Der Spiegel - 28.09.2019

(Ann) #1

zu verführen, Juul weist das zurück. Doch
die Angriffe wirken. Die Firma will nun
ihre aktuelle Werbekampagne mit dem
Slogan »Make the Switch« (»Steig um«)
stoppen. Sie war von der FDA gerügt wor-
den, weil sie E-Zigaretten als sicherere Al-
ternative zum Rauchen anpries.
Es wirkt zynisch, dass eine Firma, die
mit dem Versprechen angetreten ist, den
Konsum herkömmlicher Zigaretten einzu-
dämmen und damit die Risiken des Rau-
chens zu mindern, nun womöglich dazu
beigetragen hat, eine neue Generation zur
Nikotinsucht zu verführen.
In den letzten Wochen konnte man dem
nun abgetretenen Chef der Firma dabei
zusehen, wie er in Fernsehinterviews
poten zielle Kunden fast abwimmelte, vor
allem Jugendliche. An Nichtraucher ge-
wandt, sagte er: »Inhalieren Sie nicht. Be-
nutzen Sie Juul nicht. Sie sind nicht unser
Zielkonsument.«
Zur Glaubwürdigkeit von Juul trägt der
recht neue Miteigner Altria nicht gerade
bei. Die Umarmung durch den Tabak riesen
machte deutlich, dass die traditionelle In-
dustrie, deren Produkt Juul doch »eliminie-
ren« will, mitkassieren möchte, wenn ihre
Kunden zu Dampfrauchern werden.
Die Strategie schien logisch, ging aber
erst mal nach hinten los: Seit die FDA im
April eine Untersuchung der gesundheit-
lichen Risiken von E-Zigaretten lancierte,
sank Altrias Börsenbewertung um rund
30 Milliarden Dollar, mehr als ein Viertel
des gesamten Marktwerts der Firma.
Branchenanalysten hatten den jetzt ge-
platzten Zusammenschluss von Altria und
Philip Morris International schon eine Wei-
le skeptisch kommentiert. Die Perspekti-
ven für Altria seien durch die Juul-Betei -
ligung »fundamental getrübt«, schrieb Vi-
vien Azer von der Investmentfirma Cowen.


83

Philip Morris könne deshalb kein Interesse
an einer Fusion haben.
Die abgesagte Hochzeit wäre eine Neu-
verbindung zweier Konzerne gewesen, die
einst zusammengehörten: Altria ist nur
ein neuer Name, unter dem die alte Mut-
terfirma Philip Morris seit 2003 auftritt.
2008 wiederum hatte Altria sein interna-
tionales Geschäft abgespalten und sich von
Philip Morris International getrennt. Mit
der Wiedervereinigung, so war es geplant,
wollten die Firmen ihre Kräfte bei alterna-
tiven Raucherprodukten bündeln.
Ärger hat Juul mittlerweile auch in
Deutschland. Erst Ende 2018 waren die
Amerikaner hier angetreten. Sie vermark-
teten ihre Trend-Dampfer in bewährter
Manier, adressierten ein hippes Publikum
und verdrängten Konkurrenzprodukte
von den besten Plätzen in den Regalen der
Händler. Doch vergangene Woche ordnete
das Landgericht Düsseldorf per einstwei-
liger Verfügung an, dass Juul seine Kartu-
schen in Deutschland vorläufig nicht mehr
vertreiben darf – wenn der Nikotingehalt
von dem auf der Verpackung angegebenen
um mehr als ein Milligramm abweicht
oder wenn auf der Kartusche die durchge-
strichene Mülltonne fehlt, das Symbol für
die Entsorgung von Elektroschrott.
Der Wettbewerber Niko Liquids hatte
die fehlenden oder falschen Kennzeich-
nungen moniert, für Juul bedeutet dies
zumindest einen weiteren Reputations-
schaden. Zwar bestreitet Juul die Vorwür-
fe und hat die Verfügung zum Müll -
tonnensymbol angefochten. Am 8. Okto-
ber entscheidet das Gericht darüber. Doch
vorerst kann die Firma ihre Händler nicht
weiter beliefern, die Umstellung der Pro-
duktion soll drei bis fünf Wochen in An-
spruch nehmen.
Wie geht es weiter? Womöglich profi-
tiert Altria von einem geschwächten ame-
rikanischen E-Zigaretten-Markt sogar, weil
Raucher, die aufs Dampfen umgestiegen
waren, ihren Nikotinbedarf wieder mit tra-
ditionellen Zigaretten stillen werden.
Selbst bei Juul am Pier 70 müssen die
Lichter nicht ausgehen. Wenn der Vaping-
Markt vor einer Bereinigung steht, die nur
die Großen überleben, könnte für Juul gar
»ein größeres Stück eines kleineren Mark-
tes« übrig bleiben, sagt Scott Gottlieb, Ex-
Chef der US-Gesundheitsbehörde FDA.
Die Hoffnungen von Philip Morris für
den US-Markt ruhen nun vorerst auf dem
Tabakerhitzer Iqos, den der Konzern im
Rest der Welt mit großem Erfolg vermark-
tet. Anders als bei Juul liegt für den auch
eine Genehmigung der FDA vor.
Der einzige stabile Faktor in dieser Situ -
ation ist die Nikotinsucht der Kundschaft:
Wer abhängig ist, muss kaufen. Was auch
immer. Martin Hesse, Guido Mingels
Mail: [email protected]

Wirtschaft

MODELL
ELPASO

DER SCHUH ZUM


WOHLFÜHLEN


FinnComfort Postfach
97433 Haßfurt/Main

Katalog/Händler:
http://www.finncomfort.de


  • AUSGEZEICHNETE PASSFORM

  • SUPERBEQUEM-FUSSBETT

  • OPTIMALE AUFTRITTSDÄMPFUNG

  • GEEIGNET FÜR INDIVIDUELLE EINLAGEN


Das Geschäft mit dem Nikotin
Wert großer Tabakkonzerne und E-Zigaretten-
Anbieter in Milliarden Dollar


Quelle: Refinitiv Datastream, Stand: 26. 9. 2019, * Schätzung (außerbörslich)


Philip
Morris
Int.

British
American
Tobacco
Altria

Japan
Tobacco
Juul Imperial
Brands

117,1

83,0
75,8

43,6
35,0*
24,3

Fusi
on

(^) ge
sc
he
ite
rt
gehö
rt (^) z
u
(^35)
%
(^) A
ltr
ia

Free download pdf