Berlin
Berliner Zeitung·Nummer 231·5./6. Oktober 2019 13 *·························································································································································································································································································
Milongas.ZudemziehendieBerliner
Tango-Veranstaltungen jedeMenge
Touristen an.Je nach Quelle beläuft
sichdie Zahlder Fans,diehalb wegs
regelmäßig eineMilonga besuchen,
aufzwischen2000und 5000.
Zuve rlässiger lässt sich dagegen
schätzen,waseinengagierterTango-
tänzer oder eineTangotänzerin für
ihrVergnügenproMonataufwendet.
DieBloggerinLauraKnight(„Berlin-
tangovibes“) kalkuliertrund
130Euro im Monat für Unterricht,
einschließlichSolo-Lektionen und
bis zu dreiMilongas proWoche.
Tango-Reisen nicht eingerechnet –
vonden schönen bunten Schuhen
mit mindestens achtZentimetern
Absatzganzzuschweigen.DiePreise
derbegehrtenMarkenbeginnenfür
Damen beirund 140 Euro proPaar.
DerZahl ihrer Anschaffungen sind
keineGrenzengesetzt.
DerfinanzielleAufwandlässtetli-
che Tango-FansPrioritäten setzen:
Siebringen heimlich ihreGetränke
in die heimischenMilongas mit –
was sie als Gäste ökonomisch nicht
geradeattraktivermacht.
DieZeitschriftTangodanza und
die sozialenMedien sind allerdings
voll vonAngeboten fürTango-Ur-
laube an den schönsten Orten der
Welt(nichtnurBerlin),indenendie
Freaks den Alltag ausblenden und
sich der für sie schönstenNebensa-
che derWelt widmen können. Für
„Marathons“ oder anmeldepflich-
tige „Encuentros“, alsoBegegnun-
gen mitTangueros undTangueras
aufgleicherNiveau-Stufe ,fahrendie
„Intensivtäter“ unter ihnen Hun-
derte vonKilometerauchanäußer-
lich weniger attraktiveOrte, um für
einverlängertesWochenendesechs,
acht,zehnStundenTango-Schichten
proTagimAkkordzus chrubben.Bis
zurglücklichenErschöpfung.
Undselbstverständlich müssen
Tango-Verrückte,die etwas auf sich
halten,mindestenseinmalimLeben
insMekkaihresTanzesgepilgertsein:
nach Buenos-Aires.12000Flugkilo-
meter hin, 12000Flugkilometer zu-
rück.DaerscheintLauraKnightsKal-
kulation nur als der allerunterste
Mindestbetrag.
AlsimAugust in Argentiens
HauptstadtdieTango-WMausgetra-
gen wurde,daw aren auchBerliner
mit vonder Partie: Sophia Paul und
ihrFreundundTanzpartnerJulioCe-
sar Calderon erreichtenPlatz 15 –
und waren damit das bestewesteu-
ropäischePaar.
Kenner der Szene wie der deut-
sche Tango-StarNicole Nau, die ge-
rademitihremMannLuisPereyraauf
Deutschlandtournee ist, behaupten,
dassderTangoin BuenosAiresohne
den internationalenTanz-Tourismus
längst nicht mehr lebensfähig wäre.
Umgekehrtverdienendiemeistenar-
gentinischen Profis einen großen,
wennnichtdenwichtigstenTeilihres
Einkommens imAusland. Auch und
geradeinBerlinwächstdieargentini-
scheGemeindeundbestimmteinen
Teildes Tango-BusinessindenSchu-
lenund Milongas.
ZudenmindestensTeilzeit-Berli-
nernzählt auch derBandoneonist
Carlos Libedinsky.Als Mastermind
derGruppe„Narcotango“hatervor
Jahren gemeinsam mit „GotanPro-
ject“ und„Otros Aires“ denElectro-
tango kreiertund in die Clubs jen-
seitsderengerenTangoszeneexpor-
tiert. Aber der Musiker ist nicht nur
ein besessener Soundtüftler,son-
dernauch ein begabterShowman.
Beim ContemporaryTango Festival
gingeraufoffenerBühneindieKnie
undmachteseinerMonaIsabelleei-
nen Heiratsantrag.DieChefin des
Tangoloftshat„Ja“gesagt.
Jetzt muss es nur noch mit dem
Vermieterklappen.
Thomas Kröter
tanzt Tangolieber
tagsüber als nachts.
GETTY IMAGES/MOMENT RF
„Vorbei dieZeiten,
dadieTänzerinnen
undTänzer sicher
sein konnten, für
verg leichsweise
kleines Geld
unbeschwertin
eine rehemaligen
Industrie-Etage
oder anderen
bröckelnden
Immobilie ihrer
Leidenschaft zu
frönen.“