SPORT
Die Kunst der Anspielung, er beherrscht sie, ob mit
oder ohne Mannschaft. In einem aktuellen Werbespot
für einen britischen Buchmacher wird daher nicht nur
ausführlich sein Spitzname spazieren geführt („Was
kommt als Nächstes für den Besonderen?“, schlagzeilt
seine morgendliche Zeitung). Er erhält auch einen
Brief zugestellt („Sondersendung“) mit der Anschrift
„Herr Mourinho“. Auf Deutsch.
DORTMUND WÜRDE PASSENDer Trainersohn aus
der Hafenstadt Setúbal bei Lissabon kann sich rüh-
men, als bislang einziger Übungsleiter die Meister-
schaften der Topligen England, Italien und Spanien
gewonnen zu haben. Deutschland würde den Reigen
komplettieren, auch Frankreich fehlt ihm noch. Dort
kann er schon die Sprache, und als titelfähiger Klub
kommt nur das überdominante Paris Saint-Germain
infrage. In der Bundesliga gäbe es immerhin zwei Op-
tionen. Wo die Bayern jedenfalls in folkloristischer
Hinsicht als Traumehe zu gelten hätten – gegen „Spe-
cial one“ und „Mia san mia“ verblassen selbst Laptop
& Lederhose –, unterhält er die besseren Beziehungen
allerdings nach Dortmund. „Wir sind schon lange be-
freundet und haben immer Kontakt“, berichtete Ge-
schäftsführer Hans-Joachim Watzke, als er Mourinho
vor drei Jahren zu einem Auswärtsspiel in Berlin ein-
lud. Und so sehnsüchtig wie die Borussia angesichts
flatterhafter Darbietungen ihrer begabten Mannschaft
gerade über Defensivmentalität, Grätschen und takti-
sche Fouls diskutiert, könnten sie ihn dort brauchen.
Extrem wettkampfharte Mannschaften zu bauen
war immer das Markenzeichen Mourinhos. Nach in-
nen schweißte er alle zusammen, nach außen lenkte er
mit beißenden Sottisen die Aufmerksamkeit auf sich.
Doch während ihm bei seiner Entlassung bei Chelsea
2007 oder dem Abschied aus Mailand 2010 noch Stars
wie Didier Drogba oder Marco Materazzi weinend in
den Armen lagen und sich auch die Reporter bis heute
an diese Zeiten als verlorenes Paradies erinnern, än-
derte sich das Muster in Madrid. Von der Mischung
aus Arroganz und Schalk blieb nur noch Zynismus,
derweil er spätestens im jeweils dritten Jahr die Kon-
trolle über die Kabine verlor. Bei Real wie beim zwei-
ten Mal Chelsea und in Manchester musste Mourinho
gehen, weil das Verhältnis zu wichtigen Spielern nach
bösartigen Verdächtigungen und öffentlichen Maßre-
gelungen zerstört war. Parallel gerieten auch seine nie
attraktiven, aber anfangs noch innovativen Trainings-
und Matchpläne zunehmend aus der Mode.
Mourinho ist zu klug, um nicht zu wissen, wo seine
offenen Flanken gesehen werden. Und zu originell, um
ihnen nicht auf charmante Weise zu begegnen. Beim
Interview im Park kam er auch mit Charles Darwin um
die Ecke, er lese derzeit ja viel. „Die beste Spezies ist
nicht die stärkste, auch nicht die intelligenteste, son-
dern die, die sich am besten an Veränderungen anpas-
sen kann“, zitierte er. Soll heißen: Er hat verstanden,
dass er sich wandeln muss, und will sich flexibler ge-
ben als in den altersstarren Tagen in Manchester, als
er jede Kritik mit dem Verweis auf frühere Erfolge an
anderen Orten abbügelte. Und ja, auch mit der Evolu-
tion des Fußballs hat er sich beschäftigt. Zum nächs-
ten Job werden ihn neue Assistenten begleiten.
Wenn der nächste Job dann endlich kommt. Wenn
er nicht mehr für eine Show im russischen Staatsfern-
sehen einen Ehrenbully beim Eishockey wirft (er
rutschte prompt aus) oder sich wie zuletzt auf Einla-
dung des saudischen Sportministers (und Besitzers
des spanischen Zweitligisten Almería) in Riad die Zeit
vertreibt. Im Sommer habe er erstmals die ganze
Transferzeit als Konsument und Fan erlebt, erzählt er.
Es habe ihm nicht gefallen. Und: „Zé (Spitzname für
NURPHOTO/GETTY IMAGESJosé – d.R.)ist voller Feuer.“
; DPA; PICTURE ALLIANCE