Die Welt - 05.10.2019

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05.10.19 Samstag, 5. Oktober 2019DWBE-HP


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DWBE-HP

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DIE WELT SAMSTAG,5.OKTOBER2019 DIE LITERARISCHE WELT 27


O


cean Vuong sitzt mit
scheuem Blick in einem
kargen Hotelzimmer.
Vuong wurde 1988 in Vi-
etnam geboren und zog
im Alter von zwei Jah-
ren nach Amerika, wo er
heute lebt. Seine Lyrik wurde vielfach ausge-
zeichnet, unter anderem mit dem Whiting
Award for Poetry und dem T.S. Eliot Prize, in
Amerika gilt er als eine der wichtigsten jun-
gen Stimmen.

VON MARA DELIUS

Vor Kurzem ist sein Roman „Auf Erden
sind wir kurz grandios“ (Hanser) erschienen,
von der Kritik gefeiert für seine Überblen-

sind wir kurz grandios“ (Hanser) erschienen,
von der Kritik gefeiert für seine Überblen-

sind wir kurz grandios“ (Hanser) erschienen,

dung aus queerem Memoir, Coming-of-Age-
Geschichte eines Flüchtlingskindes und es-
sayistischem Ausflug in die poststrukturalis-
tische Theorie. Wie denkt ein junger ameri-
kanischer Schriftsteller über Notwendigkeit
des Schreibens und über die Kraft der Litera-
tur? Ocean Vuong denkt lange nach, bevor er
antwortet, und hört seinen Worten hinter-
her, ehe er weiterspricht.

DIE LITERARISCHE WELT:Sie sind 30, Sie
haben fast zehn Jahre Gedichte geschrie-
ben und jetzt einen Roman. Wie kam es zu
dem Formwechsel?
OCEAN VUONG:Ich habe viele Jahre lang
nur Gedichte geschrieben, das stimmt. Ge-
dichte zu schreiben ist schwer, weil die
Form so knapp ist, so konzentriert und kon-
densiert. Ich wurde irgendwann ziemlich
gut darin, dieser Form zu entkommen, ge-
wissermaßen aus dem Gedicht im entschei-
denden Moment zu fliehen. Was nicht heißt,
dass ich gute Gedichte geschrieben hätte –
ich wurde nur gut darin, passende Meta-
phern zu finden, die richtige Formulierung
einzusetzen, bevor das Nachdenken, das ei-
gentlich Schwierige, beginnt. Ich hatte ir-
gendwann das Gefühl, ich fordere mich
selbst nicht mehr richtig als Künstler. Es ist
ein wenig so, wie die Zen-Mönche sagen:
Man muss sich die Haltung des Anfängers
bewahren, gerade wenn man keiner mehr
ist, gewissermaßen eine „Weißer-Gürtel-
Mentalität“ beherzigen. Daher der Form-
wechsel: als Herausforderung.

So einfach?
Naja, in Amerika sind wir ziemlich getrie-
ben und gestresst von dieser kapitalisti-
schen Grundnervosität, dass man sich un-
bedingt weiterentwickeln muss. Das zweite
Buch eines Schriftstellers muss etwas ganz
Neues sein, nach dem Motto „Jetzt neu und
mit verbesserter Rezeptur!“. Wir fetischi-
sieren das Neue, Frische, Junge. Wichtiger
fffür mich als Antrieb war: Ich bin einfachür mich als Antrieb war: Ich bin einfach
noch nicht fertig damit, Antworten auf die
Fragen, die mich umtreiben, zu suchen,
nämlich: Was es heißt, heute ein Amerika-
ner zu sein, was amerikanische Geschichte
bedeutet und die dazugehörige Gewalt. Die
Fragen kann ich nicht einfach auf den 85
Seiten einer Gedichtsammlung beantwor-
ten.

Aber im Roman schon?
Ich wollte mit diesen grundsätzlichen Fra-
gen experimentieren. Ich habe meinem
Agenten den Roman auch erst gezeigt, als ich
eine vierte Fassung geschrieben hatte. Ich
meine, ich bin immerhin Dichter – man zeigt
ja auch niemand ein halbes Sonett! Jeden-
falls fand ich, dass, wenn man diese Grund-
fragen von einer neuen Perspektive angeht,
man eine neue Spracharchitektur schafft, in
der sie sich noch mal ganz anders entfalten
können. Vergleichbar ist das vielleicht mit ei-
ner Skulptur, die, von unterschiedlichen Sei-
ten betrachtet, dem Betrachter jeweils ande-
re Perspektiven eröffnet.

Was bedeutet das für Ihren Schreibpro-
zess?
Ich habe die erste Fassung des Romans von
Hand geschrieben, ungefähr 70.000 Wörter.

se kommt, will man einen Drink, aber nicht le-
sen. Lesen ist immer noch eher eine Beschäfti-
gggung der bürgerlichen Mittelschicht.ung der bürgerlichen Mittelschicht.

Wie reagiert Ihre Familie auf Ihr Leben als
Schriftsteller, Ihren Erfolg? Sie waren neu-
lich in der Late-Night-Show von Seth Mey-
ers.
Meine Familie ist stolz auf mich. Und ich
freue mich, dass ich über ihre und unsere Er-
fahrungen schreiben kann, ohne sie zu exo-
tifizieren. Meine Familie kommt zum Bei-
spiel zu Lesungen und stellt sich zu mir,
wenn ich Bücher signiere. Aber meine Mut-
ter fragt nicht nach den Büchern, weil sie
nicht lesen kann. Und warum sollte sie denn
auch besonders interessiert sein? Sie muss es
nicht. Sie ist stolz auf mich, und das reicht.

CELESTE SLOMAN/THE NEW YORK TIME

/CELESTE SLOMAN/NYT/REDUX/LAIF

„MICH


INTERESSIERT


DAS RISIKO DER


SENTIMENTALITÄT“


Ocean Vuong gilt als


neue amerikanische


Literaturhoffnung. Ein


Gespräch über den Fetisch


Jugend, Schreiben als


Drag-Performance und


zukunftsfähige Konzepte


von Männlichkeit


Warum?
Ich war in Italien, in Umbrien, zum ersten
Mal in meinem Leben in einem Künstlerresi-
denz-Programm. Sechs Wochen lang, großar-
tig, dachte ich, das muss ich ausnutzen! Und
dann gab es eines dieser Riesengewitter. Wir
hatten tagelang keinen Strom, mein Laptop
war tot. Ich hatte nur noch meine Hände.
Mir hat das gezeigt, dass Schreiben von
Hand andere Dinge enthüllt; es öffnet sich
eine andere Dimension der Vorstellung. Der
Computer treibt einen zum Punkt, von Hand
zu schreiben dauert dagegen ungefähr zehn,
fünfzehn Sekunden länger pro Satz. Man
sieht mehr; man verbringt mehr Zeit im eige-
nen Werk. Überlegen Sie mal, Vladimir Na-
bokov, James Salter, Virginia Woolf haben al-
le von Hand geschrieben, sicher ist das ein
Grund für ihre dichten, robusten Sätze ...

Ihr Buch handelt von der Unmöglichkeit,
Heimat zu fassen und von der Suche nach
einem Zuhause. Inwiefern ist das Schrei-
ben für Sie ein Zuhause?
Ich glaube, dass unsere Kultur besessen von
einem Konzept deslogosist, was wiederum
vom Patriarchat gekapert wurde – es gilt die
Devise scharfsichtig zu sein, in jedem Fall die
Wahrheit zu finden. Das ist ja auch richtig
und wichtig, das zeigt allein schon der Präsi-
dent, den ich habe. Wir wissen aber inzwi-
schen, dass man die Wahrheit manipulieren
kann, dass sie dehnbar ist. Ich habe ein Pro-
blem mit Wahrheit als Konzept.

Was tritt für Sie an dessen Stelle?
Mich interessiert das Gefühl. Westliches
Denken hat pathosimmer misstraut als et-
was, das feminin ist und angeblich unmänn-
lich. Bei den Viktorianern war das noch an-
ders: Die blumigsten, besonders barocken
Sätze galten als männlicher, also begehrens-
werter Stil. Mit der Moderne änderte sich
das, es kamen die klaren Sätze von Ernest
Hemingway und Gertrude Stein. Die Traditi-
on des 19. Jahrhunderts schien auf einmal fe-
minin. Es ist ja interessant: Literarische Stil-
richtungen entwickelten sich entlang von
Konzepten der Männlichkeit. Deswegen
schreibe ich auch so gern in einem eher im-
pressionistischen Stil: als würde ich eine
weibliche Tracht tragen, eine Art dragalso.
Einen Schriftsteller als sentimental zu be-
zeichnen, ist das Schlimmste, was man ihm
antun kann – mich interessiert das Risiko der
Sentimentalität: an die Grenze zu gehen, wo
etwas zu süß, zu blumig, eben zu sentimental
wird und den Leser zum Zweifeln bringt. Wir
sollten nicht so viel Angst haben. Was ich so
spannend finde, ist der Kontrast zur Tech-
nik: Überlegen Sie mal, als Steve Jobs starb,
hat er einen Entwurf für das nächste Modell
des iPhones hinterlassen, der nun immer
weiter- und weiterentwickelt werden wird.
Mit dem Gefühl, mit in Literatur ausge-
drückten Emotionen, ist es ganz anders. Jede
Generation fängt neu an – jedes Kind muss
erst lernen, wie es sich anfühlt, eine Orange
zu essen, was Orange überhaupt bedeutet,
wie es ist, am Strand zu sein oder den ersten
Geburtstag zu feiern. In der Literatur ist es
anders: Wie kann es bloß sein, dass Rimbaud,
Lorca oder Rilke das empfunden haben, was
ich, hundert Jahre später, auch fast genauso
empfinde? Das ist doch unglaublich.

Welche Rolle spielt für Sie queeres auto-
biografisches Schreiben? Ihre Haltung äh-
nelt der von Édouard Louis.

biografisches Schreiben? Ihre Haltung äh-
nelt der von Édouard Louis.

biografisches Schreiben? Ihre Haltung äh-

Édouard ist ein guter Freund von mir. Natür-
lich kann ich nicht für ihn sprechen, aber für
mich kann ich sagen, dass es sehr wichtig war,
ein autobiografisch inspiriertes Buch zu
schreiben – und gleichzeitig die Idee von auto-
biografischer Beweisführung und Sicherheit
aaabzulehnen. Ein Memoire ist für mich auch einbzulehnen. Ein Memoire ist für mich auch ein
WWWerk der Imagination. Ich wollte nicht Leuteerk der Imagination. Ich wollte nicht Leute
aaaus meinem Leben – meine Familie, meineus meinem Leben – meine Familie, meine
Freunde – als wahr voraussetzen und Annah-
men über sie treffen, die vielleicht nicht stim-
men. Der Kontext des Buches – der Vietnam-
krieg – ist wahr, das Nagelstudio in Hartford,
Connecticut, in dem meine Mutter arbeitete,

aaauch. Aber all das Drumherum musste ich er-uch. Aber all das Drumherum musste ich er-
fffinden, die Handlungen, die Szenen, die Meta-inden, die Handlungen, die Szenen, die Meta-
phern. Mir war das wichtig, auch deswegen,
weil amerikanisches autobiografisches Schrei-
ben traditionellerweise darauf aufbaut, Macht
und Würde einem Milieu zu verleihen, was nur
existiert, weil es andere unterdrückt. Melvilles
„Moby Dick“ setzte sich davon ab, auch Bald-
wins „Go Tell It To The Mountain“ und Tony
Morrisons „The Bluest Eye“. Oft wird ja stau-
nend gefragt, wie man es „geschafft“ habe, wie
man zum Beispiel als Arbeiterkind wundersa-
merweise in Harvard gelandet sei. Mir geht es
ääähnlich – und ich sage dann, dass ich dieseshnlich – und ich sage dann, dass ich dieses
Buch schreiben konnte nicht obwohl, sondern
gerade weil Flüchtlinge wie meine Mutter mir
geholfen haben, der zu werden, der ich heute
bin. Die Frauen um mich herum waren Ge-

schichtenerzählerinnen. Als Flüchtling muss
man seinen Körper in eine Bibliothek verwan-
deln: Man überlegt sich, welche Geschichten
man weitererzählt, welche man in der alten
Heimat zurücklässt. Ich habe gewissermaßen
eine Meisterklasse in Geschichtenerzählen be-
sucht, ohne es zu wissen.

Die übliche Frage „Wie haben Sie das ge-
schafft?“ ist Ihnen also zu einfach?
Es ist eine Frage der Privilegien. Lesen ist ein
Privileg. Ein Buch zu lesen dauert vier bis sie-
ben Stunden oder auch länger. Das ist viel Zeit


  • ein Privileg was die Leute in den working
    class communities,in denen ich aufgewachsen
    bin, sich nicht leisten konnten. Sieben Stun-
    den? Das ist so lang wie eine ganze Schicht.
    WWWenn man nach einem Knochenjob nach Hau-enn man nach einem Knochenjob nach Hau-


G


leich zwei Literaturnobel-
preisträger wird Mats Malm,
der neue Ständige Sekretär
der Schwedischen Akademie
bekanntgeben, wenn er am
kommenden Donnerstag in Stockholm vor
die Kameras der Weltpresse tritt: Mit diesem
doppelten Paukenschlag – einer für das Jahr
2019, der andere rückwirkend für das Krisen-
und Skandaljahr 2018 – meldet sich eine ge-
läuterte, reformierte, jedoch nicht völlig er-
neuerte Institution zurück – nach einem der
folgenreichsten MeToo-Skandale überhaupt,
der für Jean-Claude Arnault, den Mann des
unterdessen ausgeschiedenen Akademie-
Mitglieds Katarina Frostenson, mit einer
Verurteilung wegen Vergewaltigung endete.
Wenn im Dezember die letzten neu ge-
wählten Mitglieder offiziell eingeführt wer-
den, sind zum ersten Mal seit Jahrzehnten
alle achtzehn Stühle der Akademie besetzt.

Horace Engdahl, prominentester Gegenspie-
ler der letztes Jahr aus ihrem Amt als Ständi-
ge Sekretärin gedrängten Literaturwissen-
schaftlerin Sara Danius, lässt (vorerst) seine
prestigeträchtige Arbeit im Nobelkomitee
ruhen, das als Zeichen von Transparenz und
Reformwillen um fünf externe Gutachter
aufgestockt wurde. Und anders als im annus
horribilis2018 hat sich die Akademie Ende
September auch wieder für ihren traditionel-
len kleinen Empfang auf die Göteborger
Buchmesse getraut: „Wir haben unsere Ar-
beitsabläufe und Statuten überarbeitet und
befinden uns in einer völlig anderen Lage als
voriges Jahr. Mit Freuden feiern wir das mit
einem Empfang“, so der Optimismus ver-
sprühende Kommentar von Mats Malm.
Ein mit Argusaugen beobachteter Neustart
also, und ab 2020 dann business as usual? Die
Göteborger Buchmesse macht es vor: „Die
Buchmesse 2019“, schrieb eine führende

schwedische Journalistin, „wird vielleicht da-
fffür in die Geschichte eingehen, dass alles soür in die Geschichte eingehen, dass alles so
war wie früher.“ Mit den Schwerpunktthe-
men Südkorea, Gleichstellung und Medienbe-
wwwusstsein war die Buchmesse gut organisiert,usstsein war die Buchmesse gut organisiert,
gggut besucht und vor allem skandalfrei. 2016ut besucht und vor allem skandalfrei. 2016
und 2017 hatte es ein heftiges Hin- und Her
um die Messeteilnahme einer schwer rechten
Zeitung gegeben, nicht unähnlich den Debat-
ten um den Auftritt rechter Verlage auf der
Frankfurter Buchmesse. Erst wurde das Blatt
„Nya Tider“ zugelassen, dann wurde es ausge-
laden und dann wieder zugelassen. Es hagelte
Proteste und Boykottaufrufe von schwedi-
schen und ausländischen Schriftstellern, eine
in kürzester Zeit improvisierte Gegen-Messe
zog viele Besucher ab, die Stimmung war ge-
drückt und vor allem kleine Verlage verzeich-
neten empfindliche Umsatzeinbußen.
Buchmessechefin Maria Källson nahm in
der Folge ihren Hut, und ab 2018 wurde „Nya

Tider“ die Teilnahme versagt, nicht wegen
prinzipieller Bedenken oder Verstößen ge-
gen das Presserecht, sondern weil die De-
batte ungebührlich viel Aufmerksamkeit auf
sich gezogen habe und von der eigentlichen
AAAufgabe der Buchmesse ablenke. Von allufgabe der Buchmesse ablenke. Von all
dem war dieses Jahr kaum mehr etwas zu
spüren.
AAAuch von einem rechtzeitig zur Messe er-uch von einem rechtzeitig zur Messe er-
schienenen Buch über die Krise der Schwe-
dischen Akademie ging kaum Gefahr aus,
Mats Malm und der übrigen Akademie die
Stimmung zu verhageln: Christian Catome-
ris’ und Knut Kainz Rogneruds „Die Schwe-
dische Akademie. Die Macht, das Geld und
die Frauen“ kommt inhaltlich dann doch we-
niger reißerisch daher, als sein Titel vermu-
ten lässt, weniger tendenziös auch als ihre
im Dezember 2018 ausgestrahlte vielbeach-
tete Fernsehdokumentation „Die geschlos-
sene Gesellschaft“. Sozusagen das nachge-

reichte Buch zur Sendung, nur braver, und
um einen historischen Überblick erweitert.
WWWer die Flut von Artikeln über die Akademieer die Flut von Artikeln über die Akademie
in der schwedischen Presse verfolgte hatte,
stieß hier auf keine Überraschungen.
Doch ein Paukenschlag ist bereits ange-
kündigt: Am 21. November erscheint das
Buch „Der Club“ der Journalistin Matilda
Gustavsson, auf den Tag genau zwei Jahre,
nachdem die Autorin mit einem Artikel in
„Dagens Nyheter“ den Skandal ins Rollen
gebracht hatte. 18 Frauen hatten darin Jean-
Claude Arnault sexuelle Belästigungen und
Übergriffe vorgeworfen. Arnault wurde En-
de 2018 zu zweieinhalb Jahren Haft verur-
teilt. „Das neunzehnte Mitglied“, als das Ar-
nault jahrzehntelang galt, wird die refor-
mierte Akademie kaum erneut in den
Grundfesten erschüttern. Aber an business as
usualwird so rasch auch nicht zu denken
sein. HANNES LANGENDÖRFER

Der Club muss sich noch fürchten


Nächste Woche meldet sich der Literaturnobelpreis zurück. Doch der MeToo-Skandal, der ihn erschüttert hat, ist nicht ausgestanden


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