Süddeutsche Zeitung - 21.09.2019

(Greg DeLong) #1

Frische Grüntöne,
gekachelte Böden,
derBlick nach
draußen geht auf
Palmen: Der Desi-
gnerChristian
Haaslebt in benei-
denswert schöner
Umgebung in
Porto, und viel-
leicht fließt die
unaufgeregte
portugiesische Schlichtheit in seine
Entwürfe mit ein. Der gebürtige Deut-
sche lebt seit sechs Jahren an der Atlan-
tikküste. Jetzt zeigt die Möbelgalerie von
Andreas Murkudis in Berlin eine Aus-
wahl an Arbeiten (im Bild) von Haas. Ob
Tischplatten, die an gefaltetes Papier
erinnern, oder der Stuhl „Scout“ mit
verkürzter Sitzfläche in Zitronengelb:
Der 45-Jährige setzt mit seinen Entwür-
fen, die Langlebigkeit und dezente Ele-
ganz verbinden, die konventionelle For-
mensprache gern außer Kraft. Haas
arbeitet für Firmen wie Villeroy & Boch
oder Karakter, seine berühmten „Ro-
pes“-Lampen bestehen aus ineinander
verknäulten Seilen mit LED-Leuchten
(bis 2.11., andreasmurkudis.com).


Das Ende musste natürlich schon etwas
hochtrabend klingen. „Ich denke, ich
habe meine Mission erfüllt“, sagtDem-
na Gvsaliaüber den Abschied von sei-
ner Marke Vetements. Es geht hier zwar
um Mode und nicht um Schicksalsfra-
gen, aber ein gewisses Pathos hat den
gebürtigen Georgier immer begleitet.
Sowohl, was den großen Ernst betrifft,
mit dem er locker sitzende Streetwear
zum stilistischen Non Plus Ultra erklär-
te, als auch hinsichtlich der Verehrung
seiner Fans. Als Gründer des Labels
Vetements, mit dem er die Vorstellung
vieler von Designerentwürfen auf den
Kopf stellte, und als Kreativdirektor von
Balenciaga wurde Gvasalia der böse
Lieblingsbube der Branche. Er brachte
junge und nicht mehr ganz junge Frauen
dazu, ihre Füße in klobiges Schuhwerk
zu stecken oder sich Knistertaschen im
Discounterlook umzuhängen. Er habe
Vetements „aus Langeweile über die
Mode“ gegründet und sehe seine Aufga-
be nun woanders, ließ der 38-Jährige
wissen. An seiner Position bei Balencia-
ga ändere die Entscheidung, den Posten
als Designer im eigenen Haus aufzuge-
ben, nichts. Sein Bruder Guram Gvasalia
bleibt Geschäftsführer von Vetements.


Der Sommer
ist zwar fast
vorüber,
aber Sonnen-
brillen sind ja inzwischen selbst bei uns
so zeitlos wie Ganzjahresreifen.Oliver
Peoplesbringt seine neue Kooperation
also einfach mal Mitte September auf
den Markt: Zusammen mit der Denim-
marke Re/Done haben sie das Unisex-
Modell „The Oliver“ entworfen. Zum
Glück nicht mit Bügeln in Jeansfarben



  • das gab’s ja auch schon mal von Cha-
    nel – sondern mit klassisch schwarzem
    Acetatrahmen im Stil der Sechzigerjahre
    und braunen Gläsern. Re/Done stammt
    wie Oliver Peoples aus Kalifornien und
    wurde vor einigen Jahren dafür bekannt,
    alten Levi’s-Jeans einen neuen, zeit-
    genössischen Schnitt zu verpassen. Mitt-
    lerweile gibt es auch Shirts und Cardi-
    gans in der Kollektion. Die erste Brille
    wird deshalb ebenfalls zusammen mit
    einem Vintage inspirierten T-Shirt gelie-
    fert.


Loki Schmidt wäre in diesem Jahr 100
geworden, ihre Naturschutz-Stiftung
wird hingegen 40. Anlass genug für den
UhrenherstellerNomos Glashütte, das
Modell „Tangente“ als Sonderedition auf
den Markt zu bringen. 100 Euro pro
verkaufter Uhr kommen der Stiftung
zugute, auf die nur ein winziger Schrift-
zug im Blatt verweist. Die Auflage von
100 Stück ist bei Wempe erhältlich.
anne goebel, silke wichert


von jan kedves

W


as braucht ein Designer-
label, um sich ins kollekti-
ve Modegedächtnis ein-
zubrennen? Versace hat
seinen Medusenkopf und
die neobarocken Prints mit Goldornamen-
ten. Chanel hat die falschen Perlenketten
und das Tweedkostüm, das selbst in unter-
schiedlichsten Varianten sofort wiederzu-
erkennen ist. Die österreichische Designe-
rin Marina Hoermanseder hat: die Gürtel-
schnalle und den Look orthopädischer
Leder-Orthesen und -Korsetts. Auch dar-
aus lässt sich viel machen – wie seit eini-
ger Zeit auf Instagram, im Fernsehen, auf
Sektflaschen, Sneakers und in Modemaga-
zinen zu sehen ist.
Hoermanseder, 33, ist derzeit die wohl
raffinierteste Modeunternehmerin im
deutschsprachigen Raum. Denn sie be-
dient – was nicht vielen Designern ge-
lingt – zwei Märkte gleichzeitig: den für er-
schwinglichen Konsum-Nippes mit viel
Markenzeichen drauf (in ihrem Fall ist das
eben eine recht durchschnittliche Gürtel-
schnalle aus Metall) und den Markt für
spektakuläre Haute Couture, die auf dem
roten Teppich getragen wird, im Musik-
video oder zu einem anderen besonderen
Anlass. Nicht nur Staatsministerin Doro-
thee Bär sorgte im April in einem figurbe-
tonten Hoermanseder-Outfit für Aufse-
hen, auch die Popsängerin Janelle Monaé
trug kürzlich eine mit schwarz-weißem
Gitternetz lackierte Lederskulptur, und Di-
ta Von Teese ließ sich im strassbesetzten
Hoermanseder-Glitzerbustier fotografie-
ren. Die prominentesten Namen sind da
noch gar nicht genannt: „Nicki Minaj, La-
dy Gaga, Taylor Swift, Kylie Jenner, Kourt-
ney Kardashian, Janet Jackson – das hat al-
les die Agentur binnen kürzester Zeit ge-
macht“, freut sich Hoermanseder in ihrem
Atelier in Berlin-Kreuzberg.

Mit „die Agentur“ ist „The Residency
Experience“ gemeint. In dem Showroom
auf dem Santa Monica Boulevard in West
Hollywood, Los Angeles, gehen die Stylis-
ten der Stars ein und aus und leihen sich
Teile für ihre Klientinnen. Die Zusammen-
arbeit, begonnen im vergangenen Jahr,
hat Hoermanseders Label, das sie 2013 in
Berlin gegründet hat, noch einmal sehr
viel mehr Aufmerksamkeit verschafft. Sie
und ihr circa 15-köpfiges Team müssen
jetzt ständig Pakete per Express in die USA
senden, weil die Stars Hoermanseder lie-
ben. Und wenn, wie kürzlich, Taylor Swift
für einen Videodreh eine Bluse aus der
neuen Kollektion noch einmal in einer an-
deren Farbe will, dann wird in Kreuzberg
gern eine Nachtschicht eingelegt.
Der Aufwand lohnt sich: „Ich bekomme
die Kompetenz-Zuschreibung aufgrund
der Stars, die mich tragen“, sagt Marina
Hoermanseder. Die alte Krux: Wenn es
von einem Designerlabel auch billige Li-
zenzprodukte gibt, rümpfen die Experten
schnell die Nase und zweifeln die modi-
sche Relevanz des Labels an. Von Hoer-
manseder gab und gibt es neben Sektfla-
schen und Sneakers sogar Taschentücher
und Küchenrollen, die sie mit einem grafi-
schen Muster aus Gürtelschnallen ver-
ziert und bedruckt hat. Aber weil richtige
Stars, also: Celebrities von der internatio-
nalen A-Liste, die Haute Couture des La-
bels tragen, rümpft keiner mehr die Nase.
Trotz des Krimskrams, der abseits des
roten Teppichs natürlich auch bei Hoer-
manseder das meiste Geld hereinbringt.
Ja, Marina Hoermanseder klingt wie ei-
ne richtige Vollblut-Businessfrau, wenn

sie über ihr Label und ihren Erfolg spricht.
„Ich funktioniere am Massenmarkt, aber
ich performe in der Kunst“, sagt sie. Bevor
sie in Berlin und London Modedesign stu-
dierte und ein Praktikum beim Label Alex-
ander McQueen dranhängte, schloss sie in
ihrer Heimatstadt Wien erst einmal ein
Studium der Internationalen Betriebswirt-
schaftslehre ab. „Skalieren“, das Verb aus
dem Marketingsprech, ist heute eine ihrer

Lieblingsvokabeln. Skaliert wird natürlich
der Massenmarkt, nicht die Kunst.
Betrachtet man aber ihre Kunst, muss
man den Hut ziehen. Hoermanseders
Haute Couture ist exzeptionell. Sie führt
die ultra-körperbetonte, hart umkantete
Amazonen-Silhouette weiter, die in den
Achtzigerjahren schon einmal sehr en
vogue war und aus ihrer Trägerin laut der
Modetheoretikerin Barbara Vinken eine

„phallische Frau“ machte. Aber nicht in
Chrom und Plastik, sondern in pflanzlich
gegerbtem, orthopädischem Walkleder.
Das habe noch etwas Eiweißverbindung
drin, erklärt Hoermanseder, deshalb kön-
ne man es nass wie einen Lappen über ei-
ne Schaumform ziehen, „und wenn es
dann austrocknet, dann wird es wieder
hart“. Diese Technik hat sie sich während
des Modestudiums bei „Leder Hobby“ bei-

bringen lassen, einem Fachhandel für Satt-
ler & Lederhandwerk in Berlin-Wedding.
Im Atelier hängt ein Foto von Frida Kah-
lo: die Künstlerin, wie sie 1950 in ihrem
orthopädischen Stützkorsett im Kranken-
bett liegt und sich das Korsett bemalt. Hin-
ter Hoermanseders Schreibtisch liegt ein
dicker Fotoband über den Designer Thier-
ry Mugler. Orthopädie und Mugler – das
sind ihre ästhetischen Koordinaten. Hoer-
manseder spricht vom „Rückgrat“ für den
exponierten Körper der Frau, den sie „ur-
schön“ findet. Daraus hat sie auch etwas
Eigenes entwickelt – etwa ihren sogenann-
ten Strap-Skirt. Der sieht aus, als sei er
komplett aus Ledergürteln und Schnallen
gewickelt, und natürlich ist so ein Teil un-
elastisch. „Früher bin ich im Taxi gelegen
mit diesen Röcken“, erzählt sie grinsend,
also: Es war unmöglich, sich mit dem Gür-
telrock hinzusetzen. Aber: Wo immer sie
mit ihm hinkam, wurde sie fotografiert.

Der Strap-Skirt, der aus der Frau ein ex-
travagantes Gürteltier macht, ist nun ihr
Klassiker, Bindeglied zwischen Lizenzge-
schäft und den Superlooks für Celebrities.
Sie bringt ihn immer wieder, von Saison
zu Saison, ein bisschen wie bei Chanel:
Tweed und Perlenkette, eigentlich ganz ge-
wöhnlich, aber in der Redundanz doch be-
sonders. „Er hat’s einfach durchgezogen!“,
schwärmt Hoermanseder von Karl Lager-
feld. Der Rock für circa 1500 Euro ist inzwi-
schen sogar beinahe alltagsfreundlich ge-
worden, er hat jetzt hinten einen größen-
verstellbaren Einsatz aus Gummi. Man
kann damit sitzen. Fotografiert wird der
Rock aber weiterhin nur von vorne. Fronta-
le Mode, wenn man so will.
Überhaupt erscheint Marina Hoermans-
eder als eine Person, die sehr nach vorne
geht. Dass sie aus privilegiertem Haus
kommt, daraus macht sie kein Geheimnis:
Ihr Vater ist Vorstandsvorsitzender der
Wiener Mayr-Melnhof Karton AG, eines
der größten Hersteller für Kartons und
Faltschachteln aus Recyclingpapier. Es
leuchtet ihr sogar ein, dass das orthopädi-
sche Leder, mit dem sie heute bevorzugt
arbeitet, eine gewisse Ähnlichkeit mit je-
nen Materialien hat, mit denen sie zu Hau-
se aufwuchs, Karton und Pappe. Weich,
formbar und eben doch hart.
Eine weitere Existenz führt Marina
Hoermanseder im Fernsehen. Sie war
schon Gast bei Heidi Klum in „Germany’s
Next Topmodel“, und sie ist Mitglied in
den Jurys von „Austria’s Next Topmodel“
und von der österreichischen Einrich-
tungsshow „Design Dream“. Vermutlich
ist das Strategie? Je präsenter eine Desi-
gnerin in den Medien, desto erfolgreicher
ihr Label? Hoermanseder streitet das ab.
„Im Gegenteil, ich sollte wahrscheinlich
aus Pflichtgefühl eher kein Fernsehen ma-
chen, weil ich dann zum Teil drei, vier Wo-
chen nicht hier bin“, sagt sie, also: nicht im
Atelier, sondern auf Dreharbeiten. „Aber
ich lieb’s! Es fühlt sich für mich nicht wie
Arbeit an, sondern eher wie Urlaub.“
Wenn sie dann aus dem Fernsehurlaub
nach Kreuzberg zurückkommt und die
nächste Kollektion ansteht, bekommt
Hoermanseder keine kreative Krise wie an-
dere Designer. Da ist ja die Gürtelschnalle.
„Für mich ist die Schnalle nicht nur finan-
ziell mein Kapital, sondern auch irgendwo
geistig“, sagt Hoermanseder. „Ich sitze nie
vor einem weißen Blatt Papier und habe
Angst: Was mache ich, damit man weiß,
dass es von mir ist?“ Die Schnalle verbin-
det bei ihr die Kunst mit dem Geschäft,
und das läuft. Von welcher Kundin träumt
sie noch? „Meghan Markle.“ Stimmt, die
könnte gut mal einen Strap-Skirt tragen.

Schnall dich an


Die BerlinerDesignerin Marina Hoermanseder macht Mode im Look orthopädischer


Lederkorsetts – und ist ein Liebling der großen Hollywoodstars. Ein Atelierbesuch


Inzwischen kann man in ihrem
berühmten Rocksogar sitzen.
Hinten wurde Gummi eingebaut

Wenn Taylor Swift die Bluse
in einer anderen Farbe will, wird
in Kreuzberg nachts gearbeitet

KURZ
GESICHTET

Marina Hoermanseder
(oben) ist erfolgreich,
weil zum einen ihr
Lederkleid „Illusion
Vase“ (links) aus ihrer
Frühjahr/Sommer-
Kollektion 2019 bei
Stars wie Janelle Monaé
so gut ankommt – und,
weil ihr Dauerbrenner,
der Gürtelrock mit
Schnallen (unten) ihr
seit Jahren gute
Umsätze beschert.
FOTOS: STEFAN KRAUL, DIE IDA, PR

FOTOS: ANA SANTL, HERSTELLER

58 STIL Samstag/Sonntag, 21./22.September 2019, Nr. 219 DEFGH


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