Kirsten Fuchs:
WennSie Glück ha-
ben, möchte der Vater
sowieso nicht an der
„vollkommen hohlen“
Sache teilnehmen,
und dann würde ich
ihn zumindest nicht
zwingen. Wenn dann auch Ihre Toch-
ter akzeptieren kann, dass ihr Vater ei-
ne andere Meinung zu einer Konfirma-
tion hat, könnten Sie das einfach auch
akzeptieren, und er muss dann nicht
an dem Tag rumstänkern. Das ganze
hat nichts mit anderen Verwandten
aus der väterlichen Seite zu tun. Wer
kommen will und sich benehmen
kann, soll kommen, wer das eh nicht
will, der eben nicht. Die Beziehung der
beiden wird zumindest nicht besser,
wenn der Vater da hockt und seine
Tochter verunsichert. Aber eine ande-
re Meinung darf er auf jeden Fall ha-
ben. Wenn die beiden kein gutes Ver-
hältnis zueinander haben, frage ich
mich außerdem, ob sie sich überhaupt
sehen möchten. Bevor da eine Situati-
on entsteht, in der Sie ihm im Namen
Ihrer Tochter nachlaufen, fragen Sie
doch mal beide, wie sie Kontakt haben
wollen. Häufiger, seltener, an einem
anderen Ort? Zumindest muss das
nicht auf der Konfirmation gekittet
werden. Schönes Fest wünsche ich.
Herbert
Renz-Polster:
Dass ein Elternteil ein
kirchliches Ritual als
„hohl“ betrachtet, ist le-
gitim. Und dass da-
durch Auseinanderset-
zungen mit dem ande-
ren Elternteil oder dem Kind entste-
hen ist normal. Nur: hier gelingt es
dem Vater offenbar nicht, seine Mei-
nung so vorzubringen, dass seine Toch-
ter sich dadurch nicht entwertet fühlt.
Ja, das Fest erscheint mir hohl, könnte
er signalisieren, aber du bist für mich
deshalb nicht „hohl“, ich respektiere
deine Gründe. Was zu tun ist? Darüber
reden, so offen es geht, auf allen Kanä-
len: Wie können wir trotzdem ein Fest
hinbekommen? Lässt sich die Krän-
kung nicht ausräumen, muss Ihre
Tochter entscheiden, es ist ihr Fest.
Und weil sie vor einem Dilemma steht,
wird sie Ihre Unterstützung gut brau-
chen können: Einerseits passt zu ei-
nem solchen Fest ja die großzügige,
versöhnende Haltung – eine „erwach-
sene“ Haltung, wenn man so will. Ande-
rerseits ist Ihre Tochter vielleicht noch
Kind genug, um sich daran zu erin-
nern, dass Spielverderber einem Spiel
nicht gut tun.
Collien Ulmen-Fernandes:
Ich gehe mal davon aus, dass Ihre Toch-
ter, der die Konfirmation ja gilt, das
Ganze keineswegs „hohl“ findet. Dann
gilt genauso wie bei je-
der Hochzeit oder Ge-
burtstagsparty: Man
muss sie nicht gut fin-
den, aber man hat
trotzdem kein Recht,
sie anderen zu verder-
ben. Egal ob Ihre Toch-
ter sich auf ein schintoistisches, bud-
dhistisches oder ein muslimisches
Fest freut, Fakt ist, sie tut es, und das
gilt es zu respektieren. Tatsächlich
würde ich Ihren Ex-Mann – mit vorhe-
riger Erlaubnis Ihrer Tochter – fragen,
ob es ihm etwas ausmachen würde,
der „hohlen“ Veranstaltung fernzublei-
ben, weil sein egozentrisches Gerede ei-
nen schönen Tag im Leben der Tochter
gefährdet – und weil der Charakter des
nihilistischen Zynikers mittlerweile in
allen deutschen und amerikanischen
Komödien erzählt ist. Es braucht kei-
nen mehr, dem die Torte scheiße
schmeckt. Es braucht mehr Torten.
Kirsten Fuchsist Schriftstellerin und lebt mit
zwei Töchtern, Mann und Hund in Berlin. Sie
schreibt vor allem Kurzgeschichten und Roma-
ne, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und
Jugendbücher. Ihr Buch „Mädchenmeute“ erhielt
2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.
Herbert Renz-Polsterist Kinderarzt, Wissen-
schaftler und Autor von Erziehungsratgebern
und des Blogs „Kinder verstehen“. Er hat
vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau
und jüngstem Kind in Ravensburg.
Collien Ulmen-Fernandesist Schauspielerin
und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter
hat mehrfach Texte zum Thema Elternsein
veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das
Buch „Ich bin dann mal Mama“.
Haben Sie auch eine Frage?
SchreibenSieeine E-Mail an:
[email protected]
FAMILIENTRIO
Meine 13-jährige Tochter soll bald
konfirmiert werden, aber ihr Vater,
von dem ich seit sieben Jahren
getrennt lebe, hält dieses Ritual für
„vollkommen hohl“. Sie verletzt das.
Die beiden haben leider kein gutes
Verhältnis, obwohl ich mich um
Kontakt bemühe. Ich würde ihn nun am
liebsten ausladen. Aber darf ich das?
Und kann ich die väterliche
Verwandtschaft trotzdem einladen?
Michaela B. aus Amberg
von heike nieder
A
ls Franziska Ofterdinger ihren
Sohn zum ersten Mal sieht,
steckt ein Schlauch in seiner Na-
se. Mit einem Pflaster ist die Ma-
gensonde an seiner Wange be-
festigt. Über seinem Bettchen leuchtet ein
Überwachungsmonitor. Und trotzdem er-
innert sie sich heute, zweieinhalb Jahre
später, vor allem an das: einen kleinen, zar-
ten Jungen mit vielen braunen Haaren. Es
ist Liebe auf den ersten Blick. „Als wäre er
in diesem Moment geboren und mir in die
Arme gelegt worden.“
Franziska Ofterdinger ist vorgewarnt,
als sie am Vormittag des 26. Mai 2017 das
Zimmer auf der Kinderstation in Erlangen
betritt. Mehr noch: Ihre Frau und sie haben
sich genau so ein Kind gewünscht. Eine Wo-
che zuvor hatten sie die Zeilen gelesen, die
sie sofort elektrisierten: „Junge, geboren
04/2017, Trisomie 21 mit Herzfehler, Ope-
ration geplant“, stand da sinngemäß.
Die meisten Eltern entscheiden sich heu-
te gegen ihr Baby, wenn sie in der Schwan-
gerschaft erfahren, dass es das Downsyn-
drom hat. Mit Hilfe eines Bluttests können
Chromosomenauffälligkeiten inzwischen
schon in der zehnten Schwangerschaftswo-
che festgestellt werden. Wenn Frauen auf
Grund ihres Alters und anderer Faktoren
eine erhöhte Wahrscheinlichkeit haben,
ein solches Baby zu bekommen, über-
nimmt die Kosten des Tests demnächst so-
gar die Krankenkasse. Die leiblichen El-
tern des Jungen erfuhren erst nach der Ge-
burt von der Behinderung ihres Sohnes.
Sie wollten das Kind nicht mit nach Hause
nehmen und gaben es schließlich zur Adop-
tion frei. Weiterer Kontakt zu ihrem Sohn?
Nicht erwünscht.
Will man verstehen, warum die Ofter-
dingers unbedingt noch ein drittes Kind
wollten, eines mit Downsyndrom, muss
man nach Rheinland-Pfalz fahren. In ei-
nem kleinen, grünen Häuschen in der Alt-
stadt von Speyer leben die beiden Frauen
mit ihren drei Kindern, Hermine, 7, Lara, 5,
und Nepomuk, 2. Im Wohnzimmer wartet
ein gedeckter Frühstückstisch, den Saft
hat Franziska Ofterdinger in eine Glasfla-
sche mit Korkverschluss gefüllt. Von der
Decke baumelt ein beigefarbener Kegel
aus Stoff, in den man reinkriechen kann.
„Unsere Hängehöhle“, erklärt Hermine.
Auf dem Tischchen neben dem blauen So-
fa liegen mehrere Ausgaben der Zeitschrift
„Leben mit Downsyndrom“, ordentlich ge-
stapelt. Überhaupt wirkt alles sehr aufge-
räumt hier, die Kinderzimmer, das Regal
im Esszimmer, selbst Franziska Ofterdin-
gers akkurater Kurzhaarschnitt. Später
wird Jennifer Ofterdinger sagen, dass sie
diese Ordnung brauchen. Struktur ist ihr
Überlebensprinzip in einem Alltag mit drei
Kindern – vor allem, wenn zwei davon be-
sondere Bedürfnisse haben. Denn Nepo-
muk, wie Franziska Ofterdinger das Baby
mit dem Schlauch in der Nase gleich beim
ersten Treffen nannte, ist nicht ihr einzi-
ges Kind mit Behinderung. Auch die fünf-
jährige Lara braucht besonders viel Zu-
wendung.
Franziska und Jennifer Ofterdinger
sind seit neun Jahren verheiratet. Die bei-
den Erzieherinnen, heute 32 und 34 Jahre
alt, waren sich schon früh einig, dass sie
Kinder haben wollten. Von Anfang an erwo-
gen sie, Pflegeeltern zu werden oder ein
Kind zu adoptieren. Beim Jugendamt
machten sie den obligatorischen Pflegeel-
ternkurs und gaben an, dass sie sich auch
vorstellen könnten, ein Kind mit Behinde-
rung aufzunehmen – sofern ungefähr klar
wäre, was sie erwarten würde. Für ein Kind
mit Downsyndrom waren sie offen. Wäh-
rend ihrer Ausbildung hatten sie Praktika
in einer heilpädagogischen Einrichtung ab-
solviert. „Wir haben da absolut keine Be-
rührungsängste“, sagt Franziska Ofterdin-
ger. Im Gegenteil: „Das war einfach so ein
Bauchgefühl, dass das mit Nepomuk für
uns passen könnte.“
Doch zunächst wollten beide Frauen
auch versuchen, selbst ein Kind zu bekom-
men. Vor knapp acht Jahren wurde Jenni-
fer Ofterdinger mit Hilfe eines anonymen
Samenspenders schwanger. Die Frauen ge-
nossen das Glück, die Geburt ihrer Tochter
Hermine zu erleben. Da das Mädchen kein
Einzelkind bleiben sollte, und Franziska
Ofterdinger nicht gleich schwanger wurde,
verfolgten sie bald wieder ihren Pflege-
kindplan. Sie wandten sich ans Jugend-
amt. Schon vier Wochen später kam der
Anruf.
Lara, die in Wirklichkeit anders heißt,
war damals anderthalb Jahre alt. Die Mitar-
beiterin des Jugendamtes berichtete den
Ofterdingers, das Kind habe aufgrund ei-
ner frühen Traumatisierung eine Bin-
dungsstörung, außerdem eine Entwick-
lungsverzögerung. Eine genaue Diagnose
gab es nicht. Die beiden Frauen nahmen La-
ra als Pflegekind auf. Doch der Alltag war
schwierig. Die vielen Schreianfälle und un-
kontrollierten Wutausbrüche veranlassten
Franziska Ofterdinger, genauer nachzufor-
schen. Schließlich stellten die Ärzte bei La-
ra ein Fetales Alkoholsyndrom (FAS) fest.
Die leibliche Mutter hatte in der Schwan-
gerschaft Alkohol getrunken. Das war ein
Schock. Denn das FAS gehörte zu den weni-
gen Behinderungen, die Franziska und Jen-
nifer Ofterdinger aufgrund des sehr unge-
wissen Verlaufs im Fragebogen des Jugend-
amtes ausgeschlossen hatten. Lara wieder
abzugeben kam für sie trotzdem nicht in
Frage. Mehr noch: Aus der anfänglichen Be-
stürzung erwuchs der Wunsch, ein weite-
res behindertes Kind aufzunehmen. Eines,
bei dem sie das Gefühl haben würden,
selbst die Entscheidung, zu treffen, was sie
sich und ihrer Familie zutrauen – und
nicht jemand anderes. „Wir wussten, für
ein Kind mit Downsyndrom wären wir die
richtigen Eltern. Wir könnten es optimal
fördern“, sagt Franziska Ofterdinger, die
auch jetzt, während ihrer Elternzeit, viele
pädagogische Fortbildungsseminare be-
sucht.
Die meisten Kinder, für die das Jugend-
amt neue Eltern sucht, bringen ein „Päck-
chen“ mit, wie es Franziska Ofterdinger
nennt, viele sind traumatisiert oder psy-
chisch belastet. Aber die Ofterdingers woll-
ten keine weitere Überraschung. Zwar ist
auch bei einem Kind mit Downsyndrom un-
gewiss, wie es sich entwickeln wird. Man-
che Menschen mit Trisomie 21 leben selb-
ständig, lesen und spielen Klavier. Andere
lernen nie sprechen. Doch vor der Pflegebe-
lastung hatten die beiden Frauen keine
Angst. „Nur noch ein Kind mit einer psychi-
schen Verhaltensstörung und im
schlimmsten Fall einem erhöhtem Aggres-
sivitäts- oder Gewaltpotenzial, das hätten
wir nicht leisten können“, sagt Franziska
Ofterdinger. Deshalb wurden sie Mitglied
im Bundesverband behinderter Pflegekin-
der. Der Verband veröffentlicht auf seiner
Internetseite regelmäßig kurze Beschrei-
bungen von Mädchen und Jungen mit Be-
hinderungen, die eine Pflegefamilie su-
chen. Jedes dieser Kinder hat eine genaue
Diagnose, damit interessierte Eltern wis-
sen, auf was sie sich einlassen.
Es ist diese Seite, die sie zu Nepomuk
führt. Als sie die Beschreibung des Jungen
sieht, meldet sich Jennifer Ofterdinger so-
fort beim Bundesverband, der die Bewer-
bung an das zuständige Jugendamt weiter-
leitet. Es folgen stundenlange Telefonate
mit der Sachbearbeiterin. Franziska Ofter-
dinger erklärt ihre familiäre Situation:
Dass ihre Frau Jennifer eine Kindertages-
stätte leitet und flexible Arbeitszeiten hat.
Dass sie selbst bei den Kindern zu Hause
ist. Dass die Großeltern in der Nähe woh-
nen und regelmäßig bei der Betreuung aus-
helfen. Die Sachbearbeiterin unterstützt
das Paar sofort, erzählt aber auch, wie
krank das Kind ist: Der Junge sei direkt
nach seiner Geburt aufgrund seines Herz-
fehlers ins Krankenhaus Erlangen verlegt
worden. Eine Operation an der Aorta habe
er bereits hinter sich, ein weiterer Eingriff
am offenen Herzen sei notwendig. Er leide
an einer Darmentzündung und werde des-
halb über eine Magensonde ernährt. Die Ju-
gendamtsmitarbeiterin klärt sie außer-
dem über die Herkunftsfamilie auf und
dass diese keinen Kontakt zum Kind haben
möchte. Trotz all dieser Hiobsbotschaften:
Die Ofterdingers brauchen keine Bedenk-
zeit. Nicht mal eine Nacht. Sie sagen sofort
zu, wünschen das volle Sorgerecht und
dass der Junge ihren Nachnamen tragen
darf. Sie wollen gleich den Weg bereiten
für eine zukünftige Adoption. Die Sachbe-
arbeiterin willigt ein.
Eine Woche später fährt Franziska Ofter-
dinger nach Erlangen. Als sie den Jungen
in seinem Bettchen liegen sieht, erwacht
ihr Beschützerinstinkt. „Ich wusste: Ich
muss jetzt alles für ihn geben und tun.“ Sie
nimmt ihn sofort auf den Arm, legt ihn sich
auf den Bauch. „So ein Säugling braucht
doch nichts anderes als die Geborgenheit
irgendeines Menschen, der sich ihm an-
nimmt.“ Das Baby, es heißt jetzt Nepomuk.
Ein Kind annehmen mit all seinen Ein-
schränkungen. Die Ofterdingers haben
das nie in Frage gestellt. Auch nicht, als Ne-
pomuk noch am selben Tag lebensgefähr-
lich erkrankt, Diagnose: Blutvergiftung.
Nicht als er in seinem ersten Lebensjahr
zweimal am offenen Herzen operiert wird
und lange Zeit im Krankenhaus verbrin-
gen muss, in denen Franziska Ofterdinger
nicht von seiner Seite weicht, weil sie fürch-
tet, dass er sonst aufgeben könnte. Nicht
als sich Jennifer Ofterdinger zu Hause
zehn Wochen alleine um die beiden ande-
ren Kinder kümmern und nebenbei arbei-
ten gehen muss: „Wenn es das eigene Kind
ist, hinterfragt man das auch nicht, man
nimmt es so an, wie es kommt“, sagt Fran-
ziska Ofterdinger. Zum Trisomien-Blut-
test in der Schwangerschaft haben die
Frauen eine klare Meinung: „Wir sind dage-
gen. Eine Gesellschaft muss vielfältig
sein.“ Deshalb sind sie auch überzeugt,
dass ihre Familie, genau so wie sie ist, für al-
le Mitglieder richtig ist. „Unsere Kinder ha-
ben eine besondere Familie, die sie offen
macht fürs Leben, offen für Menschen mit
Behinderung, offen für andere Familien-
formen“, sagt Jennifer Ofterdinger und
blickt zu ihrer Frau. „Wir prägen sie so für
eine bunte Gesellschaft.“
Heute geht es Nepomuk gut. Der Zwei-
einhalbjährige ist zwar physisch und kogni-
tiv auf dem Stand eines Einjährigen, doch
die beiden Frauen sind stolz auf ihren Sohn
und dessen Entwicklung. „Er ist unser
Herzkind“, sagt Franziska Ofterdinger.
„Nicht nur, weil er es aufgrund seines Her-
zens wirklich ist, sondern vor allem, weil
wir so eine besondere Verbindung haben –
von Herz zu Herz.“ Seit er zwei Jahre alt ist,
krabbelt Nepomuk, jetzt zieht er sich hoch.
Er lacht viel und wirft dabei den Kopf in
den Nacken. Doch das Bemerkenswerteste
ist seine Sprache. Auch wenn er sich noch
nicht artikulieren kann – ausdrücken
kann er sich sehr wohl. Als er mit Jennifer
Ofterdinger ein Bilderbuch mit Tieren an-
schaut, klopft er sich plötzlich auf den
Schenkel. Nachdem er das Buch zuge-
klappt hat, führt er die Fingerspitzen bei-
der Hände zusammen. „Das sind die Gebär-
den für ,Hund‘ und ,fertig‘“, erklärt Franzis-
ka Ofterdinger. Sie beherrscht die deut-
sche Gebärdensprache. Mit Nepomuk übt
sie jeden Tag. Er ist auf einem Ohr fast
taub, trägt ein Hörgerät. Dennoch glauben
die beiden Frauen, dass er irgendwann
sprechen wird. Bis dahin erleichtern ihnen
die Gebärden die Verständigung mit ihrem
Sohn. Er beherrscht inzwischen schnon
knapp 30.
Seine Geschwister verstehen ihn längst
ohne Handzeichen. Jedes der Mädchen hat
eine besondere Art, mit dem Bruder umzu-
gehen. Hermine ist sehr fürsorglich und
trägt ihn oft herum. Lara macht gern
Quatsch. Da sie Gefahren nicht einschät-
zen kann, muss immer jemand dabei sein,
der aufpasst. Aber: „Nepomuk findet sie
wahnsinnig lustig“, sagt Franziska Ofter-
dinger. Den beiden Frauen ist wichtig, dass
die Familie am Wochenende und in den Fe-
rien füreinander Zeit hat, denn der Alltag
ist geprägt von Terminen – beim Kinder-
arzt, beim Kardiologen, bei verschiedenen
Therapeuten. Zuletzt waren sie in Norwe-
gen, das hat die Familie zusammenge-
schweißt. Wenn dann mal Nachfragen
kommen – „Vier Wochen Norwegen, geht
das überhaupt mit Nepomuk?“ – halten
sich die beiden Frauen nicht lange mit Er-
klärungen auf. „Klar geht das“, antworten
sie nur.
Wir wussten,
fürso ein Kind
wären wir
die richtigen Eltern.
Wir könnten es
optimal fördern.“
FRANZISKA OFTERDINGER
Als sie den Jungen sieht,
erwacht ihr Beschützerinstinkt.
Sie will jetzt alles für ihn geben
Vier Wochen Norwegen – geht
das überhaupt mit Nepomuk?
Klar geht das, sagen sie
Ordnung ist ihr
Überlebensprinzipim Alltag
mit drei Kindern
FOTOS: STEFANIE FIEBRIG,VERLAG, ANATOL KOTTE
Herzkind
Die meisten Eltern entscheiden sich
gegen ihr Baby, wenn sie in der
Schwangerschaft erfahren, dass es das
Downsyndrom hat. Franziska und
Jennifer Ofterdinger aber wollten
genau so ein Kind adoptieren
„Unsere Kinder haben
eine besondereFamilie,
die sie offen macht fürs
Leben“: Jennifer
(rechts) und Franziska
Ofterdinger mit
Hermine (Mitte), Lara
und Nepomuk.
FOTO: HEIKE NIEDER
56 GESELLSCHAFT FAMILIE UND PARTNERSCHAFT Samstag/Sonntag, 5./6. Oktober 2019, Nr. 230DEFGH