Berliner Zeitung - 21.09.2019

(Ron) #1
Berliner Zeitung·Nummer 220·21./22. September 2019–Seite 17
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Berlin


AM WOCHENENDE


MitGlitzer:


BerlinsBurlesque-KöniginSheila


SchönesWochenende Seite 19


MitGefühl:


BalancierenaufderSlackline


Berlin bewegt sich Seite 20


Familienausflug


Tja,Wolf,


wasnun?


M


it Umfragen ist es so eineSa-
che.Sie stimmen manchmal
nicht.Menschenredenviel,wennsie
gefragt werden, handeln aber oft
ganz anders.Weil sie ihreMeinung
geänderthaben. Weil sie geschwin-
delthaben.Oderweilsieeinfachsa-
gen,waseinerhörenwill.
So muss es demRotkäppchen in
MarioRamos’Buch „Ich bin der
Stärkste im ganzen Land“ gegangen
sein, als es auf dieFrage des Wolfes
nachdemStärkstenihn,denFrager,

nennt. Mitdem Zusatz: „D agibt’s
keinVertun.“Dabeimüssteesgerade
dasRotkäppchenbesserwissen.Wer
hatdennamEndeden Bauchvoller
Steine?IneineritalienischenVersion
des Märchens befreit dasRotkäpp-
chen sich sogar selbst.Weil es zwar
nichtstärker,aberschlauerist.
Aberalle TiereundMärchenfigu-
rendesWaldes sagen, was derWolf
hören will.Bisauf ei nes.Das Quab-
belwabbel, wie alle anderen kleiner
alsderselbsternannteChef,istalles

anderealskleinlaut:„Natürlichweiß
ich das“, sagt es.„Dasist me ine
Mama.“WiederWolf auf diese Ant-
wortreagiert, kann man an diesem
Sonnabend imPrinzessinnengarten
erfahren.Wirderauseinerehrlichen
AntwortmehrmachenalsdieKöni-
ginin„Schneewittchen“?

Ichbin derStärksteTheaterstückvon
„Maske&Mantel“nachdem BuchvonMario Ra-
mos.Prinzessinnengarten 35–38,Kreuzberg.
Sa 16 Uhr,Eintritt 6–8 Euro.Ab3Jahren

VonBarbaraWeitzel

Werist der Stärkste? DerWolf, hier mit Begleiter,kennt nur eine Antwort. MASKE&MANTEL

Starke


Aromen


DiemeistenKöchespezialisierensichauf


eineKüche.JamesDopplernicht.Im


Wyclef’spräs entiertereinebunte


MischunganGeschmäckern


BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER BLZ/GALANTY

Waldenserstr.
Huttenstr.

Beusselstr.

Siemensstr.

MOABIT

Turmstr.

Beusselstr.

Wiclefstr.

Wyclef’s

100 m

N


atürlich kann man es
Gentrifizierung nennen,
ich nenne es lieber die
Ausweitung des gutes
Geschmacks.SpätestensmitderRe-
vitalisierung der Arminius-Markt-
hallehaterEinzugin Moabitgehal-
ten und uns ein paar wunderbare
neue Marktstände undRestaurants
beschert,dieWertaufregionalePro-
dukte und gutesHandwer klegen.
DasRosa Lisbertind er Halle zeigt
etwa, wie Elsässer Küche und
Flammkuchen wirklich schmecken.
Undwas die kulinarischenGenüsse
jenseitsvondurchaus guten Köfte,
Falafel undBaklavainM oabit an-
geht, fällt immer
wieder ein Name:
James Doppler,ein
umtriebiger Öster-
reicher mit engli-
schen Wurzeln und
einbegabterKoch.
Zuerst versorgte
er am Marktstand
„Habe die Ehre“
seine Gäste mit def-
tigen, aber feinen
österreichischen
Schmankerln.Dann
gründeteerPound&
Pence,einen Burgerstand, derwe-
genseinerMetzgerkunst,wegender
hausgemachten Pickles und der
ChutneyseinenBesuchwertist.
Nunhaben dasPound &Pence-
TeamunderdasTerritoriumausge-
weitet und einRestaurant namens
Wyclef’s eröffnet. Am selben Ort
hattesichzuvorderjungeKochAn-
ton Michel mit dem Richwater &
Mitchell versucht. Er ist leider ge-
scheitert, wie ich finde aber auf
höchstmöglichemNiveau.Auchein
Nachfolgeladen namens Heimat
bliebnureinkurzesZwischenspiel.
Zumdritten Malgeht es also zur
selben Adresse,James Doppler und
seinWyclef’s setzenhiernunauf„in-
ternationale“Küche.
AusdemdunklenRestaurantmit
rotenVorhängen undweißer Tisch-
wäsche,dassichwieeinFilmsetan-
fühlte,ist ein weiß getünchtes ge-
worden.DieWändein Natursteinop-
tikunddieSäulen–Überbleibselei-
ner griechischenTaverna, die hier
ganzfrühereinmalwar–sindjedoch
geblieben.So richtig zumWohlfüh-
lenistesimmernochnicht,aberhel-
ler und offener,und der Service
umsofreundlicher.
DieKarte liest sich chaotisch, als
ob sich derKoch nicht entscheiden
könnte,obe resnundeftig-österrei-
chisch, erfrischend-mediterran,
exotisch-karibisch, japanisch-fili-
gran oder alles gleichzeitig mag.Ich
hoffe,erk annsichdieseBandbreite
leisten. So Dive rses auch zu beherr-
schen, ist eineKunst: Neben sizilia-

nischen Arancini in Ricotta-Toma-
tensoßestehtetwaeingeräuchertes
Tomaten-Bananen-Tartar mit Ko-
kosschaum und Chili-Mayo. Diese
Tomaten-Bananen-Kombi macht
mich besonders skeptisch, sie wird
mir jedoch ausdrücklich empfohlen
–zue inem Shot Bacardi Rum, der
achtJahrealtist. Einstarker Start.
Tatsächlich schmeckt dasTartar
ganz anders als befürchtet, die Aro-
men harmonieren wunderbar.Ge-
konnt und dezent mischt sich der
Geschmack derBanane,der weder
klebrignochsüßist,unterdiezuvor
über Apfelholz geräuchertenToma-
ten, die saftig, salzig und säuerlich
sind. Hinzu
schleicht sich eine
ordentliche Schärfe
vonder selbstge-
rührten Mayo ein,
dieabervomKokos-
schaum eingefan-
genwird.Kochbana-
nen-Chips kontras-
tieren zum Löffelge-
richt.
An starken Aro-
men wir dhier nicht
gespart, handwerk-
lich deswegen aber
auchnichtgeschlampt.Einweiteres
Beispiel sind die Arancini.DasFrit-
tierte knackt hauchdünn auf, drin-
nen folgt ein cremigerReis,der mit
Kräuternund Zitronenaroma er-
frischt.
Nach den Vorspeisen wirdesa l-
lerdings etwasweniger furios:Das
Schnitzel ist gut gemacht und inso-
fernbesonders,dad asKalbzuvorin
Rotwein, einemZweigelt, gezogen
ist.DasWeinaromaverstärktinteres-
santerweise den Fleisch-Eigenge-
schmack. Doch bei demTeller fehlt
der Wow-Effekt, dieKartoffeln mit
Estragon sowie derBeilagen-Salat
sind erwartbar,nichtsdestotrotz
aber gut gemacht.Ichfinde,Dopp-
lersRestaurantWyclef’sistder Show-
room eines ziemlichen Allround-
künstlers.

Wyclef’sWiclefstraße30, Moabit. Di–Sa
18–23.30 Uhr.
Vorspeisenkosten 8,90–10,90, Hauptgerichte
15–19,50 undDesserts8,50–9 Euro.

AUFGETISCHT


Tina Hüttl
war im Wyclef’s.
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