Neue Zürcher Zeitung - 02.10.2019

(singke) #1

44 SPORT Mittwoch, 2. Oktober 2019


Roman Josi und das Warten auf den Millionensegen


Erstmals seit Jahre n gibt eseinen Rückgang an Schweizer NHL-Profis – aber der Nashville-Verteidiger Josi könnte bish eri ge Dimensionen sprengen


nbr.· Schweizer Spieler haben in der


NHL einiges erreicht und als Pio-


niere Geschichte geschrieben. Sie ge-


wannen den Stanley-Cup (Mark Streit,


Martin Gerber, David Aebischer),sie


scha fften es zum Captain (Streit,Ro-


manJosi), sie wurden für das All-Star-


Game berücksichtigt (Josi, Streit,Jonas


Hiller), sie wurden Nummer-1-Drafts


(Nico Hischier).Doch es bleiben Mei-


lensteine, die noch nicht erreicht wor-


den sind. Manche dürften auch in dieser


Saison ausserReichweite bleiben. Es ist


etwa schwer vorstellbar, dass ein Schwei-


zer die Skorerwertung gewinnt.Doch bei


den individuellenAuszeichnungen gibt


es zumindest einen Schweizer mitrea-


listischen Chancen: den BernerRoman


Josi, 29-jährig. Josi schaffte es in der


Wahl zur «NorrisTrophy» für den besten


Verteidiger schon mehrfachin di eTop 5,


er gehört zu den Defensivspielern der


allerersten Güteklasse. Josi, der Captain


der Nashville Predators, steht vor einem


aufregendenWinter. In den letztenJah-


ren hat es in der Ligakeinen Spieler


gegeben, der derart krass unterbezahlt


war wieJosi. Vier Millionen Dollar ver-


dient er, doch nach Leistung und Status


müsste es zumindest das Doppelte sein.


2018 hat sichJosi von seinem langjähri-


genAgenten GeorgesMüller getrennt,


sein neuer BeraterJudd Moldaver soll


einenRekord vertrag aushandeln. Josi


hat mehrfach betont, in Nashville blei-


ben zu wollen,doch im Sommer wäre er


auf dem freien Markt, was den Preis in


die Höhe treiben dürfte. Realistisch sind


zwischen acht und zehn Millionen Dol-


lar proJahr, kein Schweizer in der NHL


hat je annähernd so viel verdient.


Das Kontingent von zuletzt drei-

zehn Schweizer Profis wird in diesem

Jahr wohl schrumpfen – derVerteidi-

ger Luca Sbisa ist arbeitslos, zuletzt

hielt er sich bei seinem letztenArbeit-


geber, den NewYork Islanders, fit. Der


Zugerkönnte vordem Karriereende

stehen, mit erst 28Jahren, eineRück-

kehr nach Europa hat er mehrfach kate-


gorisch ausgeschlossen. Nicht mehrTeil


der Liga sind zudemSven Andrighetto,


der in der KHL besser verdient als zu-


letzt bei ColoradoAvalanche, sowie zu-


mindest temporär Sven Bärtschi,den die


Vancouver Canucks überraschend in die


Farmteam-Liga AHLverb annten.Ein

Kandidat für ein NHL-Debüt in die-

sem Winter ist dafür der Zuger Stürmer


CalvinThürkauf in der Organisation der


Columbus BlueJackets , der auch der

Verteidiger DeanKukan angehört.


Die ZSC Lions schaffen gegen den EHC Biel die Wende


und erober n die Tabellenspitze der National LeagueSEITE 42


Der Trainer-Guru Alberto Salazar wird nach


einem Dopingverfahren für vi er Jahre gesperrtSEITE 43


Das Wagnis des Ralph Krueger


Wie der erst e Schweizer Eishockeytrainer der NHL-Geschichte die chronisch erfolglosen Buffalo Sabres auf Kurs bringen will


NICOLA BERGER


SiebenJahre ist es her, seitdemRalph


Krueger letztmals ein NHL-Team trai-


niert hat. Krueger, heute 60, betreute


in der Lockout-Saison 2012/13 die Ed-


monton Oilers, eine durch und durch


dysfunktionale Organisation. Nach nur


einemWinter wurde er entlassen, per


Skype-Anruf, und ein bisschen wirkt es,


als ob diese Stillosigkeit die Beteilig-


ten bis heute verfolgt. Die Oilers haben


die Play-offs seither ein einziges Mal er-


reicht, obwohl sie mit Connor McDa-


vid den besten Spieler des Planeten in


ihremTeam haben. Und Craig MacTa-


vish, der damals verantwortliche Mana-


ger, ist vor wenigenTagen alsTrainer des


KHL-Teams LokomotivJaroslawl nach


acht Spielen entlassen worden,vielleicht


per Videoanruf, man weiss es nicht.


Krueger jedoch hat die Episode nicht


geschadet.Aus dem langjährigenTrai-


ner der Schweizer Nationalmannschaft


wurde einer der wenigen Menschen, die


in einer operativenFunktion zwischen


Sportarten wandelnkönnen. Er führte


bis zumFrühjahr den FC Southampton


als Chairman,jenen Klub, bei dem Sadio


Mané so prächtig gedieh, ehe er im FC


Liverpool die Metamorphose zum ge-


feiertenWunderstürmer abschloss. Und


daneben hielt der gewiefte Netzwerker


und Eigenvermarkter dieKontakte in


der Eishockeywelt warm. SeinRuf in


Nordamerika ist exzellent, besser als in


der Schweiz gar. Das Onlineportal«The


Athletic» schrieb dieseWoche, Krueger


habe so vieleFacetten und ein so brei-


tes Wissen, dass es erstaunlich sei, dass


dieWeltraumbehörde Nasa ihn nicht um


Rat für die nächste Mission insAll frage.


Es nützte Krueger, dass die einzigen


zwei Eishockey-Intermezzi in derPost-


Oilers-Zeit von Erfolg gekrönt waren:


2014 half er Kanada in derRolle eines


Beraters, in Sotschi Olympiagold zu ge-


winnen; Krueger wurde nach demTur-


nier explizit dafür gelobt, wie detailliert


und wissenswert die von ihm gelieferten


In formationen zur Gegnerschaft gewe-


sen seien.Und auch amWorld Cup 20 16


in Toronto, einem erstklassig besetzten


Schauturnier, konnte er punkten:Das


von ihm geführteTeam Europa schaffte


es bis in denFinal, es überzeugte mit

taktischemRaffinement und defensiver


Stabilität. Es ist Kruegers altesPatent-


rezept – schon die Schweiz stellte er als


chronischenAussenseiter so cleverein,


das sanguten Abenden die aufopfernde


Systemtreue der Seinen über dasTalent


des Gegners triumphierte.


Die Parallelenzur Schweiz


In Buffalo trifft Krueger auf eineAus-


gangslage, die wie für ihn geschaffen

scheint. Die Sabres steigen in die Sai-

son ihres 50-Jahr-Jubiläums und haben


noch immer nichts gewonnen.Die wahr-


scheinlich populärsteFigur der Klubhis-


torie ist RickJeanneret, einTV-Kom-

mentator, der dasTeam seit den frü-

hen 1980erJahren begleitet und zu-

letzt öffentlich seinen Unmut über die


Baisse der Sabres kundtat.Acht Saisons


in Folge verpasste dasTeam zuletzt das


Play-off, seit zwölfJahren hat eskeine

Play-off-Serie mehr gewonnen.


Krueger ist der sechste Coach seit

2013,er beerbt Phil Housley, den ehema-


ligen GC-Verteidiger. Zuvor scheiterte


mit Dan Bylsma ein Coach, der schon

den Stanley-Cup gewonnen hatte. Der

Misserfolg derVergangenheit hat für

die GegenwartVorteile; Krueger trifft

dank etlichen hohen Draftrechten auf

ein Kader, das talentiert ist. Aber eben


auch unerfahren und fragil, ein Under-


dog,den Kruegermodellieren kann.Er


sagt, er seheParallelen zu1997, jenem

Jahr, in dem er die Schweizer National-


mannschaft übernahm; die Sabres stün-


den vor demDurchbruch,so wie damals


die Schweiz.


Krueger hat öffentlich immer wieder


gesagt, er habe eigentlich gar nicht als

Coach in die NHL zurückkehren wollen



  • beziehungsweise nur zu einigen weni-


gen Teams. Das mag zu einem gewissen


GradKokett erie gewesen sein, aber sie


war bei denVertragsverhandlungenkein


Nachteil.Kolportiert wird, dass Krue-

gers Dreijahresvertrag mit zwölf Millio-


nen Dollar dotiert sei.Das ist viel Geld


für einen Coach, selbst in der Milliar-

denligaNHL. DasVolumensignali siert


auch die Bereitschaft der Sabres,nicht


beim ersten Gegenwindeinzuknicken –


anders als die Oilers 2013.


Das ist ein wichtiger Aspekt, denn

KruegersRückkehr insTrainergeschäft


ist einWagnis – für ihn,der seinAnsehen


aufs Spiel setzt und sich noch einmal den


Stress und den Druck desTrainerlebens


in der NHL zumutet, als drittältester

Coach der Liga. Und auch für die Sabres


und ihren ManagerJason Botterill, der


eine konservativereLösung hätte wäh-


len können, sich aber mit Krueger für

den aufregenderen und riskanterenWeg


entschied.


Hoffnung fürGrönborg


Krueger in Buffalo: Es ist das womög-


lich faszinierendsteExperiment in die-


ser NHL-Saison.Es geht um die Ant-

wort auf dieFrage, ob das funktionieren


kann:sich fünfJahrelang mitFussball zu


befassen und dann ansatzlosin der bes-


ten Eishockeyliga d er Welt zu coachen.


Allein dass Krueger mit seinemWerde-


gang eine Chance erhält, zeigt, dass sich


die Dinge in der NHL wandeln,dass die


lange risikoaversen Manager ihr Sicht-


feld bei derTrainersuche erweitern. Es


ist eine positive Entwicklung für jene

Trainer, die darauf hoffen, zum ersten

NHL-Coach mit nicht nordamerikani-

schenWurzeln seit Alpo Suhonen und

Jaroslav Hlinka imJahr 20 00zu w erden;


für Leute wie den ZSC-TrainerRikard


Grönborg, der ebenfalls mit Buffalo ver-


handelt hatte,und den Schweizer Natio-


nalcoachPatrickFischer.Vielleicht ist

das Kruegers letzter Akt auf der gros-

sen Bühne:NHL-Türöffner für europäi-


scheTrainer zu sein. Doch dafür braucht


es Erfolg, eine Play-off-Qualifikation,

und gerade angesichts der abenteuer-

lichen Besetzung der Goalieposition bei


den Sabres ist daskeine Selbstverständ-


lichkeit. Der unverbesserliche Optimist


Krueger zweifelt nicht am Gelingen des


Unterfangens, natürlich nicht. Schon im


Mai sagte er:«DiesesTeam ist bereit,ein


Titelanwärter zu werden.»


Den Nachweis kann es mit dem

neuenTrainer erstmals in der Nacht auf


Freitag gegen Pittsburgh erbringen.


Ralph Krueger (hinten) trifft auf einTeam, das talentiert, aber fragil ist–diese Melange scheint wie für ihn geschaffen. JOHN BEALE / AP


NewJersey Devils:


Nico Hischier,20,


3,775 Mio. Dollar,


Vertrag bis 2020


Mirco Müller,24,


1,4 Mio. Dollar,


Vertrag bis 2020


NashvillePredators:


Roman Josi, 29,


4Mio.Dollar,


Vertrag bis 2020


YannickWeber, 31,


675 000 Dollar,


Vertrag bis 2020


Florida Panthers:


Denis Malgin, 22,


750 000 Dollar,


Vertrag bis 2020


VancouverCanucks:


Sven Bärtschi, 26,


3,366 Mio. Dollar,


Vertrag bis 2021


Edmonton Oilers: Gaetan Haas, 27,


1,565 Mio. Dollar,


Vertrag bis 2020


Die Schweizer Eishockeyspielerind er NHL


Carolina Hurricanes:


Nino Niederreiter,27,


5,25 Mio. Dollar,


Vertrag bis 2022


Minnesota Wild:


Kevin Fiala, 23,


3Mio.Dollar,


Vertrag bis 2021


Columbus Blue Jackets:


Dean Kukan, 26,


725 000 Dollar,


Vertrag bis 2020


WashingtonCapitals:


Jonas Siegenthaler,22,


888 333 Dollar,


Vertrag bis 2020


QUELLE: NHL NZZ Visuals/cke.


SanJose Sharks:


Timo Meier,22,


6Mio.Dollar,


Vertrag bis 2023

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