Die Welt - 05.10.2019

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05.10.19 Samstag, 5. Oktober 2019DWBE-HP


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DIE WELT SAMSTAG,5.OKTOBER2019 FORUM 3


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D


er Kampf gegen den Rassismus
ist im europäischen Fußball ein
großes Thema. In Italien gab es
erst kürzlich wieder Affenrufe in Sta-
dien, in England wurde ein portugiesi-
scher Spieler aufgrund einer scherzhaf-
ten Twitter-Kabbelei mit seinem dun-
kelhäutigen Mitspieler angeprangert.
Dem europäischen Fußballverband
Uefa sind Antidiskriminierungskam-
pagnen wichtig, sie sind vor jedem
Europapokal-Spiel zu sehen, so auch
am Donnerstag vor der Partie zwischen
dem Erdogan-Klub Basaksehir Istanbul
und Borussia Mönchengladbach.
Gerade vor diesem Hintergrund ist
das Verhalten der türkischen Polizei
gegenüber den Fans aus Deutschland
scharf zu kritisieren. So wurden unter
anderem Fahnen mit dem Wappen der
Stadt Mönchengladbach konfisziert,
weil darauf ein Kreuz, also ein christli-
ches Symbol, zu sehen ist. Borussias
Sportdirektor Max Eberl sprach von
„grotesken Bildern, die man heutzuta-
ge in Europa nicht mehr erwartet“, und

legte bei der Uefa Beschwerde ein –
völlig zu Recht. Auch für die Türkei
und ihren Präsidenten Erdogan, der
sich selbst gerne als Opfer von Ras-
sismus darstellt, gilt das Verbot der
Diskriminierung anderer Religionen.
Offiziell herrscht in der Türkei
Religionsfreiheit, das Tragen eines
Kreuzes ist nicht verboten. In jüngs-
ter Vergangenheit versuchte die AKP
auch tatsächlich, sich gegenüber
Christen toleranter zu zeigen. Noch
im August warf Erdogan bei der
Grundsteinlegung einer orthodoxen
Kirche in Istanbul persönlich den
Betonmischer an. Doch Beispiele wie
das von Basaksehir zeigen: Die Reali-
tät sieht anders aus.
Im kommenden Jahr findet das Fi-
nale der Champions League, das größte
europäische Vereinsspiel, in Istanbul
statt. Auch deswegen darf die Uefa die
Geschehnisse von Donnerstag nicht
unkommentiert lassen. Der Fußball-
verband muss auf die Gladbacher Be-
schwerde reagieren, er muss sicher-
stellen, dass sich solch ein Vergehen
nicht wiederholt – schließlich haben
auch Klubs wie der FC Barcelona oder
Real Madrid ein Kreuz im Vereins-
wappen. Sonst führt die Uefa ihre ei-
gene Kampagne ad absurdum.
[email protected]

Uefa muss Türkei bestrafen


KOMMENTAR


JEAN MIKHAIL

W


er die Gefühlslage der
SPD in der großen Ko-
alition beschreiben will,
kommt auf zwei Worte,
die die Wesenszüge der
Partei seit 2005 heraus-
heben: ruhiggestellte
Verzweiflung. Zwar brach die Verzweiflung dann
und wann aus. Mal tauchte sie als dumpfe Unter-
gangsstimmung auf, dann wieder als empörte Auf-
wallung, die sich gegen die jeweiligen SPD-Vor-
sitzenden richtete. Entladen aber konnte sie sich
nie. Mit aller Kraft versuchten die sozialdemokrati-
schen Kabinettsmitglieder, sie zu verdrängen. Sie
hofften auf bessere Umfragewerte und bauten da-
rauf, Trübsal und Schwermut durch ein reibungs-
loses Regieren, mitunter auch durch Härte zu lin-
dern. Vergeblich.
Depressionen sind pochende Gefühle, die wir
nicht über die Schwelle lassen. Fertig werden kön-
nen wir nur mit ihnen, wenn wir es wagen, die Tür
zu öffnen. Die Sozialdemokratie aber verrammelte
sie. Wie Schränke und Kommoden schob sie ihre
Regierungserfolge davor. Bis auch das nichts mehr
half und der Druck das Tor aus den Angeln hob.
Nun ist nichts mehr zurückzudrängen. Die Re-
gionalkonferenzen zeigen es: Stimmungen und
Affekte herrschen, Sehnsüchte erobern den Raum,
lang gehegte Träume – seit den Zeiten Gerhard
Schröders zurückgehalten – drängen in die Öffent-
lichkeit. Sie sorgen dafür, dass Maß und Mitte als
Wert verloren gehen, ja, verachtet sind. Verweise
auf die zahlreichen Errungenschaften in den ver-
schiedenen Merkel-Regierungen werden als selbst-
verständlich abgetan, neue Erfolge durch Quer-
schüsse so zerlöchert, dass sie nicht einmal einen
Tag lang gewürdigt werden können.
Nach der Veröffentlichung des Klimaplans der
Bundesregierung dauerte es nur wenige Minuten,
bis die Mehrheit der Kandidaten für den SPD-Vor-
sitz die zahlreichen Beschlüsse verwarfen und als
einen weiteren Beleg für das Versagen der ver-
hassten schwarz-roten Koalition brandmarkten.
Dass ihre eigenen Minister das Paket weitgehend
mitgeschnürt, auf sozialen Ausgleich geachtet und
dafür gesorgt haben, rund 150 Milliarden Euro für
den Klimaschutz bis 2030 freizuschaufeln, ist ihnen
nichts wert.
Ähnlich wird es der Grundrente ergehen. Ver-
zweifelt suchen die sozialdemokratischen Minister
derzeit das vertrauliche Gespräch mit ihren Uni-
onskollegen. Fast flehentlich bitten sie darum, der
Idee der Grundrente zu folgen, die Arbeitsminister
Hubertus Heil vorgeschlagen und mit Finanzminis-
ter Olaf Scholz entworfen hat. Nur auf diese Weise
könnten sich die Pragmatiker im Kampf um den
Parteivorsitz durchsetzen und die Koalition vor
dem Bruch bewahren, so ihre Rede. Offenbar sto-
ßen sie auf das Verständnis einer besorgten CDU/
CSU. Die Grundrente wird also kommen. Nur: Es
wird den Pragmatikern in der SPD nichts nützen.
„Der deutschen Sozialdemokratie ist eine Tradi-
tion angeboren, in der Misserfolg moralisch in
Ordnung geht und der Maßstab des Erfolgs einen
anrüchigen Beigeschmack hat“, stellte Willy Brandt
schon vor Jahrzehnten fest. In dieser Tradition
wurzelt die Freude am oppositionellen Gestus in
der SPD seit eh und je. Nun aber ist aus der Freude

an diesem Gestus eine breite Sehnsucht nach linker
Ursprünglichkeit und sozialistischer Identität, ein
tiefes Verlagen nach Wärme, Heimeligkeit und
Erfüllung in einer rot-rot-grünen heilen Welt ge-
worden. In dieser Atmosphäre stören sämtliche
Rufe nach Vernunft und Besinnung und erinnern
an die Nebel der Depression, in denen die SPD
durch die ruhiggestellte Verzweiflung bis eben
noch gefangen saß.
Seit Bismarcks Sozialistengesetzen von 1878
folgte das Verhalten der Sozialdemokraten stets
demselben Muster: anfangs die große fundamental-
oppositionelle Geste, das pathetische „Nein!“, dann
irgendwann die pragmatische Annäherung, schließ-
lich das stillschweigende „Ja“. Gegenwärtig aber
bleibt es in der SPD beim verneinenden Donner-
wort – und alle fühlen sich wohl dabei. Bis auf die-
jenigen, die regieren und wissen, dass Kompro-
misse notwendig und keine Schande sind.
Geht man allein nach der Stimmung auf den
Regionalkonferenzen, die sich der Schwerkraft des
Linksseins willig ergeben haben, sieht es nicht gut
aus für Niedersachsens Innenminister Boris Pisto-
rius und Petra Köpping. Auch der ursprüngliche
Favorit, Vizekanzler Olaf Scholz, mit der Pots-
damerin Klara Geywitz im Schlepptau kann im
Wettstreit der Propagandisten ihrer selbst kaum an
Boden gewinnen. Im Kunterbunt der Darbietungen
geht es längst darum, sich im Linkssein zu über-
bieten und Dinge zu versprechen, die Sahra Wagen-
knecht und Oskar Lafontaine die Freudentränen in
die Augen treiben. Die SPD scheint genug zu haben
von Politikern im Regierungsamt. Der flammende
Utopist, die verständnisvolle Therapeutin sind
heute gefragt. Ein in allen Listen und Vorsichten
beschlagener Politiker wie Olaf Scholz stößt da-
gegen allenfalls auf müden Zuspruch.
Überhaupt Olaf Scholz! Als Vizekanzler steht er
für die Regierung und damit für das Übel schlecht-
hin. Ob zutreffend oder nicht, strahlt der Hanseat
eine hochnäsige Herablassung aus, wirkt so charis-
matisch wie die Aktenordner auf seinem Schreib-
tisch. Mag er in den Umfragen auch der beliebteste
sozialdemokratische Minister sein und seinen Zu-
hörern versichern, dass mit ihm an der Spitze
Wahlergebnisse von 30 Prozent möglich sind, so
offenbart die lauwarme Sympathie auf der Kan-
didatentournee, dass es der Mehrheit der Zuhörer
eher darum geht, ihr diffus kulturelles, gemäßigt
libertäres, rhetorisch kosmopolitisches Linkssein
bei außenpolitischer Abstinenz auszuleben, sich in
diesem Zustand für die Partei der besseren Men-
schen zu halten und lieber mit dem Rest der Ge-
sellschaft zu hadern, als wieder mehrheitsfähig zu
werden, in eine neue Koalition einzutreten und
erneut den Juniorpartner zu geben.
Bleibt die Frage, ob die Mehrheit der 426.
Mitglieder ähnlich wie die Funktionäre und Jusos
denken, welche die Regionalkonferenzen besuchen.
Schließlich sind sie es, die sich am Ende für eines
der sieben Duos entscheiden müssen. Hält man die
Besucher der Regionalkonferenzen aber für re-
präsentativ, wofür einiges spricht, steht es nicht
gut um die Teile der SPD, die wissen, dass Wahlen
in der Mitte gewonnen werden.
[email protected]

SPD auf


der Couch


Lange Zeit musste


die Sozialdemokratie


ihren Frust in sich


hineinfressen. Nun ist


kein Halten mehr.


Je linker die Vorschläge


der Kandidaten für den


Parteivorsitz sind, desto


befreiter wirken die


Funktionäre. Keine gute


Aussicht für Olaf Scholz


Willy Brandt sagte einst,


der Partei sei eine Tradition


angeboren, in der Erfolg einen


anrüchigen Beigeschmack hat


LEITARTIKEL


ǑǑ


JACQUES SCHUSTER

Ihre Post an:
DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin,
Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: [email protected]
Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser
wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen
uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das
Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der
sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei
uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage,
jede einzelne Zuschrift zu beantworten.

LESERBRIEFE


Gemeinsamkeiten


Zu: „Von wegen Spaltung“
am 2. Oktober

Liebe Frau Spoerr, ein wunderbarer
Leitartikel zum Feiertag, der sich von
den bekannten Beiträgen zum Thema
Spaltung mal wohltuend absetzt.
Genauso ist es. Wenn auch aus ande-
ren Zusammenhängen fiele mir dazu
noch Bob Dylans Song „The Wicked
Messenger“ ein mit der Zeile „If you
can not bring good news, then don’t
bring any“. CHRISTIAN GAUCK, PER E-MAIL

Ich stimme Ihnen herzhaft zu. Nach
25 Jahren in den USA lebe ich nun
seit elf Jahren mit meinen Kindern
wieder in Deutschland, neun davon
im Osten Deutschlands. Wirtschaft-
lich arbeite ich zurzeit in den globa-
len Wertschöpfungsketten. Viele

meiner Mitstreiter sind „Ossis“ oder
„Wessis“ in Deutschland – global sind
wir einfach nur Deutsche. Unterschie-
de in den geschichtlichen Hinter-
gründen gibt es sicherlich in meiner
Altersgruppe. Dass ich aber nun 650
Meter entfernt von dem Haus wohne,
in dem Christa Wolf ihre Schlüssel-
werke schrieb, hätte mir vor 30 Jah-
ren niemand glaubhaft machen kön-
nen. So wie Sie es schreiben: Ossis
oder Wessis – alle haben ziemlich die
gleichen Themen. Wenn man sich
zum professionellen Abendessen mit
einem Vorstandsmitglied im alten
Osten beim Italiener trifft und vor
lauter persönlichen Gemeinsamkeiten
kaum zum Geschäftlichen kommt,
fällt es im Gespräch mit diesem sehr
erfolgreichen „Ossi“ überhaupt nicht
mehr ins Gewicht, dass wir – fast
altersgleich – von einer Mauer ge-
trennt aufwuchsen. Ich bedanke mich

für Ihren warmen menschlichen Rea-
lity Check zur deutschen Einheit.
DR. HAJO DREES,
STAATSSEKRETÄR A.D., BERLIN

Ich wollte nur mal Danke sagen.
Schöner Artikel mit wahren Worten,
und zum Lachen gab es auch was!
C. NACHTIGAL, PER E-MAIL

Vertragsfreiheit


Zu: „Woher kommen Sie
ursprünglich?“ vom 2. Oktober

Hätten wir einen freien Wohnungs-
markt mit Vertragsfreiheit, dann
würde eine solche Geschichte nicht
passieren. Hier würde am Anfang ein
kurzfristiger Vertrag stehen. Würde
in dieser Zeit das Verhalten des Mie-
ters die Vorurteile des Vermieters
widerlegen, dann würde der Vertrag
schnell verlängert. Würden die Vor-
urteile des Vermieters bestätigt, dann
wäre das Vertragsverhältnis schnell
beendet. Hier geht es also nicht um
Ausländerfeindlichkeit, sondern um
das Problem, das umgangssprachlich
so formuliert wird: Man kann heute
einen Ehemann schneller loswerden
als einen Mieter.
PROF. KARL-HEINZ DIGNAS, PER E-MAIL

D


ie Energiewende ist noch nicht
bewältigt, auch an der Agrar-
wende knabbern wird noch, da
kündigt das politische Berlin die nächs-
te 180-Grad-Kehre an: die Verkehrs-
wende. Autos sollen verschwinden –
entweder aus den Innenstädten oder
gleich ganz. Berlin-Kreuzberg gibt wie
immer die Avantgarde, hier blockiert
das Bezirksamt schon einmal Park-
plätze mit Felsbrocken. Kein Witz.
Ich persönlich bin heute Morgen
auch nur widerwillig mit dem Auto zur
Arbeit gefahren – Anfang der Woche
wurde mein Fahrrad geklaut. Es ist das
vierte Rad, das mir in 19 Jahren in Ber-
lin gestohlen wird, eine ziemlich
durchschnittliche Quote für einen
Hauptstädter. Da aber auch meiner
Frau mehrere Räder gestohlen wurden
und wir in den vergangenen zehn Jah-
ren um drei Kinderfahrräder und zwei
Au-Pair-Mädchen-Dienstfahrräder
erleichtert wurden, hat sich eine gewis-
se Gewöhnung eingestellt.
Richtig zornig wurden wir nur, als
uns einmal ein Kinderwagen aus dem
Hausflur des Kinderarztes gestohlen
wurde. (Ja, selbstverständlich hatten
wir den Kinderwagen mit einem
schweren Fahrradschloss an der Trep-

pe angeschlossen). Der Fahrraddieb-
stahl hat mit der Drogenszene zu tun,
die armen Teufel können Fahrräder
schneller weiterverticken – wenn auch
nur zu zehn Prozent ihres realen Wer-
tes.
Warum behellige ich nicht meine
Versicherung, sondern meine Leser mit
dieser Verlustaufstellung? Weil ich,
ganz im Ernst, glaube, dass die Ver-
kehrswende nicht gelingen kann, so-
lange Fahrraddiebstahl in unseren
Innenstädten ein Kavaliersdelikt bleibt.
Ich werde morgen ein neues Rad kauf-
en, aber nicht das teure, schnittige,
italienische Gerät, mit dem ich meine
Freunde beeindrucken könnte, sondern
die übliche 500-Euro-Karre, deren fast
eingeplanter Verlust mich schmerzen,
aber nicht umbringen wird.
Mein ältester Sohn fährt mit seinen
Mitschülern Rennen, sie feiern jede
neu ausgewiesene Fahrradstraße und
schrauben an den Geräten herum, aber
keiner von ihnen spart auf das Rad
seiner Träume. Die wenigen Berliner,
die sich trotz allem zum Fahrrad als
Statussymbol bekennen, schleppen ihre
Räder morgens in ihre Büros und
Abends in den dritten Stock in ihre
Altbauwohnung.
So haben die gescheiterte Drogen-
politik des rot-rot-grünen Senats und
eine überforderte Polizei dafür gesorgt,
dass genau das, was radikale Ökolinke
dem Auto an den Hals wünschen, statt-
dessen dem Fahrrad passiert ist. Es ist
ironisch, aber lustig ist es nicht.

Berlins Fahrraddiebstahlwende


PLATZ DER REPUBLIK


ROBIN ALEXANDER

S


eit Monaten wird in Russland
bereits gegen Svetlana Pro-
kopyeva ermittelt: Nun wurde
die Radiojournalistin wegen der
„Rechtfertigung von Terrorismus“
angeklagt. Sollte Prokopyeva für schul-
dig befunden werden, könnte sie zu
einer Haftstrafe von bis zu sieben
Jahren verurteilt werden. Nach einem
Anschlag auf ein Büro des Inlands-
geheimdienstes FSB in der nordrussi-
schen Stadt Archangelsk hatte die

Journalistin im November 2018 in
einem Kommentar geschrieben, dass
die russische Regierung dieser Art des
politischen Aktivismus durch ihre
repressive Politik Vorschub leiste. Bei
dem Attentat hatte sich ein 17-Jähriger
selbst in die Luft gesprengt.
Die Organisation Reporter ohne
Grenzen verurteilte die Anklage gegen
Prokopyeva scharf. Johann Bihr, Chef
der Sektion für Osteuropa und Zen-
tralasien, nannte das Vorgehen der
russischen Behörden „erschreckend“
und verwies darauf, dass die Journalis-
tin „lediglich ihren Job gemacht“ habe.
Er rief Journalistinnen und Journalis-
ten im In- und Ausland dazu auf, sich
so lange für Prokopyeva stark zu ma-
chen, bis die Anklage fallen gelassen
würde.

#Free


them


all


Svetlana Prokopyeva

In Kooperation mit
REPORTER OHNE GRENZEN

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