Die Welt - 05.10.2019

(nextflipdebug2) #1

N


ichts ist in Großbritan-
nien zurzeit so gewiss wie
die Ungewissheit. Der
ominöse 31. Oktober als
Plandatum für den ge-
planten Austritt aus der Europäischen
Union steht bevor. Und die britische
Regierung rotiert auf einem immer hef-
tiger schlingernden Karussell.

VON HEIDI BÜRKLIN

Auch der Street-Artist Banksy kom-
mentiert das Chaos. Sein riesiges Ge-
mälde „Question Time“ aus dem Jahr
2009 hat er aktualisiert: Der nun noch
düsterere Blick in ein von Schimpansen
bevölkertes House of Commons in
Westminster heißt nun „Devolved Par-
liament“ (Aufgelöstes Parlament). Zum
letzten, dann aufgeschobenen Brexit-
Termin im März wurde es noch als Leih-
gabe im Bristol City Museum ausge-
stellt. Am vergangenen Donnerstag-
abend kam es (nach Redaktionsschluss)
in die Auktion bei Sotheby’s.
Gutes Timing, das beherrscht Banksy
selbst in Krisenzeiten. In London läuft
die „Frieze Week“. Und in den beiden
Zelten, wo die Kunstmessen im Re-
gent’s Park stattfinden, scheint alles
beim Alten zu sein. Spektakulärer denn
je auf der „Frieze Masters“, wo ein gran-
dioses Spektrum an Kunstwerken von
der Antike bis ins 20. Jahrhundert ange-

boten wird. Große Aufmerksamkeit er-
regt in diesem Jahr ein Renaissance-
gemälde, das ganz allein im schweren
Goldrahmen am Stand des Londoner
Altmeisterhändlers Trinity Fine Art ge-
feiert wird – ein Botticelli. Das strenge
Porträt des Florentiner Soldaten und
Poeten Michele Marullo (1453 bis 1500)
soll sich sogar als einziges von Sandro
Botticellis eigenhändig gemalten Bil-
dern noch in Privathand befinden. Als
Leihgabe konnte es jahrelang im Prado
in Madrid bewundert werden. Der ange-
strebte Preis von 30 Millionen Dollar
wäre ein Rekord für den Florentiner
Maler und das teuerste Kunstwerk der
Messe. Aber kann es überhaupt verkauft
werden? Den Käufer erwarten bürokra-
tische Hürden, weil er bei der spani-
schen Regierung um eine Export-Lizenz
ersuchen müsste.
Auffallend ist, wie stark die italieni-
sche Nachkriegskunst auf der Frieze
Masters auftritt. Italienische Käufer
halten sich zwar seit geraumer Zeit zu-
rück, dafür zeigen Sammler aus aller
Welt, darunter auch Asien, verstärktes
Interesse. Der Stand der Galerie Hauser
& Wirth, die auf dieser Messe gern ihr
Angebot mit kunsthistorischen Narrati-
ven verknüpft: Diesmal das Leitmotiv:
die Vita des Fabio Mauri (1926 bis
2009), eines Künstlers und Filmautors
im Zentrum eines Intellektuellenzirkels
in Rom und Mailand. Ob es an der anre-
genden Geschichte liegt, dass der global
operierende Megahändler bereits am
ersten Tag Werke von Cy Twombly (6,5
Millionen Dollar) oder Philip Guston (5
Millionen Dollar) verkaufen konnte?
Dass der Altmeisterhändler Moretti
(London/Monte Carlo) den Stand oben-
drein mit einigen Altmeistern bestück-
te, wirkt jedenfalls wie ein Aperçu.
Italienisches Flair herrscht auch bei
der Kunsthandlung Robilant + Voena
(London/Mailand/St. Moritz) mit deli-
katen Fontana-Keramiken, etwa das
blauviolett irisierende Tondo „La Bat-
taglia“ (950.000 Euro). Und Ben Brown
Fine Arts (London/Hongkong) eben-
falls. Er setzt auf die Attraktion der ele-
ganten italienischen Serienkünstler, zu
denen Colnaghi (London/Madrid/New
York) mit einigen antiken Werken einen
hier stimmigen Dialog schafft.
Unter den vielen Einzelausstellungen
von Künstlern oder Stilen konzentriert
sich die Partnerschaft von Dickinson
(London/New York) auf das französische
und spanische Informel, abstrakte Kunst
der 1940er- und 1950er-Jahre. Einer der
schönsten Stände, von der Craig F. Starr
Gallery aus New York, überzeugt mit
edel präsentiertem Minimalismus von
Donald Judd und hervorragenden Arbei-
ten von Barnett Newman. Ein kleines
terrakottafarbenes Gemälde wartete
noch auf einen Käufer (12,5 Millionen
Dollar). Ein Wiener Kabinett betritt man
bei Richard Nagy (London) mit Möbeln
von Josef Hoffmann, Zeichnungen von
Egon Schiele und Arbeiten aus seinem
Umfeld, darunter bisher kaum bekannte
KKKünstlerinnen. Auf den gerade in derünstlerinnen. Auf den gerade in der
Wiener Albertina gefeierten Albrecht

Dürer baut Antiquar Jörn Günther (Ba-
sel) mit einer Erstausgabe eines Sam-
melbands von 1528 (280.000 Euro).
Millionen Jahre alte Meteoriten, in-
dianische Felsmalerei, asiatische Bron-
zen, all das ist auch auf der Frieze Mas-
ters zu finden. Aber in unsicheren Zei-
ten setzt man gern auf bekannte Künst-
lernamen. Und in der Vorahnung des
Brexit werden deren Werke vornehm-
lich in Euro und Dollar ausgepreist,
nicht in wackligen Pfund.
Die Frieze London, einen Spaziergang
durch den Regent’s Park südwärts, ist
die Bühne für die zeitgenössische Kunst.

Doch auch hier setzen in diesem Jahr vor
allem große Galerien auf populäre Na-
men. Figurative und abstrakte Malerei
dominiert. David Zwirner (New York/
London/Hongkong und bald Paris)
kommt etwa mit Kerry James Marshall:
Dessen dekorativ an einer Limousine
lehnendes „Car Girl 2“ wurde zum
Messeauftakt für 3,8 Millionen Dollar an
ein amerikanisches Museum vermittelt.
Aber auch Gewebtes und Geknüpftes
hat Konjunktur. So bei Blindspot Galle-
ry (Hongkong), wo die Hongkonger
Künstlerin Angela Su einen der aktuells-
ten politischen Kommentare präsen-

tiert: Mit Haaren stickt sie verstörende
anatomische Bilder. Poetischer wird es
bei Galerie Stephen Friedman (Lon-
don): Der brasilianische Künstler Toni-
co Lemos Auad lässt in Textilbildern ein
Echo auf den Garten des verstorbenen
Regisseurs Derek Jarman erklingen, da-
zu passen die lyrischen Landschaften
der Schwedin Mamma Anderson. Und
dass Friedman den Preis für den besten
Messestand erhielt, reflektiert die dies-
jährige unaufgeregte, eher besonnene
Atmosphäre beider Frieze-Messen.

TBis Sonntagabend in London

London darf nicht WACKELN


Frieze und Frieze


Masters: Auf den


wahrscheinlich letzten


britischen Messen vor


dem Brexit zeigt sich


der Kunstmarkt so,


als wäre eigentlich


alles wie immer


Laut oberstem britischen Gericht darf das Parlament zwar wieder zusammenkommen. Banksy aber laust offenbar schon lange der Affe. In seinem „Devolved Parliament“ tagen längst nur noch Schimpansen

FP

/TOLGA AKMEN

FFFür 30 Millionen Dollar: Der letzteür 30 Millionen Dollar: Der letzte
Botticelli auf dem freien Markt

W

IKIPEDIA CC-BY-SA 3.0

35


05.10.19 Samstag, 5. Oktober 2019DWBE-VP1


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DIE WELT SAMSTAG,5.OKTOBER2019 KUNSTMARKT 35


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Sotheby’s ist wieder


Privatunternehmen


Der unter anderem in London, New
York und Hongkong tätige Versteigerer
Sotheby’s gehört seit vergangenem
Donnerstag offiziell dem französisch-
israelischen Telekommunikations- und
Medienunternehmer Patrick Drahi. Als
Kunstsammler war Drahi selbst ein
guter Kunde von Sotheby’s. Die im Juni
dieses Jahres angekündigte Übernahme

guter Kunde von Sotheby’s. Die im Juni
dieses Jahres angekündigte Übernahme

guter Kunde von Sotheby’s. Die im Juni

bringt das Auktionshaus im 275. Jahr
seines Bestehens wieder in Privat-
besitz. Die Übernahme findet in
schwierigen Zeiten für Sotheby’s statt,
das 31 Jahre lang an der New Yorker
Börse gehandelt wurde. Die Auktionen
im Juni waren deutlich schlechter be-
stückt als in den Jahren zuvor. In der
letzten Quartalsbilanz, werden „Unsi-
cherheiten bezüglich des Brexits“ dafür
mitverantwortlich gemacht. Auch der
Wertverlust des Pfunds gegenüber dem
Dollar hat Spuren hinterlassen. Sot-
heby’s bezifferte den Gesamtumsatz
im ersten Halbjahr 2019 auf 3,1 Milliar-
den Dollar, zehn Prozent weniger als
im Vorjahreszeitraum. Als Privatunter-
nehmen muss Sotheby’s keine viertel-
jährlichen Rechenschaftsberichte mehr
vorlegen. In dieser Hinsicht ist das
Haus dann wieder auf Augenhöhe mit
dem Konkurrenten Christie’s, der dem
französischen Unternehmer und
Kunstsammler François Pinault gehört.

Phillips bricht in London


die Rekorde


Das Auktionshaus Phillips hat die Ver-
steigerungen in der Frieze-Woche er-
folgreich eröffnet. Mit einer Steigerung
von 28 Prozent mehr Umsatz (25,8
Millionen Pfund) im Vergleich zum
Vorjahr endete die Abendauktion von
zeitgenössischer Kunst am 2. Oktober.
Zudem konnte Phillips einige neue
Weltrekorde setzen: Ein Hauptwerk
des Malers Alex Katz, „Blue Umbrella
I“ aus dem Jahr 1972 verdreifachte die
Taxe auf 3,75 Millionen Pfund. Auch für
Werke von Simone Leigh, Derek Ford-
jour, Sanya Kantarovsky und Raoul de
Keyser konnten neue Rekordpreise
erzielt werden, jeweils im Bereich zwi-
schen 100.000 und 200.000 Pfund.

KOMPAKT


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