Süddeutsche Zeitung - 05.10.2019

(Ron) #1
von verena haart gaspar

I


m Keller von Daniel Twardowski in
Neumagen-Dhron an der Mosel ru-
hen 38 Barrique-Fässer in zwei Rei-
hen. Der Boden und die Schieferwän-
de schimmern feucht, kühl ist es
hier unten, und durch die unverputzte
Steinmauer drückt sich bei Regen das
Grundwasser. In jedem der Holzfässer
reift derselbe Spätburgunder, ein Pinot
Noir. Gewachsen und gereift in den Steilla-
gen des Dhroner Hofbergs. „Und doch“,
sagt Twardowski, „schmeckt der Wein aus
jedem Fass anders.“
Der Faktor Fass ist neben Rebsorte, Ter-
roir und Klima ein wichtiger Mosaikstein,
der das Gesamtbild des Weines, aber auch
das von Spirituosen wie Whisky, prägt. Die-
se Erkenntnis feiert gerade ein Comeback.
Während Holzfässer eine Zeitlang aus den
Kellern der Winzer verbannt wurden, sind
sie heute gefragt wie lange nicht mehr. Da-
bei geht es nicht nur um Holzaromen von
Vanille, Kaffee oder Schokolade. So ein Ei-
chenfass bewirke noch viel mehr, sagt
Twardowski.


Das bestätigen auch professionelle Fass-
bauer wie Andreas Hösch. Der 44-Jährige
leitet die Holzküferei Hösch in Hacken-
heim bereits in der vierten Generation. Sei-
ne Auftragsbücher sind voll. Kunden, die
ein 225-Liter-Barrique oder ein bis zu
5000 Liter großes Holzfass kaufen möch-
ten, warten mitunter ein bis zwei Jahre dar-
auf. „Heute gibt es vielleicht noch an die
zehn Holzküferbetriebe in Deutschland“,
schätzt Hösch. Der Verband des Deutschen
Fass- und Weinküfer-Handwerks listet ins-
gesamt 24 Holzküferbetriebe, darunter
aber auch einige, die ausschließlich Pflan-
zenbottiche oder Badewannen herstellen.
In den Siebziger- und Achtzigerjahren
stellten viele deutsche Winzer ihre alten
Holzfässer vor die Kellertür, um Platz zu
schaffen für Tanks aus Edelstahl. Die sind
nicht nur einfacher zu reinigen, sondern
bringen auch solide, gerade Weine hervor,


die meist jung getrunken werden. Der Aus-
bau im Holz ist dagegen aufwendig und teu-
er – er rechnete sich für viele Winzer nicht
mehr. Das änderte sich erst mit dem Auf-
schwung deutscher Premiumweine.
Zu Letzteren zählt auch der Spätburgun-
der von Daniel Twardowski. Sein „Pinot No-
ix“ kostet 75 Euro pro Flasche. Der 41-Jäh-
rige betreibt seit 2006 ein Weingut auf ge-
rade einmal drei Hektar. In seinen Weinber-
gen an der Mosel baut er ausschließlich
Spätburgunder an. Ungewöhnlich für die
Region, auf deren Schieferböden vor allem
Weißweine wachsen, allen voran Riesling.
Genau dieses Terroir wollte Twardowski

aber nutzen, um einen filigranen, leichten
und trotzdem spannenden Rotwein in die
Flasche zu bekommen. Weinkritiker
James Suckling sieht ihn bereits unter den
fünf besten Rotweinwinzern Deutsch-
lands. Gerade hat Twardowski den Jahr-
gang 2016 abgefüllt und schon alle 3800
Flaschen verkauft. Der Winzer setzt auf
Qualität statt auf hohe Erträge. Das be-
ginnt bei der Auswahl der Spätburgunder-
Reben, setzt sich mit Herbizid-freier Wein-
bergsarbeit fort und endet schließlich
beim Ausbau der Weine in Barriques.
Im Gegensatz zu Edelstahltanks atmet
ein Holzfass. Minimale Mengen an Sauer-

stoff gelangen so hinein, es kommt zur Mi-
krooxidation. Dadurch wird der Wein nicht
nur stabiler und lässt sich länger lagern, er
wird auch runder und harmonischer. Mehr
Holznoten muss er aber nicht unbedingt
aufnehmen: Je älter ein Fass ist, desto weni-
ger Aromen gibt es an den Wein ab. Kräfti-
ge Rotweine wie ein Merlot können die
Holznoten ideal einbinden, leichte und fei-
ne Rot- und Weißweine hingegen werden
davon regelrecht erschlagen. Twardowski
baut seinen Spätburgunder daher nur zu
20 Prozent in neuen Barriques und zu
80 Prozent in gebrauchten Fässern aus.
Wenn er den Wein dann nach 14 bis 18 Mo-

naten zusammenführt, ergibt sich für ihn
die perfekte Kombination. „Der Wein
schmeckt frisch und animierend mit einer
leichten Holznote“, sagt er.
Die Barriques bezieht Twardowski un-
ter anderem von der Tonnellerie Taran-
saud in Frankreich. Es ist eine der traditi-
onsreichsten Holzküfereien der Welt. Sie
bestückt die berühmtesten Weingüter im
Burgund, darunter auch die legendäre Do-
maine de Romanée Conti. Für eine Flasche
Pinot Noir Romanée Conti zahlen Kunden
mehrere Tausend Euro. In den Kellern des
Weinguts an der Côte d’Or reift der Wein
ausschließlich in neuen Pièces (so heißen
die 228-Liter-Barriques im Burgund). Die
bis zu fünfzig Jahre alten Reben der Grand-
Cru-Lage bringen kraftvolle Weine hervor,
die hervorragend mit dem Holz harmonie-
ren. Der Holzgeschmack dominiert an-
fangs noch, doch je länger der Wein in der
Flasche lagert, desto zurückhaltender
wird er. Nach 15 bis 20 Jahren ist die Holz-
note nahezu verschwunden. Und wer eine
Flasche Romanée Conti für 10000 Euro
kauft, kredenzt sie nicht beim nächsten
Pizzaabend, sondern legt sie ein paar Jahre
zurück.
Nachdem die Domaine ihre Fässer zwei-
bis dreimal benutzt hat, geben sie kaum
noch Aromen ab und werden verkauft. Um
an ein gebrauchtes Romanée-Conti-Fass
zu kommen, braucht man aber schon ein
bisschen mehr als einen Account bei Ebay.
Twardowski hatte Glück und gute Kontak-
te. Neben seiner Arbeit als Winzer hat er
sich als Weinhändler mit Raritäten einen
Namen gemacht. Eines Tages erhielt er ei-
nen Anruf der Tonnellerie Taransaud:
„Wollen Sie Romanée-Conti-Fässer ha-
ben?“ Wenig später saß Twardowski in sei-
nem Sprinter auf dem Weg ins Burgund.
Mit 15 Barriques kam er zurück.
Die Holzfässer, in denen die Whisky-
Destillerie Slyrs am Schliersee ihre Spiritu-
osen ausbaut, stammen zwar nicht von Ro-
manée Conti, dafür aber von der Bodega
Tradición im spanischen Jerez. „Wir hat-
ten großes Glück, dass wir von dort ge-
brauchte Sherry-Fässer beziehen können.
Normalerweise kommt man nur sehr
schwer an so was ran“, sagt Philip Zollner,
Betriebsleiter bei Slyrs. In etwa 3000 Fäs-
sern reift hier der Gerstenbrand. „Und das

Fass“, sagt Zollner, „ist ausschlaggebend
für die Qualität des Produkts.“ Mindestens
drei Jahre muss die Flüssigkeit im Eichen-
fass reifen, nachdem sie vergärt und ge-
brannt wurde. Die Macher von Slyrs nut-
zen dafür neue Fässer aus amerikanischer
Weißeiche, die sie aus den USA von der Kü-
ferei „World Cooperage“ beziehen. Die Fäs-
ser werden dort für kurze Zeit geflammt.
Nach diesem „Charring“ hat sich eine feine
Schicht Holzkohle in der Innenwand gebil-
det. Sie soll die scharfen Bestandteile aus
dem Whisky filtern. Doch das Brennen,
aber auch das mildere Toasten hat noch ei-
nen weiteren günstigen Effekt: Durch die
Hitze bricht die Struktur auf. Holz besteht
im Wesentlichen aus Zellulose, Hemicellu-
lose (Biomasse) und Lignin. Die Zellulose
karamellisiert; Lignin verwandelt sich wäh-
rend der Reifung in Vanillin – beides sind
gewünschte Effekte. Denn genau diese Aro-
men sind es, die dem Whisky seinen beson-
deren Geschmack verleihen.

In den bis zu 60 Jahre alten Sherry-Fäs-
sern reift der Slyrs Single Malt Edition Pe-
dro Ximénez mehrere Monate nach. Für
das Finishing kommen aber auch ge-
brauchte Port-, Madeira- oder Sauternes-
Fässer in Frage. Die Poren des Holzes
haben die Aromen der süßlichen Weine
jahrzehntelang aufgenommen und geben
diese nun langsam an den Whisky ab. Das
Ergebnis beschreibt Slyrs so: ein fruchti-
ges Aroma von getrockneten Zwetschgen
mit Rosinen im Abgang.
Und wenn ein Sherry-Fass den Ge-
schmack eines Whiskys prägt, schmeckt
dann der Spätburgunder von Daniel Twar-
dowski vielleicht ein ganz kleines bisschen
nach Romanée Conti? Der Winzer lacht
und winkt ab. Die Ausspülung des Fasses
sei nur noch minimal, sagt er, aber darum
gehe es ihm auch gar nicht: „Wenn ich ein
gebrauchtes Barrique von der Domaine Ro-
manée Conti kaufe, weiß ich einfach, dass
ich ein perfektes Fass bekomme. Denn kei-
ne Tonnellerie der Welt würde es wagen,
dort schlechte Qualität abzuliefern.“

Der Ausbau im Holz ist aufwendig


und teuer – das lohnt


sich nur für Premiumweine


Whisky profitiert von den
Aromen aus
gebrauchten Weinfässern

Mit besonderer Note


Vor ein paar Jahren noch haben Winzer ihre Holzfässer aus dem Keller verbannt und durch Edelstahltanks ersetzt.


Nun wird der Ausbau im Barrique auch für Spirituosen immer beliebter. Bestimmte Fässer werden zum kostbaren Gut


66 STIL ESSEN UND TRINKEN Samstag/Sonntag, 5./6. Oktober 2019, Nr. 230DEFGH


Beim „Charring“ bildet sich Holzkohle im Innern der Fässer – der Whisky wird milder. FOTO: IMAGO

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