum, das
hat mir noch keiner schlüssig erklären können.
Mein Plan ist es, die Kempinski AG möglichst bald
von München nach Berlin zu verlegen, da gehört
sie hin. Unsere Hauptverwaltung hingegen ist in
Genf gut aufgehoben, denn am dortigen Banken-
standort treffen wir auf die Immobilieninvestoren,
die wir für unsere Marke begeistern müssen.

Was macht die Marke Kempinski aus im Vergleich
zu den vielen anderen Luxushotelmarken?
Das ist ein bisschen so, als müsste man erklären,
warum die eigene Frau die einzige und beste ist.

Lassen Sie uns erst mal bei der Hotellerie bleiben!
Kempinski ist mit über 120 Jahren Geschichte na-
türlich eine sehr traditionelle Marke, die älteste der
Luxushotellerie. Wir stehen für eine natürliche
Freundlichkeit der Mitarbeiter, keine aufgesetzte
Unterwürfigkeit. Diese Einstellung entsteht auch
durch Kontinuität. Viele unserer Mitarbeiter sind
schon sehr lange bei uns. Ich habe schon vor vielen
Jahren beruflich bedingt sehr häufig im Kempinski
Gravenbruch übernachtet ...

... in dem wir dieses Interview führen ...
... und ich stoße heute noch auf viele bekannte Ge-
sichter. Und irgendjemand erinnert sich auch noch
daran, dass ich zum Frühstück besonders gern die-
ses Krustenbrot esse und sorgt dafür, dass es auf
dem Buffet liegt, wenn ich hier übernachte.

Ihnen ist klar, dass Sie als CEO keinen unverfälsch-
ten Eindruck von Ihren Hotels kriegen, oder?
Was auch manches einfacher macht: Wenn bei mir
etwas nicht funktioniert, dann funktioniert es gar
nicht.

Woran merken Sie auf den ersten Blick, ob ein Ho-
tel gut geführt ist oder nicht?
Die meisten Plus- oder Minuspunkte sammeln Sie
an der Tür: Bell Team, Concierge, Autoservice.

Geht’s noch konkreter?
Das betrifft jetzt eher den letzten Blick als den ers-
ten. Aber achten Sie mal darauf, wenn Sie das
nächste Mal Ihre Autoschlüssel zum Parken dem
Portier übergeben. Wenn Sie das Auto zurückbe-
kommen, ist in sehr guten Hotels der Fahrersitz
wieder auf der gleichen Position eingestellt, mit der
Sie den Wagen abgegeben haben.

Eine schöne Überleitung. Das Kempinski-Hotel
Adlon in Berlin hat den Anspruch, das beste Hotel
Deutschlands zu sein. Ist es das im Moment noch?
In vielerlei Hinsicht werden wir diesem Anspruch
auch heute noch gerecht. Nichtsdestotrotz gab es
in jüngster Vergangenheit Kritik an der Leistung
des Hotels, die wir ernst nehmen. Adlon oblige –
wir sind verpflichtet, im Adlon eine hervorragen-
de Leistung abzuliefern. Guter Durchschnitt
reicht da nicht. Wir werden daher an einigen Stel-
len investieren, etwa im Spa- und Gastronomie-
Bereich.

Und im Service?
Auch da werden wir an einigen Stellen nachbes-
sern, an denen wir mal hervorragend waren und
jetzt vielleicht noch sehr gut sind.

Wo genau hakt es im Service des Adlon?
Das geht in den Bereich, der einzelne Mitarbeiter
betrifft, und Kritik überbringe ich lieber im persön-
lichen Gespräch und nicht per Handelsblatt. Ich
möchte aber an diesem Punkt unterstreichen, dass
ich sehr stolz auf unsere Mitarbeiter im Adlon bin,
diese sind den höchsten Erwartungshaltungen aus-
gesetzt und in 99 Prozent der Fälle erfüllen wir die-
se mit Bravour. Trotz allem würde ich mich freuen,
wenn wir das ein oder andere Auto weniger spek-
takulär parken könnten ...

... als der Page des Adlon, der neulich die Mercedes
G-Klasse eines Gastes auf der Fahrt vom Hotelein-
gang zur Tiefgarage umgekippt hat. Was dem Ad-
lon im Netz viel Aufmerksamkeit bescherte.
Auch an diesem Beispiel können Sie erkennen,
dass wir keinen Aufwand und keine Mühen scheu-
en, um im digitalen Marketing voranzukommen.

Herr Smura, vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Christian Rickens.

Wo Martin Smura außerhalb des eigenen
Unternehmens am liebsten nächtigt:

Hotel Lutetia, Paris:
„Tolles Design und wunderbare Marseiller
Fischspezialitäten in der hauseigenen Brasserie.“

Hotel Fontenay, Hamburg:
„Ein mutiges Neubauprojekt von Klaus-Michael Kühne,
das Hamburg sehr bereichert.“

Hôtel du Cap-Eden-Roc, Antibes:
„Meine Frau und ich haben hier geheiratet.
Ein fantastisches Hotel in spektakulärer Lage.“

Brenners Park Hotel, Baden-Baden:
„Ebenfalls ein Hotel, das ich bei vielen Familienfeiern
lieb gewonnen habe. In der Perfektion des
Services unübertroffen.“

Landgasthof Karner in Frasdorf/Chiemgau:
„Eines der Hotels, die meine Frau betreibt, und in
dem ich mich sehr wohl fühle.“

Die Lieblingshotels des
Kempinski-Chefs

Landgasthof Karner

Von der Pike auf Als
15-Jähriger begann
Smura seine Laufbahn
mit einer Kochlehre.
Später folgte ein
MBA-Abschluss.

Hoch hinauf Neben
Funktionen in der
Luxushotellerie war
Smura bei Immobi-
lienfonds für Hotelin-
vestments zuständig
und leitete zuletzt
den Aufsichtsrat von
Dorint Hotels. Seit
dem 1. Juli ist er CEO
von Kempinski, einer
Aktiengesellschaft im
Besitz der Herrscher-
familie von Bahrain.

Familienbetrieb Der
50-Jährige lebt mit
seiner Familie in der
Schweiz. Seine Frau
Kateryna betreibt mit
„Castlewood Hotels“
selbst eine Hotelkol-
lektion.

Vita
Martin R. Smura

Ins Wochenende mit ...
WOCHENENDE 4./5./6. OKTOBER 2019, NR. 191
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