Süddeutsche Zeitung - 05.10.2019

(Ron) #1
von frank nienhuysen

D


er Tanzmeister aus Russland
wirbt für Haltung und
Schwung, schließlich soll die
Polonaise wirken. Eine Polo-
naise bringt mit ihren würde-
vollen Reigen einen Ball erst ins Rollen, et-
was Theorie für die Gäste muss dafür nun
einmal sein. „Es ist nicht kompliziert“, be-
ruhigt der Tanzmeister, ein eleganter
Mann mit grauer Perücke, weißen Strümp-
fen und türkisfarbenem Gehrock. „Zuerst
verbeugen wir uns“, sagt er. Die Paare ver-
beugen sich. Es sind wenige, die sich trau-
en. Die Tische bleiben voll. Man ziert sich.
Es ist der erste Große Katharinenball in
Deutschland, und er findet in Zerbst in
Sachsen-Anhalt statt, weil die russische Za-
rin Katharina II. eine geborene Prinzessin
von Anhalt-Zerbst war. Zuvorderst angetre-
ten sind die Balldirektorin Olga Martens
und der Bürgermeister von Zerbst. Auch
die „Prinzessin von Anhalt-Zerbst“ reiht
sich ein, eine Gymnasiastin, die ihren Titel
nach einem Prinzessinnen-Casting er-
hielt, weil sie „fundiertes Wissen bezüglich
der Zerbster Stadtgeschichte und Zarin Ka-
tharina II.“ bewies, wie dieZerbstergazette
einmal schrieb. Nun tanzt sie in einem
grau-grünen Barockkleid die Polonaise
mit, und die anderen Gäste an den etwa
50 Tischen schauen genussvoll zu, wie die
Paare noch etwas unsicher im Kreis gehen
und die Frauen den Männern dabei sanft
zunicken. An einem hinteren Tisch im Saal
erhebt sich eine Gruppe Russen und stößt
stehend mit Wodka an.


Auf russischen Bällen bleibt es nicht bei
einem Gang der Polonaise, und es bleibt
auch nicht bei den Polonaisen. Wie in der
Schule, es folgt sogleich neuer Stoff. Als
der Tanz „Druschba“ (Freundschaft) er-
klärt wird, geht es etwas durcheinander.
„Schwingen, schwingen, umdrehen“, ruft
die Moderatorin, „Nicht aufgeben“ ist von
ihr zu hören, es fällt ein aufmunterndes
„Super“, der russische Tanzmeister aber
korrigiert mit einem schnellen „Njet, njet,
njet“. Alles eine aufregende Nebensache,
so ein Balltanz, denn das Wichtigste soll ja
anderes sein: dass man sich näherkommt
im Festsaal, Deutsche und Russen.
Der Katharinenball findet in der ehema-
ligen Reithalle statt, einem gelben Barock-
gebäude am Zerbster Schloss. Es ist viel-
leicht nicht der historisch bedeutendste
Teil der alten Schlossanlage in Sachsen-An-
halt, aber die Bombentreffer im April 1945
haben vom Residenzschloss nur eine Rui-
ne übrig gelassen, die erst mühevoll restau-
riert wird. Doch auch die einstige Reithalle
ist ein würdevoller Ort. Der Stuck mit Wap-
pen und Krone im Ballsaal ist historisch,
und hinter einem sanft gerundeten Glas-
fenster verbirgt sich noch die Loge der
Fürstenfamilie. Die spätere russische Za-
rin Katharina hat im Schloss im 18. Jahr-
hundert ein paar Jahre ihrer Kindheit ver-
bracht. Eine deutsche Prinzessin, die nach
Russland ging und herrschte, es reformier-
te und vergrößerte. „Katharina die Große
hat dieses Land mitaufgebaut“, sagt die
Balldirektorin Olga Martens. „Und sie war
für ihre prachtvollen Bälle bekannt.“ Eine
Berühmtheit, die jetzt verbinden soll.
Nach fünf Jahresbällen im Moskauer
Prachtschloss Zarizyno dachte sich Mar-
tens vom Internationalen Verband der
deutschen Kultur, einer Organisation der
Russlanddeutschen in Moskau, dass sich
ein zusätzliches Fest in Katharinas deut-
scher Heimat gut machen würde. Außer-
dem, an den deutsch-russischen Beziehun-
gen kann derzeit wohl nicht genug ge-
knüpft werden. Am Vorabend einer ge-
meinsamen Wirtschaftstagung, dem Ka-
tharina-Forum, in feudalem Ambiente mit
Smoking und Ballkleid, geht das beson-
ders entspannt.
Der Ball hat für Russland Tradition, seit-
dem Peter der Große per Erlass 1718 das


festliche Spektakel als gesellschaftliches
Ereignis einführte. Üppig ging es zu in den
Ballsälen Moskaus und Sankt Petersburgs.
Die Zarenfamilie kam samt Hofstaat, der
Adel, bürgerliche Beamte, ausländische
Gäste, und als Tanzpartner mussten auch
schmückende Offiziere antreten. Was wä-
re das auch gewesen für die Damen und ih-
re Töchter, wenn sie zur Musik trübsinnig
dagesessen hätten, während die Männer in
den Salons am Kartentisch saßen.
Bälle waren Pracht und Pflicht zugleich,
es traf sich die verwöhnte Jeunesse dorée,
es war Gelegenheit, den Hof zu machen
und gedrechselte Heiratsanträge zu formu-
lieren. Man versicherte sich des exquisiten
Kleidergeschmacks, tanzte Walzer, Qua-
drillen, Mazurka, trank, spielte, plauderte
über Politik und Geschäfte, und wenn es
nichts Besseres zu tun gab, langweilte man
sich eben. Lew Tolstoi hat das Rauschhafte
jener Zeit oft illustriert.
In „Krieg und Frieden“ hört Natascha
„mit glühenden Wangen und glückstrah-
lendem Gesicht den ganzen Abend nicht
wieder auf zu tanzen, wobei sie ihre über-
zähligen Kavaliere noch an Sonja abgab“,
während Baron Vierhof sich mit Fürst An-
drej über die erste Sitzung des Reichsrates
unterhielt, die am nächsten Tag stattfin-
den sollte. In „Anna Karenina“ tritt die jun-
ge Kitty über die „von gepuderten Lakaien
in roten Röcken flankierte, lichtüberflute-
te Treppe“ Richtung Ballsäle, aus denen
„eintöniges Rauschen“ drang, „wie das
Summen in einem Bienenstock“. Als der an-
gehimmelte schöne Wronskij sich dann
aber mehr für Anna Karenina interessier-
te, war die Stimmung für Kitty ruiniert.
Spätestens mit der Revolution und dem
Niedergang der russischen Monarchie en-
dete der üppige Zauber und machte eine so-

zialistische Pause. Jetzt ist er wieder en
vogue in Russland. Es gibt Bälle an allen
Ecken, die Sehnsucht nach Zerstreuung ist
groß im neurussischen Alltag. Sogar der
Staat beteiligt sich am Boom. Das russi-
sche Verteidigungsministerium organi-
siert den Internationalen Kadettenball des
Kreml, zu dem im Dezember fast 1500 uni-
formierte Gäste kamen. Die ZeitungMos-
kowskij Komsomolezließ nicht unerwähnt,

dass eines der Ziele dieser prächtigen Ver-
sammlung „die patriotische Erziehung der
Jugend“ sei. Es dreht sich viel um das Wie-
deraufleben von Traditionen, ob sowje-
tisch oder zaristisch. In Moskau wird ein
„Wiener Ball“ gefeiert, während es in der
Hofburg den prunkvollen „Russischen
Ball“ gibt.
„Wie sieht die Welt denn aus?“, fragt Ball-
direktorin Olga Martens. „Wir sprechen
simpel, wir ziehen uns simpel an. Die Seele

sehnt sich nach Schönheit.“ Außerdem:
„Es gibt eine Entfremdung. Man muss jede
Chance nutzen, um daran zu erinnern,
dass es doch auch gute deutsch-russische
Beziehungen sein können.“
Ressentiments oder tiefe Gräben müs-
sen auf dem Zerbster Ball eigentlich gar
nicht überwunden werden. Wer gekom-
men ist, hat großes Interesse an Russland,
auch wirtschaftliches, es ist nicht der Ort
für Kritik an der russischen Politik. Es ver-
wundert einen also nicht, dass gefühlter
Konsens an den Tischen ist, dass es nun
doch wohl reiche mit den Sanktionen ge-
gen Russland. Auch am Tisch von Andrea
Ferber. Die Frau aus Sachsen-Anhalt ist
Coach und Beraterin für mittelständische
Unternehmer, sie sagt: „Ich teile die An-
sicht, dass das Katharina-Forum eine Art
Aktion des zivilen Ungehorsams gegen den
Kurs der Bundespolitik ist. Ich bin nicht
einverstanden damit, wie das im Moment
läuft.“ Für Europa wäre es „segensreich,
wenn es da Kooperationen gäbe und Aus-
tausch. Das täte uns gut“.
Aber gibt es sie nicht? Städtepartner-
schaften werden gepflegt, es läuft das
deutsch-russische Wissenschaftsjahr, For-
scher des Münchner Fraunhofer-Instituts
tauschten sich in Moskau mit russischen
Kollegen über künstliche Intelligenz aus.
Das alles findet geräuschlos statt, leiser je-
denfalls als das deutsch-russische Pipe-
lineprojekt Nord Stream 2, für das Kanzle-
rin Angela Merkel sich gegen Widerstände
starkmacht. Berlin setzte sich auch für
Russland ein, damit es im Juni wieder das
volle Stimmrecht im Europarat erhielt. Gar
nicht so lange her. Aber es dreht sich ja
nicht nur um Politik und Geschäft auf
diesem Ball. Sondern auch ums Vergnü-
gen. Andrea Ferber tanzt die Polonaise. Sie

tanzt Walzer. Russische Bälle haben sie
schon immer fasziniert.
Als Teenager hat sie die Schule ge-
schwänzt, um ja nicht eine Verfilmung der
Turgenjew-Romane im Westfernsehen zu
verpassen. Von der Tolstoi’schen Ballszene
in „Krieg und Frieden“ hat sie eine bunte
Bilderwelt im Kopf. „Ein Ball“, sagt sie,
„hat immer etwas Märchenhaftes.“ Katha-
rina die Große schrieb einst amüsiert in ih-
ren Erinnerungen, dass sich die Kaiserin
Elisabeth schon mal das Vergnügen mach-
te, bei Hofmaskenbällen die Männer in
Frauenkleidern und die Frauen in Männer-
kleidern „ohne Gesichtsmaske erscheinen
zu lassen“. „Den Herren waren diese Tage
der Metamorphose nicht eben angenehm“,

schrieb Katharina lakonisch, da sie „in gro-
ße Reifröcke und Frauenüberwürfe ge-
hüllt und wie die Damen bei Hoffesten fri-
siert waren“. Sie selber genoss als Prinzes-
sin alle Schmeicheleien und wechselte bei
ihren Ballbesuchen bis zu drei Mal pro
Abend ihre Toilette. Dieses Phänomen ist
beim Zerbster Katharinenball nicht zu se-
hen. Der offiziell strenge Dresscode wird
von überraschend vielen unterlaufen. In
Sankt Petersburg oder Moskau wäre der
Ehrgeiz größer, bei solcher Gelegenheit
das Feinste aus sich herauszuholen.
Trotzdem, der Katharinenball in Katha-
rinas einstiger Heimat, direkt am Zerbster
Schloss: Dies allein ist für das gastgebende
Bundesland ein Coup. „Das ist ein Symbol
an einem Ort, wo man auch europäische Ge-
schichte sieht“, sagt Reiner Haseloff, der

Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt.
„Der Ball ist eine Projektionsfläche für Ge-
schichte und Gegenwart, aber auch für Dis-
kussionen darüber, wie die Zukunft ge-
meinsam gestaltet werden kann.“ Zum Ball
selber hat Haseloff es nicht geschafft, er
sagt dies an einem Caféteria-Tisch der
Staatskanzlei. Der Ball, die Wirtschaftskon-
ferenz, sogar ein großer Gasspeicher im
Bundesland ist nach der russischen Zarin
aus dem Zerbster Adel benannt. Und natür-
lich beteiligt sich das Land auch am Wie-
deraufbau der neben dem Ballsaal stehen-
den Schlossruine. 400000 Euro stellt es da-
für bereit. Haseloff erzählt, dass die Ruine
in DDR-Zeiten nicht angefasst wurde und
„in einem schlimmen Zustand“ war. „Da
ist man nur vorbeigefahren, um den Kin-
dern zu zeigen, wie schrecklich Krieg ist.“
Jetzt wird es Wand für Wand, Zimmer für
Zimmer wieder hergerichtet. Haseloff
weiß, das Schloss ist mehr als ein sanie-
rungsfälliges altes Adelsgebäude. Der Mi-
nisterpräsident hofft auf russische Unter-
stützung. „Ich würde mir wünschen, dass
man sich gemeinsam für diesen Ort interes-
siert und engagiert. Solche niederschwelli-
gen Möglichkeiten helfen vielleicht sogar,
im großen Ganzen weiterzukommen.“
Im Ballsaal ist die Stimmung inzwi-
schen weniger staatstragend. Alte Schla-
ger haben die barocke Eleganz abgelöst,
„Avanti, avanti“ über das römische Dolce
Vita und Henry Valentinos „Im Wagen vor
mir“ sind zu hören. Der russische Tanz-
meister taucht im Anzug auf, an den Ti-
schen geht es um den Unterschied zwi-
schen deutschen Saunas und russischen
Banjas, um Steuergesetze und günstige Lie-
ferwege. „Ob Sanktionen oder nicht“, sagt
der russische Wirtschaftsprüfer Pawel Kra-
jew, „fürs Geschäft sind Bälle immer gut.“

Sturm der Entrüstung


Ivanka Trump veröffentlichte ein Foto, auf dem eines ihrer Kinder im „Star Wars“-Kostüm zu sehen ist. Der Schuss, muss man sagen, ging nach hinten los


Sein Kind in eine Uniform zu stecken und
dann superstolzzu sein, das kommt insge-
samt nicht überall gut an. Ganz besonders
schwierig ist es aber, wenn man zufällig
die Tochter des US-Präsidenten ist und
mit dessen Berater Jared Kushner verhei-
ratet. Und wenn man das entsprechende
Bild dann noch ins Internet stellt, wo sogar
der letzte Pups ganz leicht einen kommuni-
kativen Totalvernichtungskrieg auslösen
kann – dann sollte man sich hinterher
nicht wundern, wenn ein Jedi-Ritter sich
einschaltet, um das Universum vor dem
Bösen zu verteidigen.
Das Foto, das Ivanka Trump am vergan-
genen Sonntag auf ihrem Instagram-Ac-
count hochgeladen hat, zeigt sie und ihre
Familie. Zwei ihrer Kinder spielen kniend
an einem Couchtisch und gucken zum
Tischende, wo Mama und Papa aufgebre-
zelt in Abendgarderobe stehen, neben sich
vermutlich Sprössling Nummer drei, der
die Rüstung der imperialen Sturmtruppen
aus den „Star Wars“-Filmen trägt. „Die
Macht ist stark in meiner Familie“, steht
unter dem Foto. Eine Anspielung auf die


Filme, in denen es um intergalaktische
Schwertkämpfer geht, die mithilfe der
Macht das Böse bekämpfen. Die Reaktion
kam beinahe in Lichtgeschwindigkeit:
Zahlreiche Liebhaber der Filme schwirrten
aus, um ihre „Star Wars“-Galaxie gegen
die Vereinnahmung durch die Trumps zu
verteidigen. „Ihr seid das böse Imperium
und die Rebellion hat gerade erst begon-
nen“, hieß es in einem Kommentar.

Dabei kann man mit „Star Wars“ sonst
fast immer punkten. Die Filme haben nach
wie vor einen gewissen Nerd-Charme, oh-
ne zugleich den Nachteil der allermeisten
Nerd-Universen mitzubringen, die nur für
Eingeweihte wirklich zugänglich sind. In
Erinnerung geblieben ist etwa die berühm-
te VW-Werbung aus dem Jahr 2011, in der
ein kleiner Junge, verkleidet als dunkler
Jedi-Meister Darth Vader, mithilfe der

Macht das Auto der Eltern zu starten ver-
suchte – und nicht wusste, wie ihm ge-
schah, als tatsächlich die Scheinwerfer auf-
leuchteten, während sein Vater grinsend
mit der Fernbedienung im Hintergrund
stand. Oder der Ukrainer, der sich 2014 als
Darth Vader verkleidet zur Wahl für das
Parlament stellte. Er bekam drei Prozent
der Stimmen, ohne dass sein Name auf
dem Wahlzettel stand. Die Macht sei stark
in der Ukraine, erklärte der dunkle Lord in
Interviews. „Star Wars“-Metaphern sind
quasi universell einsetzbar, um die Welt in
Gut und Böse zu unterteilen.
Die Verkleidung als Sturmtruppler, also
als Fußsoldat des finsteren Imperiums, ist
dagegen eine Nummer kleiner und eigent-
lich eine sichere Kiste. Die Sturmtruppen
sind trotz ihres Einsatzes für die dunkle
Seite Sympathieträger, weil sie so herrlich
bescheuert aussehen und in den Filmen
mit ihren Laser-Blastern immer daneben
schießen. Ihre Rüstungen sehen aus, als
bestünden sie aus weißem Plastik, das ein
schlecht gelaunter Apple-Designer in
Form gebracht hat. Sie wirken wahnsinnig

unpraktisch und verdammen ihren Träger
gewiss zu stillem Leid, wenn es ihn am
Hintern juckt, besitzen aber offenbar
keinerlei Panzerungswirkung, denn der
Sturmtruppler neigt dazu, im Vorüberge-
hen die Macht eines Jedi-Ritters zu spüren
zu bekommen. Ein Schuss, peng, weg, der
nächste wartet schon. Die Macht ist mög-
licherweise stark in der Trump-Familie,
aber keineswegs unter den Sturmtruppen.
Sie sindwhite trash.
Manche Fans tragen die Rüstung der
Sturmtruppen mit feierlichem Unernst.
Etwa der Kerl, der darin einen Marathon
lief; oder jener, der damit neben einer Auto-
bahn Müll aufräumte; oder Mark Hamill,
der, unerkennbar unter der Rüstung, für ei-
nen guten Zweck Spenden sammeln ging.
In den „Star Wars“-Filmen spielt Hamill
den Jedi-Ritter Luke Skywalker, der eben-
falls einmal in die Rüstung der Sturmtrup-
pen schlüpft: zur Tarnung, um die Prinzes-
sin aus dem Todesstern zu retten.
Hamill, ein heftiger Trump-Kritiker,
hat Ivankas Foto mit dem Hinweis kom-
mentiert, sie habe „Betrug“ falsch geschrie-

ben – weil sich die englischen Wörter
„force“ (Macht) und „fraud“ (Betrug) äh-
neln. Offenbar versteht er weniger als
Luke Skywalker von der Macht, an deren
dunklen Seite hier keineswegs Betrug ver-
übt wird. Denn anders als das verschämte
Gutbürgertum, das gelegentlich mal alle
fünfe gerade sein lässt, was aber möglichst
keiner mitbekommen soll, will die dunkle
Seite der Macht sich nicht tarnen. Sie klebt
sich einen dicken „Fuck Greta“-Aufkleber
auf den SUV und genießt die Wallungen,
die durch Motor und Blutkreislauf strö-
men. Dazu passen am besten die sinistren
Fanfaren von John Williams’ „Imperialem
Marsch“. Oder Wagner. Dunkle Jedi-Meis-
ter zelebrieren die Macht, ebenso wie die
Trumps – und ihre Kinder als Requisiten-
fußvolk müssen dabei Gewehr bei Fuß
stehen.
Bei Ivanka Trump und ihrer Familie ist
das Foto eher kein Symbol eines tota-
litären Regimes oder für bewaffnetewhite
power. Sondern nur das Bild einer Familie,
die enorm viel dafür tut, dass man sie cool
findet. philipp bovermann

Olga Martens hat als
Direktorin nichtnur den
Katharinenball in
Moskau organisiert,
sondern auch den in Zerbst.

Ein russischer Tanzmeister führt


die Gäste in die Polonaise ein.


Später ruft er „Njet, njet, njet!“


Pracht und Pflicht


Mit dem Ende des Adels in Russland machten Bälle eine sozialistische Pause. Nun wird wieder getanzt –


auch in der deutschen Heimat von Katharina der Großen. Zu Gast beim Ball in Zerbst


„Ob Sanktionen oder nicht“,
sagt ein Russe in Zerbst, „fürs
Geschäft sind Bälle immer gut.“

„Star Wars“-Metaphern sind
universell einsetzbar, um die
Welt in Gut und Böse zu teilen

Ivanka Trump, Jared
Kushner und die Kids.
FOTO: TWITTER/@IVANKATRUMP

Großes Vorbild: Im Prachtschloss Zarizyno in Moskau feiern wohlgekleidete Gäste im September den Katharinenball. In diesem Jahr wurde er erstmals auch inDeutschland ausgerichtet. FOTOS: ALEXANDER KUCHARENK, DPA

DEFGH Nr. 230, Samstag/Sonntag, 5./6. Oktober 2019 GESELLSCHAFT 55

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