Berliner Zeitung·Nummer 220·21./22. September 2019–Seite 9*
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Berlin
Ausfall:BeiderS-BahnsorgteeinStellwerkproblemfürChaosSeite 13
Überfall:DerProzessumeinenausgeraubtenGeldtransporterSeite 12
Feuerwehrmännerwerden im Einsatz oftmals mit krebserregenden Substanzenkontaminiert. IMAGO IMAGES
ToxischerJob
EinneuesFahrzeugsollBerlinsFeuerwehrkräfte
vorgefährlichenStoffenschützen
VonPhilippe Debionne
B
ei einem Brand in der
Nacht zu Freitag kam ein
besonderes Einsatzfahr-
zeug der Berliner Feuer-
wehr zumEinsatz: Derneue „Ge-
rätewagenHygiene“. Dasfuturis-
tischanmutendeFahrzeugwir dder-
zeit im Südwesten derStadt unter
realen Bedingungen beiEinsätzen
getestet. Mithilfe des Hygienewa-
gens sollen mittel- und langfristige
Gesundheitsschäden wie der soge-
nannte Feuerkrebs bei denEinsatz-
kräften reduziertwerden –das Ri-
siko,anK rebs zu erkranken, ist für
FeuerwehrkräfteimVergleichzuan-
deren Menschen laut einer interna-
tionalenStudie30 Proz enthöher.
BeifastjedemBrandentstehenin
denRauchgasenhochgiftigepolyzy-
klische aromatischeKohlenwasser-
stoffe.„Feuerwehrleute nehmen
diese toxischen und karzinogenen
StoffeüberdieungeschütztenAtem-
wege,aberauchüberdieoffenenPo-
render Haut auf“, heißt es bei der
nicht-offiziellen Feuerwehrorgani-
sation„Feuerkrebs“.Eine Organisa-
tion, die sich nach eigenerAussage
„dieser Problematik annimmt und
nach Lösungen sucht, um dieEin-
satzkräftezuschützen“.
VerschmutzteSchläuche
DeramDonnerstag bei einem
Brandeinsatz in einerErdgeschoss-
wohnung in der LichterfelderTul-
penstraße hinzugezogene Geräte-
wagen Hygiene könnte eine dieser
Lösungen sein.Sinn diesesEinsatz-
fahrzeugs ist es,dass sich Feuer-
wehrkräfte nach derBrandbekämp-
fungdirektvorOrtdesinfizierenund
umziehenkönnen,einesogenannte
Grob-Dekontamination.
Zudem kümmertsich die Besat-
zung desWagens um denAbtrans-
port„starkverschmutzter Schläu-
che,die mit Brandschutt inKontakt
gekommensind“,wieesineinerfeu-
erwehrinternen Beschreibung des
Gerätewagens heißt.Auch „konta-
minierte undverschmutzte Schutz-
kleidung“ wie etwaFlammschutz-
hauben oderHandschuhewerden
vondem neuenFahrzeug abtrans-
portiert.
DerFachzeitschrift „Feuerwehr-
magazin“sagteFrankChristvonder
Feuerwehr Falkensee (KreisHavel-
land),dassauchbeiseinenMännern
kontaminierte Kleidung direktvor
Ortweggepacktwird.
Manmüssezunächstdaraufach-
ten, den integriertenBrustgurtaus
der Jacke zu entfernen.Dafür wür-
den dieKameradenEinmal-Hand-
schuhe anziehen. Anschließend
würden die Beutel luftdicht ver-
schlossen und einerSpezialwäsche-
reizugeführt.Da die Beutel ausZu-
ckerstoffsind,kommensiemitsamt
derkontaminiertenEinsatzkleidung
indieWäsche.WährenddesWasch-
vorg angslösensichdieTütenrestlos
auf.
Dassdie Feuerwehrkräftesichvor
Ortumziehen und ihreEinsatzklei-
dung loswerden können, hat den
Vorteil,dasssiewinzigeRußpartikel
nichtlängeralsnotwendigeinatmen
müssen und nach dem Einsatz
„nichtnochstundenlangindenEin-
satzklamotten rumlaufen müssen,
durchdiemandenRußundandere
Partikel erst mit in dieWache und
dannmöglicherweiseauchnochmit
nach Hause nimmt“, wie einFeuer-
wehrmannsagt.
DochdassderEinsatzderneuen
Hygienefahrzeuge der zeit nur test-
weise läuft,reicht dem FDP-Abge-
„Das Schicksal
der Schießstand-
Polizisten darfsich
nichtwiederholen.“
Marcel Luthe,
Innenexperte der Berliner FDP
ordnetenMarcel Luthe nicht. „Im-
merhin räumt derInnensenator die
Feuerkrebsgefahrnunein“,sagteLu-
the der Berliner Zeitung. „Aber ge-
rade dann ist es inkonsequent, die
Krebsprävention nur in Trippel-
schritten zu betreiben. Ausden
Schicksalen derPolizisten auf den
Schießständen sollte derSenat ge-
lernt haben und nicht dieselben
FehlerbeiderFeuerwehrwiederho-
len.“ Daher müssten„alleMaßnah-
menderKrebspräventionsofortum-
gesetztwerden“.
Streitum Berufserkrankung
Es sei„nachgewiesen, dass beiFeu-
erwehrleutendasRisiko,anK rebszu
erkranken, bereits nach wenigen
Jahrenim Einsatzdienstumbiszu
Proz ent steigt“, soLuthe.Dennoch
werdeKrebsin DeutschlandbeiFeu-
erwehrkräften „nicht als Berufs-
krankheitanerkannt.UnddieRetter
und ihr eFamilienwerden mit den
Folgenalleingelassen.“
Laut Senat werden Krebserkran-
kungenwieLungen-,Kehlkopf-oder
Hautkrebs ,die „auf dieEinwirkung
vonpolyzyklischen aromatischen
Kohlenwasserstoffen undRußzu-
rückzuführen sind“, unterUmstän-
den zwar durchaus „alsBerufser-
krankung angesehen“.Eine „pau-
schale AnerkennungvonKrebser-
krankungen bei
FeuerwehrangehörigenalsBerufser-
krankung“gibtesabernicht.Wasbe-
deutet,dasseinanKrebserkrankter
Feuerwehrmann zunächst mit auf-
wendigen ärztlichen Gutachten
nachweisenmuss,dassseineKrank-
heitmit seiner Arbeit alsLebensret-
terzusammenhängt.
Auchder Ex-Polizist BerndGrigo-
leit ist besorgt um dieGesundheit
derBerlinerFeuerwehrkräfte .Grigo-
leit ist Chef derBerliner Interessen-
gemeinschaft solidarischer Staats-
bediensteter (B.I.S.S.), die imZuge
der Schießstandaffäremit mindes-
tens13 Totenentstandenistundsich
als Sprachrohr allerBerliner Beam-
ter versteht. Nach seinenWorten
würdenFeuerwerk räfte ebenso wie
PolizistenvondenzuständigenStel-
lenim Senatschlichtwegnichternst
genommen: „Bei all den toxischen
Stoffen, denen dieFeuerwehrkräfte
bei ihrenRettungseinsätzen ausge-
setzt sind, muss man doch fragen:
Werschützt eigentlich dieFeuer-
wehrdavor?“
Der neue „Gerätewagen Hygiene“ in der
Nacht zuFreitag im Einsatz. MORRIS PUDWELL
Andreas
Försterüber
die GrauenWölfe und
die Staatssicherheit
Seiten10 und 11
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